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Regen tropft auf die Scheiben der Autos, die von Palma nach Manacor fahren. 6.15 Uhr, noch ist es dunkel. "Zu 90 Prozent werden wir fliegen", hatte Ricardo Aracil noch am Abend zuvor bestätigt. Doch eben gerade, bei einem zweiten Telefonat klang er nicht mehr ganz so sicher. "Es ist halt wie Bingo im Herbst. Das mit dem Wetter ist manchmal Glückssache." 6.50 Uhr: Der Regen hört auf. Das Schild mit dem skizzierten Heißluftballon auf der Schnellstraße Ma-15 zeigt die Zielgerade an: den Ballonflughafen.

Hier wartet Ilka schon auf die Kunden und Yaroslav checkt die Ballons, die heute in die Luft gehen sollen. Zwei Stück, denn heute werden gut zehn Passagiere erwartet. "Wir haben momentan acht Ballons, bald bekommen wir einen neunten", erzählt Ilka. Die Mitarbeiterin bei Mallorca Balloons reibt die Hände aneinander, noch ist es frisch. "Die Ballons haben unterschiedliche Größen, der Kleinste ist für zwei Leute gedacht, der größte für bis zu sechzehn Personen", berichtet Ilka.

Wenig später treffen ihre Kollegen ein, Carlos Toribio und Chef Ricardo Aracil, der schon am Telefon Sorgen wegen des Wetters hatte. Beide kommen mit Kleinbussen, sie haben Touristen in aller Frühe bei ihren Hotels abgeholt: Franzosen, Russen und Araber sind diesmal dabei. Allen sieht man die Vorfreude aufs Ballonfliegen an.

Als Aracil aussteigt, blickt er kritisch in den dunklen Himmel. "Das sieht gar nicht gut aus", murmelt er und holt einen mit Helium gefüllten Luftballon aus dem Gebäude des Ballonhafens. Während sich die Gäste im Inneren aufwärmen und einen Kaffee gegen die Müdigkeit trinken, lässt Aracil den Luftballon fliegen und prüft mit dem Kompass die Richtung, in die der Ballon fliegt.

Barbara und Achim Goos beobachten den Fachmann. Auch sie freuen sich auf ihren ersten Ballonflug. "Wenn wir den Flug jetzt so kurzfristig abblasen müssten, wäre das bitter. Dieses Jahr ist das erst ein einziges Mal passiert. Normalerweise sind die Wettervorhersagen zumindest so genau, dass wir am Vorabend entscheiden können, ob der Flug stattfindet, oder nicht", erzählt Aracil den beiden Flensburgern auf perfektem Deutsch.

"Oder besser gesagt: Die Fahrt. Auf Deutsch heißt es ja komischerweise Ballon fahren und nicht fliegen. Aber leider muss ich sagen: Zu 99 Prozent wird es heute nichts. Sicherheit geht vor. Und es soll Ihnen ja auch Spaß machen", fügt Aracil hinzu. Barbara und Achim Goos nicken verständnisvoll. "Wir sind zum Glück noch ein paar Tage hier und können es nachholen", sagt Barbara. "Aber noch gebe ich die Hoffnung nicht komplett auf", brummt Aracil und geht zu seinem Kollegen Carlos Toribio. Lagebesprechung.

7.30 Uhr: Langsam erhellt sich der Himmel. Der Sonnenaufgang naht - und die Regenwolken weichen. Toribio und Aracil lassen einen zweiten Luftballon aufsteigen, beraten sich kurz. Dann geht alles ganz schnell. "Wir fliegen", ruft Aracil. "Alle in die Busse, schnell!" Ein naheliegender Lkw-Parkplatz dient als Ersatzstartpunkt - der Untergrund am Ballonhafen ist zu aufgeweicht vom nächtlichen Regen.

Aracil wird mit dem deutschen Touristenpaar in einem kleinen Ballon fliegen, Toribio in einem größeren mit den Gästen anderer Nationen. Die packen schon kräftig mit an, helfen, den Schirm auszubreiten und den Brenner zu befestigen. 5100 Kubikmeter umfasst die Plane, die sich langsam durch die warme Luft aufbläht.

Aracil und das Paar aus Flensburg haben noch Probleme. "Ein Lkw-Fahrer hat sich gerade beim Parken auf eines der Seile gestellt und ist verschwunden, jetzt kriegen wir es nicht unter dem Reifen weg", ruft Aracil sichtlich nervös. Schließlich bleibt nicht viel Zeit: Kommt Wind auf, dann wird die Abfahrt schwierig.

