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Es ist ein Eintauchen in eine ferne Zeit. Betritt man das Rivoli-Kino in Palma, fühlt man sich in die 60er und 70er Jahre zurückversetzt: Das Geländer, die Fliesen, die Sessel und die Popcorn-Verkaufsstätte erinnern an eine verklungene Epoche, als man sich für den Besuch eines Kinos noch parfümierte und das beste Hemd aus dem Schrank holte, um die großen Stars auf der Leinwand zu sehen.

Im geerdeten Hier und Jetzt geht man im zerschlissenen T-Shirt und kurzer Hose ins Kino und achtet nicht allzu sehr auf eine gut sitzende Frisur. Genau so ging es Ende September zu, als das einzige richtige Retro-Kino in Palma (Carrer d’Antoni Marquès 25) nach anderthalb Jahren angesichts der stabil niedrigen Corona-Zahlen wiedereröffnet wurde.

Diese lange Zeit blieb Betreiber Javier Salom alles andere als untätig. Er nahm Geld in die Hand und investierte in neue Leinwände und Soundsysteme für die drei Säle. „Auch die Sitze werden noch ausgetauscht”, so Salom gegenüber MM. Als Teil der Kette Aficine wolle man zwar den Charme von früher unverfälscht weiter transportieren, aber sich der Entwicklung der Technik nicht verschließen. Mit dem bald auch in Spanien startenden James-Bond-Film „Keine Zeit zu sterben” wolle man im Herbst richtig in Schwung kommen, so Salom.

So wie das am 22. Dezember 1959 war, als das neue Lichtspielhaus mit dem US-Spielfilm „In den Wind geschrieben” mit Rock Hudson und der gottgleichen Lauren Bacall eingeweiht wurde. Jahrzehnte gingen ins Land, jedes Viertel von Palma hatte damals ein Kino. „Das Metropolitan-Palace nahe dem Markt von Pere Garau war beeindruckend”, erinnert sich Javier Salom. „Und das Rialto in der Feliú-Gasse, das Capitol an der Plaça Flemming, wo zu Stummfilmzeiten live ein Klavier gespielt wurde, und natürlich das klimatisierte Cine Born”. Hinzu kamen zahlreiche weitere kleine Kinos. Eines, das Cine Moderno, stand im heutigen Ausgehviertel Santa Catalina, ein anderes, die Sala Astoria, in der Riera-Straße.

Ab den 80er Jahren gingen diese Kinos nach und nach ein. Das Capitol wurde 1987 dichtgemacht, im Rialto befindet sich nunmehr das Kaufhaus Rialto Living und im Born – dem Lieblingssaal des späteren Diktators Francisco Franco in seinen Zeiten als Balearen-Kommandant – eine mehrstöckige Filiale des Modekonzerns Zara. Das Metropolitan Palace wurde erst 2011 zugemacht. Für das Gebäude des geschlossenen, aber weiter existierenden Lumière-Kinos in der Avinguda de Sant Ferrán, wo noch immer alle Sitzplätze vorhanden sind, wird gerade ein neuer Mieter gesucht.

Ansatzweise traditionell ist neben dem Rivoli nur noch das neben dem Bahnhof der Sóller-Bahn befindliche Augusta. Das wurde zwar vor Jahren durchgreifend modernisiert, „aber der Treppenaufgang ruft schöne Zeiten von früher ins Gedächtnis”, sagt Javier Salom.

Man sei zuversichtlich, überleben zu können, so der Betreiber, zumal immer mehr ältere Menschen das Bedürfnis empfänden, ein Kino wie in ihren Jugendzeiten besuchen zu können. Wie damals biete sich die benachbarte Essstraße Blanquerna für ein lukullisches Mahl vor oder nach dem Filmgenuss an. „Nie haben wir daran gedacht, das Rivoli coronabedingt ganz zuzumachen.”

Außerdem diversifiziere man seit einiger Zeit: Schon 2019 habe es im Rivoli auch Comedy-Theaterpräsentationen gegeben, im Oktober zeige man Aufführungen des in Spanien allseits bekannten Humor-Festivals „Fesjajá”.