Erzherzog Ludwig Salvator lebte vor mehr als 100 Jahren auf Mallorca. | Archiv Ultima Hora

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Mit geschwellter Brust am 26. Oktober, dem Nationalfeiertag, die rot-weiß-rote Fahne ihres Landes aus den Fenstern zu hängen, ist die Sache der Insel-Österreicher nicht. Auch ein gemeinschaftliches Pilgern zum bekannten Landsitz Son Marroig des unvergessenen Erzherzogs Ludwig Salvator (1847 – 1915), dem mit Abstand berühmtesten Mallorca-Freund aus dem Alpenstaat, findet am Tag der Tage mitnichten statt, obwohl dies angesichts der Bedeutung des Mannes durchaus angemessen wäre. Die Österreicher – genau 1021 sind laut dem Honorarkonsul Carlos Anglada im Augenblick offiziell gemeldet – bewegen sich auf der Insel eher auf unauffällige Weise.

Dennoch: Mit dem Rücken zu ihrem Land stehen Bürger der Alpenrepublik auf Mallorca nicht da. Sein emotionaler Bezug zu Österreich ergebe sich am Feiertag durch die Kunst im Wiener Schloss Belvedere, sagt Andreas Streicher, der seit dem Jahr 2009 auf der Insel wohnhafte Leiter der HMH-Galerie in Port d’Andratx. In dem wuchtigen Bauwerk in der österreichischen Kapitale wurde am 15. Mai 1955 der Staatsvertrag unterzeichnet, am darauffolgenden 26. Oktober, seit dem Jahr 1965 der Nationalfeiertag, wurde das Bundesverfassungsgesetz über die viel beschworene Neutralität beschlossen. „Man denkt zwar dran, für mich ist das aber kein besonderer Feiertag”, so der eingefleischte Steirer Streicher, in dessen beliebter Kunst-Loggia er momentan Werke der Malerin Lilli Hill ausstellt. Er habe seine Wurzeln nie verloren, sei aber nationalitätenunabhängig.

Sein Österreichertum extrovertiert auf der Insel auszuleben, ist auch Friedrich Panizzas Sache nicht. Und dies ungeachtet der Tatsache, dass nach dem fast Heiligenstatus genießenden Erzherzog weitere Kapazitäten aus dem gemütlichen Alpenland wie der legendäre SPÖ-Kanzler Bruno Kreisky (1911 – 1990, er hatte ein Haus in Puerto Portals) und der populäre Barde, Moderator und Schauspieler Rainhard Fendrich („Macho, Macho”) auf die Insel fanden. Panizza betreibt im Melonendorf Vilafranca de Bonany eine Institution der ungewöhnlichen Art, nämlich ein Korkenziehermuseum. Man sei eher „versteckt unterwegs”, so der schon seit Ewigkeiten auf der Insel wohnhafte Panizza. Ein organisiertes Beisammensein, wie sie die Schweizer an ihrem Feiertag am 1. August auf die Beine gestellt hatten, sei für dieses Jahr nicht geplant, Österreicher-Vereine gebe es nicht. Und trotzdem, so Panizza: Voll und ganz entwurzelt sei man nicht, schließlich existierten zwei gut besuchte einschlägige Gruppen auf Facebook: die österreichischen Freunde Mallorcas und Österreicher auf Mallorca.

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Eher zurückhaltend und nüchtern geht auch der Spitzenkoch Stefan Brunner mit dem Nationalfeiertag um: Der sei für ihn „nichts Besonderes”, äußert er. Er empfinde „ehrlich gesagt nichts” an jenem Tag. Das hält Brunner jedoch nicht davon ab, im hochgelobten Restaurant von Gerhard Schwaiger in Palma, wo er seit Jahren ebenfalls mit Spaß an der Sache den Suppenlöffel schwingt, der herzhaften österreichischen Kulinarik mitunter seinen Respekt zu zollen: Einmal im Monat bereite er Wiener Schnitzel zu, so der seit zwölf Jahren auf der Insel lebende Brunner. Noch öfter, nämlich an sämtlichen Samstagen, gebe er sich zum Frommen seiner Kunden voll und ganz dem Kaiserschmarrn hin.

Ohne große Gefühlswallungen erlebt auch Edwin Weindorfer den Feiertag. „Das ist nichts Besonderes”, sagt der erfolgreiche Sportevent-Organisator, der seit dem Jahr 2016 in Santa Ponça ein in der Tenniswelt hoch angesehenes Rasenturnier veranstaltet. Er werde sich am 26. Oktober in Wien aufhalten, weil dort ein ebenfalls von ihm auf die Beine gestelltes ATP-Tennisevent stattfindet. Hauptsächlich wohnt der Sportmanager, dessen Firma auch den renommierten Mallorca Country Club in Santa Ponça betreibt, in Salzburg. „Zwei bis drei Monate pro Jahr halte ich mich aber auf Mallorca auf.” Die Österreicher seien auf der Insel nicht sehr organisiert, so Weindorfer. „Hier geht jeder seinen eigenen Weg.”

Bei aller Distanz zu nationalem Brimborium hat auch Bettina Distel den Bezug zu ihrer Heimat nicht verloren. Wenn am Feiertag auf dem Wiener Heldenplatz rituell die alljährliche Schau des Bundesheers veranstaltet wird, lasse sie das durchaus nicht kalt, so die Auswanderin gegenüber MM. Die Hauptstädterin organisiert, wie sie sagt, drei bis viermal im Monat im bekannten Aprikosendorf Porreres bei sich zu Hause eine schmucke Tafel, die sie „Wiener Wohnzimmer” nennt. Dort serviert die seit August 2019 auf Mallorca wohnende Wahl-Insulanerin mit viel Hingabe heimische Köstlichkeiten wie Tafelspitz mit Schnittlauch-Mayonnaise, Erdäpfelschmarrn (Kartoffelstampf mit Zwiebeln), Bohnengemüse mit Spinat oder Kaiserschmarrn mit Zwetschgenröster. Vor zwei Jahren habe sie sich hinreißen lassen, am Nationalfeiertag ein noch spezielleres Essen als ohnehin schon zu kreieren, erinnert sich Bettina Distel. Und im vergangenen Jahr sei immerhin ein Österreichertreffen am großen Tag zustande gekommen, und zwar bei einer Weinmesse im unter Deutschsprachigen wohlbekannten Restaurant Pura Vida in Santanyí. „Man läuft sich halt über den Weg”, sagt die Auswanderin.

Das passiert erst recht, wenn auch noch im Sommer die Urlauber hinzukommen. „Denn wie in Deutschland werden auch in Österreich Ferien auf Mallorca zunehmend beliebter. „150.000 Touristen sind es im Schnitt pro Jahr”, so Carlos Anglada, der Honorarkonsul, gegenüber MM. Der an der Universität von Barcelona ausgebildete Anwalt kümmert sich seit dem Jahr 2012 um Österreicher auf den Balearen, er ist mit den Menschen aus dem Alpenland vollauf zufrieden. Alles in allem seien sie unauffällig, es habe so gut wie noch nie Probleme gegeben, sagt der Honorarkonsul, der sein Büro an der prachtvollen Avenida Jaime III. unterhält. Im Gefängnis der Insel sitze derzeit niemand aus dem Neun-Millionen-Einwohnerstaat ein.