Toribio und seine Gruppe heben bereits ab, als Aracil endlich den Fahrzeugführer ausfindig machen kann. "Jetzt kann es aber wirklich losgehen", bekräftigt er und nickt Achim und Barbara Goos aufmunternd zu. Mit vereinten Kräften befestigen sie den Schirm am Korb. 1,80 mal 1,20 Meter ist der Korb breit. "Theoretisch für fünf Personen plus Pilot zugelassen, aber wir lasten die Körbe generell nie aus. Dann halten sie länger und man hat mehr Platz", sagt Aracil. Tatsächlich ist es auch so schon kuschelig eng im Korb.

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8.45 Uhr. Aracil setzt zum Start an. "Alle bereit? Dann los." Er heizt das Feuer weiter an. "240 Grad", sagt er mit Blick auf sein Messgerät. Fast unmerklich hebt der Heißluftballon vom Boden ab, nur fünf Stundenkilometer schnell. Gut 120 Kilogramm machen Schirm, Brenner und Korb zusammen aus. "Das muss man erstmal hochkriegen", meint Aracil und grinst. Man merkt ihm an, dass er die Anspannung am Boden zurückgelassen hat.

"In der Luft fühle ich mich immer wohl, es macht mir noch genau so viel Spaß wie am ersten Tag", verrät er und blickt zufrieden auf den sich immer weiter entfernenden Boden. 30 Stundenkilometer, 45, dann 50 fliegt der Ballon. Aracil freut sich: "Das ist fast neuer Rekord, der liegt bei 55 Stundenkilometern. Heute ist ein besonderer Tag, in jeder Hinsicht."

Dass Aracil sich immer noch so für das Ballonfahren begeistern kann, zeigt, wie sehr er seinen Beruf liebt. Als er 1988 als Pionier in Spanien seinen ersten Ballon kaufte, sei es ihm eigentlich nur ums Geschäft gegangen, verrät er. "Viele machen ihr Hobby zum Beruf. Bei mir war es andersherum." Heute sei er mit 3500 Flugstunden einer der erfahrensten Ballonpiloten in ganz Europa. Jedes Jahr fährt er zu Wettbewerben, nach Japan und Dubai und auch nach Deutschland, zur Montgolfiade im sauerländischen Warstein. "Und im Januar werde ich die Alpen überqueren", berichtet er und seine Augen blitzen vor Vorfreude.

So hoch wollen seine Passagiere Achim und Barbara Goos nicht hinaus. Knapp 300 Höhenmeter reichen ihnen - schließlich ist der Anblick des morgendlichen Mallorca mit seinen Hügeln und Feldern von oben durchaus auch aus dieser Höhe beeindruckend. "Dort unten liegt Ariany", sagt Aracil. Wohin der Wind den Ballon treibt, weiß er nicht. "Ballonfahren ist wie das Leben, man weiß nur, wo es anfängt, aber nie, wo es endet."

Die Höhe dagegen lässt sich von erfahrenen Piloten sehr genau regeln. "Hier oben kann man ja schon fast die Augenfarbe der Flugzeugpiloten sehen, wir fliegen jetzt mal tiefer." Gesagt, getan. Wenig später scheinen die Felder und Schafe fast zum Greifen nah zu sein. Ruhig und geräuschlos gleitet der Ballon wenige Meter an ländlichen Fincas vorbei.

"Buenos días", ruft Aracil und winkt neugierigen Hausbesitzern zu, die den schwebenden Ballon bewundern. "Wunderschön", seufzt Barbara Goos zufrieden, ihr Mann nickt zustimmend. Die beiden sind bereits mit einem Doppeldeckerflugzeug geflogen und haben Paragliding gemacht, die Heißluftballonfahrt ist für sie Premiere. "Es ist viel genussvoller, weil nichts ruckelt und rattert und man in Ruhe die Natur genießen kann."

Nach etwa einer Stunde setzt Aracil zur Landung an: Er hat einen geeigneten Acker ausfindig gemacht. "Alle gut an den Griffen am Korb festhalten", befiehlt er. Es gibt einen kleinen Ruck, als der Korb auf den Boden aufsetzt, dann steht das Fluggefährt sicher. Die Mitarbeiter Ilka und Yaroslav kommen bereits mit dem Kleinbus angefahren, ständig waren sie in Funkkontakt mit ihrem Chef.

Als sich alle wohlbehalten im Ballonhafen einfinden und die traditionelle Sekttaufe für Erstflieger mit anschließendem Frühstück genießen, kann sich Aracil zurücklehnen. Er grinst. "Oft sind die chaotischen Tage am Ende doch die besten."

INFO
Eine Ballonfahrt kostet 160 Euro pro Person.
Infos unter mallorcaballoons.com

(aus MM 42/2015)