Mit seiner Performance war der Künstler zuletzt auch bei einer Hochzeitsmesse in Kiel dabei. Fotos: privat | Privat

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Es ist ausgerechnet eine in Barcelona an eine Mülltonne angelehnte, ausrangierte Gardinenstange, die später dafür sorgen soll, dass der Kieler Tobias Gerdes seine wahre Passion kennenlernt. Zuvor absolviert der heute 32-Jährige noch in Deutschland eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann. Schnell wird ihm jedoch klar, dass er für diesen Beruf überhaupt nicht brennt. Es folgt 2014 die Auswanderung nach Mallorca und diverse Jobs in Promotion, Tourismus und Gastronomie auf der Insel. „Wir hatten hier auch ein kleines Selbstversorger-Projekt gestartet und so waren die ersten eineinhalb Jahre ganz witzig, jedoch wusste ich einfach, ich bin noch nicht der, der ich sein möchte.” Eine innere Unruhe habe ihm stets aufgezeigt, dass da noch mehr auf ihn warte und so entscheidet sich Gerdes nach zwei Jahren Inselleben dazu, sein Erspartes zu nehmen, auf das spanische Festland überzusetzen, um dort hoffentlich das zu finden, was ihn komplettieren würde: seine Passion.

„Die 3000 Euro waren relativ schnell weg, aber ich wollte die Suche nicht aufgeben und bin so auf den Straßen Barcelonas gelandet.” Als Obdachloser lernt er viele Gleichgesinnte kennen, man hilft sich und so verdient er mit Kleinkunst, was er zum Überleben braucht. „Ich hab damals Riesenseifenblasen gemacht und damit bin ich eine Weile auch ganz gut gefahren.” Ein paar Wochen später entdeckt Gerdes die schicksalhafte Gardinenstange und etwas flammt in ihm auf. „Ich habe mal irgendwann einen Feuertänzer bei seiner Kunst beobachtet und war sehr beeindruckt davon. Dann dachte ich, warum probiere ich das nicht mal aus.” Noch heute erinnere er sich manchmal an den Moment, an das Gewicht des Stabes in seiner Hand und wie gut und richtig sich das damals angefühlt habe. Mit seinem Fund geht er in einen angrenzenden Park, um ein bisschen damit herumzuexperimentieren. Wie das Leben so spielt, trifft er dort zufällig einen jungen Mann, den er ganz zu Anfang seiner Reise auf einem Festival kennengelernt hatte. „Der konnte einige Tricks mit dem Stab, hat mir die ersten Sachen gezeigt und ich konnte die Bewegungen wie selbstverständlich nachmachen. Spätestens da wusste ich: Das ist es!”

In den folgenden sieben Wochen legt der damals angehende Feuerkünstler sein Werkzeug nur zum Schlafen aus der Hand, und spart so viel Geld zusammen, sodass er schließlich die Gardinenstange gegen seinen ersten Feuerstab tauschen kann. Gerdes lässt Barcelona hinter sich und tingelt über das Festland, bis er schließlich auf Gran Canaria landet. „Dort hatten wir eine tolle Truppe und unsere ersten richtig professionellen Auftritte. Das war eine großartige Zeit.” Eine Verletzung am Rücken zwingt den jungen Mann schließlich dazu, seine Reise zu beenden und zurück nach Deutschland zu gehen. „Auch wenn sich das damals wie ein Rückschritt angefühlt hat, war es am Ende eine gute Entscheidung.” Nachdem die Verletzung ausgeheilt ist, folgen die ersten offiziellen Aufträge als Feuertänzer auf Firmenevents und Hochzeiten. „Wir hatten uns ein tolles Team aufgebaut, gerade einen fünfstelligen Betrag in unsere Firma investiert und einen vollen Terminkalender für 2020, als dann Corona kam und alles wieder auf null gesetzt wurde.”

Heute lebt Gerdes mit seiner Partnerin und dem gemeinsamen Sohn wieder auf Mallorca, in Felanitx. „Meine Freundin Jana Miriam und ich haben mittlerweile eine gemeinsame Show entwickelt.” In diesem Jahr seien die beiden das erste Mal auch beim Dreikönigs-Umzug in Portocolom dabei gewesen. „Das hat Spaß gemacht.” Geplant sei außerdem zum diesjährigen Fest von Sant Sebastià, bei dem Umzug der Dimonis als Artisten mitzuwirken. „Die Dimonis sind eine verschworene Gemeinschaft und es ist nicht so leicht, da als Außenstehender hereinzukommen, aber wir wollen es in jedem Fall versuchen.”

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Tobias Gerdes mit seiner Freundin Jana Miriam Taube bei gemeinsamen Proben für ihre Feuershow. Fotos: privat

Allgemein sei Mallorca eine Insel des Feuers, sagt der Künstler. „Die Umzüge, egal in welcher Gemeinde und an welchem Feiertag, sind immer toll anzuschauen. In Deutschland in der Form wohl undenkbar. Die Behörden würden in Ohnmacht fallen.” Der wohl beeindruckendste Feuer-Umzug an Sant Sebastià, dem Gerdes bislang beigewohnt habe, sei der in Palma gewesen, so der Künstler. „Wer sowas noch nie gesehen hat, der ist mit einem Besuch am Wochenende in der Inselhauptstadt gut beraten. Unglaublich wie verrückt das da zugeht und wieviel Pyrotechnik dort abgebrannt wird.”

Anders als die Show der Dimonis lebt die von Gerdes (authentic-fireshow.com) vor allem von Ästhetik und Akrobatik. „Es ist ein Tanz mit den Flammen und unser Ziel ist, dabei immer eine ganz besondere Atmosphäre für das Publikum zu erschaffen.” Dabei werden die Zuschauer auch nicht selten in die Showeinlage eingebunden. „Wer möchte, kann mit mir gemeinsam Feuer spucken. Keine Angst, das ist völlig ungefährlich.” Für seine berufliche Zukunft hat der Feuerkünstler große Pläne. „Mein Ziel ist es, irgendwann einmal bei der Galashow der jährliche Phoenix-Fire-Convention in Leipzig aufzutreten.” Das sei in der Szene eine Art Ritterschlag.