Wenn beiden Seiten klar ist, um was es geht, kann auch bezahlte Liebe legitim und moralisch einwandfrei sein. Etwas anderes ist es jedoch, wenn die Sehnsucht nach Nähe und Verbundenheit schamlos ausgenutzt wird. | tco

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Der folgende Text ist der MM-Kolumne "Unter vier Augen" von Talia Christa Oberbacher entnommen. Die Autorin ist Hypnose-Therapeutin und Coach in der Palma Clinic auf Mallorca.

Zum ersten Mal habe ich überlegt, ob ich die Geschichte „einer Freundin“ erzählen soll oder ob ich mich traue zuzugeben, dass ich es selbst erlebt habe. Es ist peinlich, unangenehm und sollte keiner erwachsenen Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht, passieren. Und doch kommt es vor, und zwar sehr, sehr oft. Und genau bei den gerade beschriebenen Frauen. Frauen, die stark sind und selbstbewusst, die etwas erreicht haben und sich ihrer Bedürfnisse bewusst sind. Die Rede ist von Betrug, begangen von hinterhältigen, kriminellen Männern, die auf der Suche sind nach Frauen, die bereit sind, auf sie hereinzufallen. Männern, die vorgeben, nach echter Liebe, Partnerschaft und Familie zu suchen und dabei einzig und alleine ihren finanziellen Vorteil im Kopf haben.

Eine harmlose(re) Variante ist, auf Dating-Plattformen zu annoncieren und sich entweder ohne Text (was ja zumindest alles offen lässt) oder gleich mit einfühlsamem Text darzustellen. Dazu ein schickes Foto, gerne auch aus früheren, besseren Zeiten, als das Haupthaar noch voller, die Figur noch sportlicher war. Die wahre Absicht ist klar. Frauen zu finden, die bedürftig sind, die viel im Leben erreicht haben und die dafür den Preis der Einsamkeit zahlen. Jeden Tag. Frauen, denen man nicht ansieht, dass sie als Singles durchs Leben gehen, die den Eindruck machen, als gehöre ihnen die Welt. Die dann aber, wenn sie nach einem langen Arbeitstag nach Hause kommen, alleine sind und einsam. Die sich manchmal wünschen, dass da jemand wäre, der sie fragt, wie der Tag war, was sie gefreut oder geärgert hat. Der in den Arm nimmt und sagt, dass alles wieder gut wird, wenn gerade alles schwierig ist und der Himmel einzustürzen droht. Der Freund ist und Berater und Liebhaber und Lösungsfinder und Held …

Wenn diese Männer dann ein Opfer gefunden haben, schmeicheln sie sich ein. Sie wissen genau, was sie sagen und tun müssen, um den bedürftigen Frauen zu gefallen. Diese spezielle Mischung aus Zartheit und Männlichkeit. Diese Mischung, die bei Männern in der freien Wildbahn im Grunde schon lange ausgestorben ist. Und dann beißen die Frauen an. Zuerst noch ungläubig, dass es wirklich sein kann, dass sie ein solch seltenes Exemplar gefunden haben. Endlich jemand da, der sie versteht, der genau das schreibt oder am Telefon sagt, was sie hören wollen. „Ich mag Deine Stimme.“ „Ich liebe Deine Augen.“„Du siehst so sexy aus auf den Bildern.“ „Wieso ist eine so wunderbare Frau wie Du eigentlich Single?“ Blablabla.

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Ich weiß nicht genau, warum Frauen so leichtgläubig sind, wenn es um Liebe geht. Vermutlich ist die Sehnsucht danach so groß, dass sämtliche Alarmsignale gleichzeitig einen Kurzschluss haben. Dann geschieht, was geschehen muss. Die Gesprächsinhalte verändern sich. Plötzlich kommen Dinge ins Spiel, wie: „Du könntest dieses für mich tun oder jenes“. Vielleicht wird nach Kontakten gefragt oder es geht um den Vertrieb oder Verkauf von irgendwelchen Produkten. Von Beziehung oder Liebe wird gar nicht mehr gesprochen. Frauen, die sich schon emotional verstrickt haben, beginnen dann leider tatsächlich noch, den „Geliebten“ zu unterstützen. Helfen mit, empfehlen weiter, machen Werbung, je nachdem, um welche Branche es sich handelt. So kann sich der geschäftstüchtige Love Scammer (das ist der Fachbegriff für diese miesen Typen) auf die Schulter klopfen und sich dafür loben, dass die Rechnung wieder mal aufgegangen ist.

