Valeria Castorina im Garten des Es-Baluard-Museums in Palma de Mallorca. | Foto: P. Lozano

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Die 36 Jahre alte Italienerin Valeria Castorina arbeitet im sizilianischen Catania für die Organisation "Colectivo Antiracista de Catania" und hilft Flüchtlingen, die in der Hafenstadt landen. Im Rahmen der Veranstaltung "Vivir la frontera" (Die Grenze erleben) im Museum Es Baluard in Palma hat sie einen Vortrag gehalten.

Mallorca Magazin: Seit wann engagieren Sie sich für Immigranten in Ihrer Heimatstadt Catania?

Valeria Castorina: Seit 1998, als die Aufenthaltsgenehmigungen für Flüchtlinge strenger reglementiert wurden.

MM: Kamen damals auch schon Flüchtlingsboote nach Catania?

Castorina: Nein. Das begann erst 2011. Zunächst landeten sie meistens in Lampedusa, wurden dann von Militärbooten nach Catania gebracht. Heute werden sie direkt auf See gestoppt und dorthin gebracht.

MM: Wie viele Flüchtlinge sind in Catania untergebracht?

Castorina: Offiziell gibt es dort 2000 Plätze, aber es sind mehr Flüchtlinge.

MM: Unter welchen Bedingungen leben sie dort?

Castorina: Wir haben uns an die Bustransporte rangehängt und gesehen, wo sie hinkommen. In verlassene Schulen und Turnhallen. Vier Carabinieri stehen davor, es gibt keine Betreuung. In der ersten Nacht hatten sie weder Decken noch Matratzen.

MM: Woher kommen die meisten Flüchtlinge?

Castorina: In den vergangenen Jahren vor allem aus Syrien und Palästina. Sie kommen aus den dortigen Flüchtlingscamps. Jetzt sind auch verstärkt Flüchtlinge aus ganz Afrika, Eritrea, Ghana, Gambia gekommen, viele aus dem Sudan.

MM: Wie werden die Flüchtlinge in Catania aufgenommen. Gibt es dort Ablehnung?

Castorina: Es gibt einige rechte Gruppen, die auch in Italien protestieren. Aber in meiner Stadt gibt es mehr Verständnis. Wir sind selbst ein Volk von Einwanderern.

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MM: In Deutschland wird momentan an einigen Orten gegen Asylheime protestiert. Können Sie das verstehen?

Castorina: Wie viele Flüchtlinge gibt es denn dort? Im Libanon gibt es Flüchtlingslager, in denen eine Million Syrer leben.

MM: Besonders ärgern sich manche Bewohner in Deutschland über Menschen aus Nicht-Krisengebieten, die nur aus wirtschaftlichen Gründen flüchten.

Castorina: Ich halte nichts von diesen Differenzierungen zwischen wirtschaftlich und kriegsbedingt. Sagen Sie einem Vater und einer Mutter, dass sie nicht flüchten dürfen, wenn sie nicht genug Geld für ihre Kinder haben. Wir können doch nicht die Leute danach aufteilen, ob sie aus Hunger oder vor einem Krieg flüchten. Auch wenn manche meinen, dass es zu viele sind.

MM: Was halten Sie davon, die Grenzen stärker zu sichern?

Castorina: Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Wenn Sie in Ihrer Wohnung auf dem Sofa sitzen und in der Küche brennt es, werden Sie versuchen, mit Ihrer Familie die Wohnung zu verlassen. Wenn die Tür versperrt ist, werden Sie das Fenster nehmen. Sie werden alles tun, die Wohnung zu verlassen. Jeder würde das tun.

MM: Was müsste sich Ihrer Meinung nach in der europäischen Flüchtlingspolitik verbessern?

Castorina: Wir entwickeln uns zurück, anstatt Fortschritte zu machen. Es muss ein reelles Recht für Flüchtlinge geben. Wenn du nach Italien kommst und um Asyl bittest, bist du 18 Monate zum Nichtstun verurteilt, oder du flüchtest weiter illegal durch Europa.

MM: Was glauben Sie, wie wird die Zukunft aussehen?

Castorina: Die Grenzen werden fallen, früher oder später. Aber die Migrationsbewegung der Menschen hat es schon immer gegeben. Es darf nur nicht sein, dass Migranten wie Geister durch Europa ziehen und wie Sklaven arbeiten müssen. Das betrifft ja alle, auch die arbeitende Bevölkerung. Auch sie sind Opfer der Ausbeutung. Wenn man also Zuwanderung akzeptiert und legalisiert, ist es von Vorteil für alle.

MM: Wo geht es für Sie nach Palma hin?

Castorina: Ich habe mir Urlaub genommen von meiner Arbeit und werde mir die Situation in Lampedusa anschauen.

(Aus MM 27/2015)