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Es sieht federleicht aus. Im Selbstversuch stellt sich allerdings heraus, dass es ein absoluter Powerjob ist. Man braucht eine gehörige Portion Kraft im Rumpf, um sich an der Stange halten oder hochziehen zu können. Elegant soll es nach Möglichkeit auch noch aussehen, vom Lächeln ganz zu schweigen. Pole-Sport gilt inzwischen als anerkannte Disziplin. Der Verband hat ein strenges Punktesystem pro Figur und Ausführung auserkoren, vergleichbar mit der Rhythmischen Sportgymnastik. Die Vereinigung des Pole-Sports strebt die Olympiazulassung an.

Die drei jungen Frauen im Pole-Dance-Studio Fly and Fit unweit von Palmas S’Escorxador haben diese Power. Trainerin Alessandra Petragnani ist zierlich und schlank, aber in diesem grazilen Körper steckt die Kraft einer Tänzerin. Scheinbar mühelos schwingt sie die Beine nach oben, der Körper hängt kopfüber, die Unterschenkel umfassen die Stange. Camila Vega und Raquel Romero eifern ihr nach. Raquel ist erst seit kurzem dabei. Trotzdem schafft sie es, sich gegen die Schwerkraft zu heben. Camila Vega hat das Pole-Dance-Fieber gepackt. „Er ist wahnsinnig herausfordernd. Man braucht Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit. Mir gefällt, dass ich von Stunde zu Stunde einen Fortschritt sehe.”

Zuerst wärmen sich die jungen Frauen auf, ein wichtiger Teil des Trainings. Vor allem die Hände, Handgelenke und Schultern müssen gut vorbereitet sein. „Nach den ersten Stunden hatte ich einen wahnsinnigen Muskelkater“, gesteht die Chilenin Camila. Auch der Druck der Stange, wenn man sich mit beiden Oberschenkeln dort festklemmt, hinterließ anfangs Spuren. Blaue Flecke noch und nöcher. Aber auch das hat nachgelassen.

Pole Dance hat bei vielen noch einen „schmuddeligen“ Beigeschmack. Die meisten assoziieren damit Striptease-Bars, an denen sich aufreizend gekleidete Frauen halbnackt vor lasziven Männerblicken räkeln. Die Vereinigung des Pole-Sports möchte mit diesem Image aufräumen. Bei Wettbewerben gelten strenge Kleiderregeln, zu knappe Höschen werden direkt disqualifiziert. Kurz muss die Kleidung dennoch sein, sonst rutscht man an der Stange ab.

Alessandra Petragnani hat ihr Studio erst seit Februar dieses Jahres geöffnet. Eine komplizierte Zeit liegt hinter ihr. In der Lockerungsphase 1 der Ausgangssperre durften die Teilnehmer nur mit Maske üben, die Gruppen waren streng reduziert. Sie versucht, sich einen Platz im Markt mit besonderen Preisangeboten und hoher Buchungsflexibilität zu erobern. Die gebürtige Mailänderin kommt aus dem Tanz.

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Ein wenig mit dem erotischen Image spielt sie mit ihren Teilnehmerinnen dennoch. In der Freitagsstunde „Erotic Pole“ ist genau das gewünscht. Die eigene Weiblichkeit austesten, erotische Bewegungen im geschützten Raum des Studios ausleben. „Wir dimmen das Licht und werfen die kleinen blauen Leuchten an“, sagt sie. In der Ecke steht ein Paar schwarze Lacksandalen mit schwindelerregenden Absätzen. Die wirft sich Alessandra über. Ein bisschen verkleiden gehört auch dazu. „Wir genießen es und haben irren Spaß.”

Die Figuren suchen sich die Frauen im Internet. Bei Instagram schwirren viele Videos herum. Die drei beugen die Köpfe über das Handy. „Probier mal den Schmetterling“, sagt Alessandra zu Camila.

Camila schwingt das rechte Bein, holt ein wenig aus und hangelt sich gekonnt an der Stange hoch. Damit sie nicht abrutscht, reibt sie sich die Hände vorher mit Magnesium ein. Der Körper tanzt förmlich um den „Pole”, am Ende hängt sie kopfüber.

Camila Vega liebt diesen Sport. Er ist der perfekte Ausgleich zu ihrem anstrengenden Job als Ärztin. Dreimal die Woche biegt sie sich an der Stange. Nach 1,5 Stunden verlässt sie glücklich, mit roten Wangen, das Studio.

(aus MM 45/2020)