Die noch verheerende Variante dieser Masche ist es, den Frauen finanzielle Nöte und Sorgen vorzugaukeln und sie so, ganz langsam aber stetig davon zu überzeugen, dass sie die einzige Rettung seien und dass es unbedingt nötig sei, so viel Geld wie möglich aufzutreiben und an den „Geliebten“ zu überweisen. Gerne wird dann auch nach monatelangem Geschreibe und Telefonaten das erste, persönliche Treffen davon abhängig gemacht. Nach dem Motto: „Liebste, ich würde sofort das nächste Flugzeug nehmen, um zu Dir zu kommen, aber ich habe soeben erfahren, dass ich finanziell ruiniert bin, dass ich hier nicht wegkomme, wenn ich nicht die Summe X bezahle, weil die kranke Oma operiert werden muss“, und so weiter. Der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. In meiner eigenen Geschichte war ich an diesem Punkt spontangeheilt. Ich habe zwar nur eine Weile im Schwabenland gelebt, aber meinem Umgang mit Geld nach, bin ich vermutlich doch dort geboren und dann ins Ruhrgebiet verschleppt worden.

Wie schnell dann plötzlich die große Liebe vorbei ist und die heißen Liebesschwüre sich in Beschimpfungen verwandeln, ist sensationell. Diese Entwicklung macht das Wachwerden und Wieder-klar-denken-können zwar deutlich einfacher, aber die Erniedrigung und das dumpfe Gefühl im Herzen bleiben erst mal. Wow. Alles nur eingebildet, nur Lügen und strategisches Vorgehen, um sich alles zu erschleichen. Erst das Herz und dann das Geld. Wie oft diese Masche aufgeht ist unvorstellbar. Der Markt an Singlefrauen, die dem Beuteschema entsprechen, wächst stetig (übrigens auch hier auf Mallorca). Genauso gibt es offenbar immer mehr Männer (wohl auch Frauen, aber das ist ein anderes Thema und soll zumindest hier nicht behandelt werden), die darin lukrative Chancen für ihren Lebensunterhalt sehen. Und nicht nur durch Bekanntwerden der Geschichte der Unternehmerin Susanne Klatten (BMW), die 2007 Opfer eines Romance Scammers wurde, wird klar, dass es nichts mit Intelligenz zu tun hat, wenn Frauen auf diese Männer hereinfallen. Auch Frau Klatten hatte ihr Herz an einen Mann verloren, der vorgab sie zu lieben und später versuchte, sie auf viele Millionen zu erpressen. Sie hatte die Courage, den Mann anzuzeigen und hinter Gitter zu bringen. Ich bewundere ihren Mut, sich der Öffentlichkeit zu stellen und ihre Geschichte zu erzählen. Denn das ist der einzige Weg, wie man diese Menschen stoppen kann.

Wir müssen aufstehen, den Mund aufmachen und erzählen, was passiert ist. Wenn wir uns vor lauter Scham verkriechen und uns schlecht fühlen, ist niemandem geholfen. Nur wenn immer mehr Menschen erfahren, was es für fiese und hinterhältige Machenschaften gibt, können wir achtsam sein, uns gegenseitig unterstützen und vor solchem Leid bewahren. Wenn Ihnen der neue „Bekannte“ aus dem Netz irgendwie komisch vorkommt, dann sollten Sie auf Ihre innere Stimme hören. Es gibt im Internet schon viele Seiten, auf denen Romance Scammer mit Bild zu finden sind, um Frauen aufmerksam zu machen. Scheuen Sie sich nicht, auf diesen Seiten nachzusehen, recherchieren Sie, ob die auf den Datingplattformen verwendeten Fotos echt sind. Und freuen Sie sich, wenn Sie feststellen, dass Sie einen der echten, guten Single-Männer erwischt haben.