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Der Unterricht für den Anfängerkurs zum Freitauchen beginnt auf dem Trockenen. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen sitzen mit geschlossenen Augen auf ihren Yogamatten und atmen. Apnoe-Tauchlehrerin Kathleen Greubel erklärt: „Mit der Bauch- oder Zwerchfellatmung aktivieren wir den Parasympathikus, das ist der Teil unseres vegetativen Nervensystems, der an der unwillkürlichen Steuerung der meisten Organe beteiligt ist. Man nennt ihn auch Ruhenerv und er hilft uns dabei, uns zu entspannen.“

Nach einem weiteren Vollatemzug, also einem Atemzug, bei dem die Lunge komplett gefüllt und doppelt so lange aus- wie eingeatmet wird, fährt die 29-Jährige fort: „Außerdem hilft uns der sogenannte Säugetier-Tauchreflex beim Freitauchen.“

Dieser Reflex ist ein Schutzmechanismus und er sorgt dafür, dass wir unter Wasser die Luft anhalten, sich unser Herzschlag verlangsamt und das Blut in die Mitte unseres Körpers geleitet wird, um den Sauerstoffverbrauch zu reduzieren. Die Wissenschaft ist sich noch nicht ganz einig, wodurch dieser Tauchreflex ausgelöst wird, vermutlich spielen unter anderem Rezeptoren auf der Haut in der Nähe der Nase und Oberlippe eine Rolle. Bei Babys ist dieser Reflex noch besonders ausgeprägt, verliert sich aber immer mehr, je älter wir werden.

„Wenn wir Freitauchen – nicht als Extremsport –betreiben“, erzählt Greubel weiter, „gelangen wir kaum an unsere körperlichen Limits. Die größte Schwierigkeit ist unsere mentale Schranke. Das unangenehme Gefühl, was jeder von uns kennt, der schon mal länger die Luft angehalten hat, kommt nicht vom Sauerstoffmangel, sondern von der sich erhöhenden CO2-Konzentration im Blut. Die gute Nachricht ist: Die Toleranz gegenüber dem Kohlendioxid können wir trainieren und somit immer länger unter Wasser bleiben.“

Natürlich hat unser Körper seine Grenzen. Die Weltrekorde in den verschiedenen Apnoe-Disziplinen zeigen aber auf, dass da jede Menge Luft nach oben – beziehungsweise unten – ist. Die tiefste Tiefe ohne Tauchgerät liegt in der Kategorie „No Limits“ bei 214 Metern und wurde 2007 vom Österreicher Herbert Nitsch erreicht. 2014 stellte der Serbe Branko Petrovic einen Rekord in der längsten Zeit ohne Bewegung auf, mit dem Gesicht nach unten im Wasser treibend, hielt er es elf Minuten und 54 Sekunden aus.

Im Anfängerkurs der Tauchschule „Tramuntana Diving & Adventure” in Port de Pollença, bei dem Kathleen Greubel seit Juli 2020 unterrichtet, spielen solche Rekorde keine Rolle. „Bei uns geht es um die Ruhe und die Entspannung unter Wasser. Gerätetauchen ist der Blick nach außen, auf die Fische und so weiter – und das Freitauchen ist der Blick nach innen.“ Auch wenn keine Rekorde gejagt werden, sind 20 Meter Tiefe und zwei bis drei Minuten Atem anhalten für die meisten Kursteilnehmer realistisch. Die größte Gefahr beim Apnoetauchen ist der sogenannte „Blackout”. Wird der Atemreiz zu lange unterdrückt, verlieren die Sportler das Bewusstsein und müssen so schnell wie möglich an die Oberfläche gebracht werden. Kathleen selbst hatte noch keinen Blackout beim Freitauchen, musste aber schon einmal bei einem Wettkampf einen bewusstlosen Taucher an die Oberfläche befördern. „In der Regel hat man drei bis vier Minuten Zeit, bevor es zu körperlichen Schäden kommt. Sobald der Bewusstlose an der Oberfläche ist, pusten wir ihm Luft an die Nase. Das löst den Atemreflex aus.“

Beim Freitauchen, genau wie beim Gerätetauchen, geht man deshalb niemals alleine ins Wasser. „Auch das Kopf-unter-Wasser-halten in der Badewanne zählt als Freitauchen und darf niemals alleine geübt werden“, ermahnt die Tauchlehrerin. „Wer ganz sicher an seine Grenzen gehen möchte, der legt sich ins Bett und hält die Luft an. Denn sollte einen da der Blackout überraschen, setzt die Atmung automatisch wieder ein. Wichtig ist dabei nur, dass die Atemwege frei sind und man nicht umkippen kann. So kann man das Luftanhalten zwar üben, aber ich würde trotzdem immer einen Kurs empfehlen.“

INFO:

INFOS. Der Apnoe-Anfängerkursbei der Tauchschule „Tramuntana Diving & Adventure” in Port de Pollenca kostet 350 Euro und dauert drei Tage. In der Theorie lernen die Teilnehmer viel über Atemtechniken und das Verhalten bei Gefahr. Es gibt Flachwassertraining in Statik, also dem Tauchen ohne Bewegung, sowie in Dynamik, also im Streckentauchen. Außerdem vermitteln Kathleen Greubel und ihre Kollegen viel über die Fremd- und Eigenrettung im Wasser. Nach vier weiteren Freiwasser-Sessions bekommen die Kursteilnehmer dann das SSI (Scuba Schools International) Freediving-Level-1-Zertifikat.