Bundesratspräsidentin Mnauela Schwesig. | Patricia Lozano

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Mallorca Magazin: Frau Schwesig, ist es das erste Mal, dass Sie auf Mallorca sind?
Manuela Schwesig: Nein. Vor Jahren war ich mit meinen Freundinnen aus der Studienzeit hier, auf einer Finca in der Inselmitte. Es war eine Woche nur unter uns Frauen, mit Sonne, Ausflügen zum Strand und gemeinsamem Kochen auf dem Landgut, auf dem wir wohnten. Später war ich auch mit meinem Mann und Sohn in Cala Santanyí. An diesen schönen Familienurlaub denke ich gern zurück.

MM: Diesmal sind Sie zum Arbeiten auf die Insel gekommen. Sie nehmen am EU-Gipfeltreffen teil. Können Sie bitte kurz umreißen, worum es dabei geht?
Schwesig: Hierbei handelt sich um eine Tagung der Präsidentinnen und Präsidenten der Parlamente aller EU-Staaten, die den Abschluss der spanischen EU-Rats-präsidentschaft bildet. Dazu hat die spanische Parlamentspräsidentin Francina Armengol geladen. Das Treffen findet in ihrer Heimat Mallorca statt. Zentrales Thema der Konferenz ist die Bewahrung von Frieden, Freiheit und Demokratie in Europa. Ich selbst bin als Bundesratspräsidentin hier und vertrete damit das Parlament aller 16 Bundesländer.

MM: Wie hoch schätzen Sie die Gefahr ein, die von Russland ausgeht?
Schwesig: Der Frieden auf unserem Kontinent wird durch Putins Angriffskrieg in der Ukraine bedroht. Alle Teilnehmer auf der Konferenz stehen an der Seite der Ukraine. Die Sicherheit in Europa ist zudem durch Fake-News und Desinformation gefährdet. Vor allem unsere Freunde im Baltikum, aber auch Polen, Finnen und Schweden sind in großer Sorge. Wir stehen fest an ihrer Seite.

MM: Auf Mallorca ist das Gefühl verbreitet, dass man sich in einem „sicheren Hafen” im Mittelmeer befindet, weit weg vom russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Doch ist dieses scheinbare Gefühl der Sicherheit nicht trügerisch?
Schwesig: Putins Russland bedroht unsere gesamte europäische Friedensordnung. Wir tagen zwar auf dieser tollen Insel, aber auch hier ist das Wichtigste Frieden, Freiheit und Demokratie in Europa. Derzeit lastet auf allen Demokratien, auch in Spanien, ein enormer Druck. Es ist wichtig, weiterhin auf Freiheit der Medien, Meinungsfreiheit und die Wahrheit zu setzen.

MM: Parlamentspräsidentin Armengol hat auf der Konferenz dafür plädiert, die EU-Länder sollten noch entschlossener klare Kante gegen Russland zeigen. Welche Rolle würde Deutschland dabei spielen?
Schwesig: Deutschland geht bereits sehr stark voran und ist nach den USA dasjenige Land, das die Ukraine in militärischer, finanzieller und humanitärer Hinsicht am stärksten unterstützt. Einige Bundesländer haben sogar Regionalpartnerschaften mit Regionen in der Ukraine, beispielsweise Mecklenburg-Vorpommern mit dem Oblast Tschernihiv, wo vergangene Woche ein Angriff stattfand. Die Ukraine braucht wieder eine Perspektive, daher findet in Deutschland im Juni eine internationale Wiederaufbau-Konferenz.

MM: Konkret heißt das also, die Länder Europas müssen an einem Strang ziehen. Wie könnte das aussehen?
Schwesig: Wir müssen alle stärker in der Sicherheitsfrage und der Verteidigungspolitik zusammenarbeiten. Entscheidend ist auch, dass Europa klare Regeln aufstellt hinsichtlich Fake-News, Desinformation und Cyberangriffen. Denn auch diese sind eine Bedrohung für unsere Demokratien.

