Die Baustelle der abgerissenen Villa, die die Diskothek beheimatete, liegt linkerhand des Anwesens, das einst das deutsche Gemeindezentrum war. | Patricia Lozano

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Wer sich Fotos aus den 1930er bis 1950er Jahren ansieht, der erkennt auf einen Blick, dass Palmas Stadtteil El Terreno einst nahezu ausschließlich aus eleganten Villen bestanden hatte. Die Hautevolee der Balearen-Hauptstadt ließ sich dort von 1900 an inmitten mediterraner Gartenanlagen standesgemäße Sommerhäuser errichten, gerne im hippen Jugendstil der Epoche, samt Torbögen, Säulenportalen, Freiterrassen und Aussichtstürmen, um den Meerblick noch besser genießen zu können.

Jetzt hat das mittlerweile furchtbar verbaute Wohngebiet eine weitere dieser alten Villen verloren. Gelegen an der Avinguda Juan Miró 73, hatte sie in den 1990er Jahren die Homosexuellen-Diskothek „Black Cats” beheimatet, danach den Latino-Tanztempel „New Millennium” und danach nur noch Hausbesetzer. In der vergangenen Woche rückten die Bagger an, jetzt soll dort ein Hotel errichtet werden.

Die Baustelle öffnet einen neuen Blick auf die Nachbarvilla. Nur die ältesten Mitglieder der Deutschsprachigen Evangelischen Kirchengemeinde haben noch miterlebt, wie dieses Haus ihnen einst als Gemeindezentrum diente und auch die Wohnstätte der jeweiligen Inselpfarrer war. Gekauft hatte der Kirchenvorstand das Anwesen im Jahre 1986, zur Einweihung war sogar Mallorcas katholischer Bischof Teodor Úbeda erschienen.

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Bis dahin hatten die Gemeindetreffen meist in den Wohnungen der Pfarrer stattfinden können. So erwuchs der Wunsch nach einem eigenständigen Gemeindezentrum. Da bot sich plötzlich der Kauf der Villa an, in der zuvor eine Witwe aus der Familie des Bankiers Juan March gelebt hatte. Das stattliche Anwesen mit der Hausnummer 77, das sogar über eine Privatkapelle verfügte, bot reichlich Platz für Arbeits- und Tagungsräume. „Alles bestach durch den Glanz vergangener Jugendstil-Zeiten”, schreibt der pensionierte Pfarrer Heiner Süselbeck in seinem 2020 erschienenen Rückblick auf die Geschichte der Gemeinde.

Doch allzu lange hatte die Freude über den Kauf nicht gedauert. Denn wenn El Terreno in jenen Jahren tagsüber ein Wohnviertel einfacher Werktätiger war, so verwandelte es sich nachts im Umkreis der Plaça Gomila, wo auch das Gemeindezentrum lag, in eine Partymeile mit Bars, Diskotheken und Fiestas samt käuflichem Sex und Unrat in den dunklen Gassen. Sprich: Sodom und Gomorrha. So drängte die Gemeinde allmählich wieder zum Verkauf, doch ach: „Die Calle Juan Miró hatte sich in diesem Straßenabschnitt zu einem Rotlicht-Bezirk entwickelt. Die Preise für Immobilien sanken in den Keller”, schreibt Süselbeck.

Letztlich fand sich in den 1990er Jahren aber doch ein 
Kaufinteressent, ein Schweizer mit ausreichend Geld in den Taschen. Dessen Unternehmen unterhielt „seriöse Bordellbetriebe mit hohem Niveau”, so Süselbeck. „Schweren Herzens” habe der Kirchenvorstand dem Verkauf an diesen Mann zugestimmt. Mit dem Geld wurde das Pfarrhaus in S’Arenal, Carrer Bellavista-H 3, angeschafft.

Schnöder Mammon hin oder her: Heutzutage befinden sich die Immobilienpreise in El Terreno wieder in Höhen, dass vielen Menschen schwindelig wird.