MM: Im Juni steht die zehnte Wahl des Europäischen Parlaments an. Mit welchem Ergebnis rechnen Sie?
Schwesig: Europa droht ein Rechtsruck, was mir Sorgen bereitet. Rechtspopulisten schüren, wenn es zum Beispiel um das Thema Migration geht, Ängste in der Bevölkerung. Wir müssen den Wählern klarmachen, für welche Werte Europa steht, und diese verteidigen. Wir genießen sehr viele Freiheiten. Wir sind in dieser Hinsicht privilegiert, denn die große Mehrheit auf dem Globus lebt in Diktaturen.

MM: Mecklenburg-Vorpommern und Mallorca sind beides gefragte, aber auch fragile Urlaubsdestination. Mit welchen Herausforderungen sehen Sie diese Gebiete konfrontiert?
Schwesig: Es gibt durchaus viele Gemeinsamkeiten. Wir haben 2000 Kilometer Küste und 2000 Seen. Wir verzeichnen über 30 Millionen Übernachtungen durch Reisende im Jahr. Wir freuen uns über viele Urlauberinnen und Urlauber. Dennoch wollen wir unser Land nicht überfordern und einen Übertourismus verhindern. Darum setzen für die Zukunft auf kleine Unterkünfte mit wenigen Betten, sowie auf mehr Qualität.

MM: Wie bewerten Sie, dass auf Mallorca so viele Deutsche Urlaub machen und sogar dauerhaft hier wohnen?
Schwesig: Das spricht für die schöne Insel. Generell scheint das Lebensgefühl in Spanien gelassener zu sein als bei uns in Deutschland. Hier kann man ja auch schön Urlaub machen oder sogar wohnen. Das bringt neue Herausforderungen mit sich. Auch bei uns in Mecklenburg-Vorpommern gibt es viele Menschen, die hier einen Zweitwohnsitz haben. Ich kann die Debatte nachvollziehen, dass befürchtet wird, dass die Preise steigen und sich bald nur noch Wohlhabende solche Immobilien leisten können, Einheimische hingegen kaum noch. Hier muss man politisch klug gegensteuern. Wir hatten eine ähnliche Situation auf Hiddensee, einer kleinen Insel bei Rügen, und konnten dort mit den Kommunen eine Regelung finden für Einheimische, die dort Grundstücke erwerben wollen. Und wir setzen uns als Land dafür ein, dass Wohnen für Mitarbeitende der Hotelerie und Gastronomie bezahlbar bleibt.

MM: Haben Sie bei dem Treffen mit Mallorcas früherer Ministerpräsidentin Armengol auch persönlich sprechen können?
Schwesig: Ja, wir haben uns bei der Konferenz kennengelernt. Sie ist großartig, klug und sehr sympathisch und hat uns die Geschichte und Kultur ihrer Heimat eindrucksvoll nahegebracht. Ein Thema, über das wir uns auf der Konferenz austauschten, war die Rolle der Frau in freien Demokratien. Es gab zu diesem Thema auch zwei spannende Vorträge der spanischen Astronautin Sara García Alonso und der Schauspielerin Vicky Luengo. Für mich war es interessant zu vernehmen, dass Frauen in Spanien mit ähnlichen Hindernissen wie wir in Deutschland zu kämpfen haben.

MM: Sie sind als Ministerpräsidentin nach dem russischen Angriff auf die Ukraine wegen Ihres bis dahin moskaufreundlichen Kurses stark kritisiert worden. Der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern arbeitet derzeit per Untersuchungsausschuss Ihre damalige Politik auf sowie auch die umstrittene Finanzierung der Klimastiftung Ihres Bundeslandes mit russischem Geld. Wie sehen Sie dem Ende dieser Untersuchung entgegen?
Schwesig: Der Ausschuss gehört zu unserer Demokratie und wir haben nichts zu verheimlichen und legen alles transparent dar. Ich habe persönlich niemals mit Putin gesprochen, und ja, Deutschland hat lange Zeitpunkt auf die russische Energielieferung gesetzt, weil sie preiswert für Wirtschaft und Bevölkerung war. Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine haben wir sofort unsere Konsequenzen gezogen – auch ich. Es gibt keine Kooperation mehr mit Russland. Wir stehen an der Seite der Ukraine, wir unterstützen sie, das ist die Zeitenwende, die wir vollzogen haben.

Das Interview führten Alexander Sepasgosarian und Dominik Sarota.