Kevin (l.) und sein Vater Bernd Hartmann vor dem Hotelpool. Am Hauseingang werden die Gäste auf die aktuell gültigen Corona-Regeln hingewiesen.

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Die meisten großen Hotels an der Playa de Palma haben vier Sterne, einige sogar fünf, und gehören zu Ketten. Es gibt aber auch noch kleinere Herbergen, die vom Inhaber selbst geführt werden. Da sieht der Corona-Alltag etwas anders aus. MM war zu Besuch im Alce, einem Hostal, an dessen Tür ein Stern prangt. Es befindet sich nur wenige Meter entfernt von der Bierstraße und ist in normalen Jahren nicht zuletzt bei Partyurlaubern beliebt.

Am kleinen Pool vorbei geht es über die Terrasse zum Eingang, wo ein Spender mit Desinfektionsmittel wartet. Auf Tafeln wird mit großen Buchstaben auf die Maskenpflicht hingewiesen und dazu aufgefordert, die Mindestabstände einzuhalten. Durch die Bar, wo morgens (bis 14 Uhr) auch das Frühstücksbüfett steht, geht es Richtung Treppenhaus. Auf ihrem Weg werden Hotelgäste schon mal von Mitarbeitern an den Mund-Nase-Schutz erinnert – wenn sie nicht eh daran gedacht haben.

Betrieben wird das Alce von Bernd Hartmann und seinem Sohn Kevin. Seit 2007 sind die Frankfurter vor Ort aktiv. Davor sei das 1967 gebaute Haus in keinem guten Zustand gewesen. Das habe sowohl das Gebäude an sich als auch teilweise das Niveau der Gäste betroffen, wie Vater und Sohn berichten. „Seit wir hier sind, wurde in jedem Jahr renoviert“, so Sohn Kevin. „Es wurde immer geguckt, was wir finanziell übrig haben und dann investiert. Im vergangenen Jahr waren die Badezimmer im obersten Stock dran. Eigentlich sollten dieses Jahr weitere Badezimmer folgen, aber wir wissen im Moment nicht, wie es aussieht ...“

Corona hat auch im Alce den Alltag bestimmt in den vergangenen Monaten. Und so geht es weiter. Glasscheiben trennen an einem Teil des Tresens die Bedienung vom Gast. Neu ankommenden Urlaubern wird mit einer Fieberpistole die Temperatur gemessen, das Gleiche gilt für jeden Mitarbeiter bei Dienstantritt. In diesem Jahr arbeiten neben den beiden Chefs sechs Kollegen im Alce. In den vergangenen Jahren waren es zehn. „Man kann also sagen, das Alce ernährt in einem normalen Jahr zehn Familien“, meint Bernd Hartmann. Aber was ist in diesem Jahr schon normal ...

Bevor im März der Lockdown anstand, habe man sich über eine „sehr positive“ Buchungslage für die Saison gefreut. Doch dann kam es anders. Als Reisen nach Mallorca wieder möglich waren, gab es einen Hoffnungsschimmer am Horizont. Doch das Geschäft lief nicht richtig an. Zumal viele Urlauber über das Buchungsportal Booking.com reservierten und Tarife buchten, die kurzfristig storniert werden können. Eine Planungssicherheit besteht somit für die Hoteliers nicht. „Es gibt auch Gäste, die reisen nicht an, sagen aber nicht mal vorher ab“, so Kevin Hartmann. Sollten die Verträge es ermöglichen, trotzdem Geld abzubuchen, habe es auch schon mal den Fall gegeben, dass auf dem angegebenen Konto nichts zu holen war.

Das Alce verfügt über 38 Doppelzimmer, teilweise ist per Zustellbett auch eine Dreier-Belegung möglich, solange die maximale Anzahl von 76 Gästen nicht überschritten wird. Von Mitte Mai bis Mitte Oktober kostet ein Doppelzimmer inklusive Frühstück laut offizieller Preisliste 115 Euro. Es lässt sich also einfach ausrechnen: Bei einer hundertprozentigen Auslastung liegen die Einnahmen deutlich über 100.000 Euro im Monat. Das Geld ist in den drei Lockdown-Monaten komplett weggefallen. Und danach? Manchmal seien 20 Touristen im Haus, an anderen Tagen auch mal nur fünf. „Im Juli hatten wir genau 98 Gäste“, verrät Bernd Hartmann. Die meisten seien nur zwei oder drei Nächte geblieben. Die Verluste dürften dieses Jahr also in die Hunderttausende gehen, was ein Betrieb dieser Größenordnung erst mal bewältigen muss.

Fraglich ist auch, was aus Silvester wird. „Normalerweise waren wir um diese Zeit immer schon fast ausgebucht für den Jahreswechsel. Momentan gibt es eine Reservierung.“

Dem Alce geht es nicht anders als anderen Unternehmen in der Zone. „Gewinn machen wird hier in diesem Jahr niemand“, weiß Kevin Hartmann, der sich in den vergangenen Wochen vor allem mit einer zeitaufwendigen Tätigkeit herumschlagen musste: Die Stornierungen wollten bearbeitet werden. Viel Aufwand, für den es kein Geld gibt. „Teilweise saß ich bis tief in die Nacht und habe E-Mails geschrieben.“

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Zu Schwierigkeiten sei es hin und wieder gekommen, wenn Urlauber einen nicht stornierbaren Tarif gebucht hatten, um ein paar Euro zu sparen. Die Gäste sagten ab und hofften auf Kulanz. Für das Hostal ein Problem. „Nicht stornierbare Buchungen – das ist das Geld, das für uns sicher ist, mit dem wir planen. Wir müssen ja am Leben bleiben, da hängen doch auch die Mitarbeiter dran, für die wir Verantwortung tragen.“

Dass es das Alce unter ihrer Leitung auch im kommenden Jahr noch geben wird, davon sind die Hartmanns trotz einer erwarteten Auslastung von aktuell vielleicht nur zehn oder 15 Prozent überzeugt. „Wir waren sparsam, haben im Laufe der Jahre aufgepasst und Rücklagen geschaffen. Wir haben gut genug gewirtschaftet und keine Außenstände.“

Eine Recherche auf der Homepage von Booking.com verwundert etwas. Man sollte annehmen, dass ein gewichtiges Argument für ein Hostal mit einem Stern der Übernachtungspreis ist. Sucht aber ein Pärchen an der Playa de Palma eine Unterkunft für vier Nächte Ende August, unterscheiden sich die Preise kaum von denen, die Vier-Sterne-Hotels in der Gegend bieten. Einige dieser Herbergen sind sogar billiger. Bei Einzelzimmerbuchung ist dieses Phänomen noch deutlicher. „Es ist schon so, dass wir in normalen Jahren ganz klar günstiger sind als diese Hotels. Aber jetzt wollen die großen Ketten ihre Zimmer füllen, daher sind die Preise stark gesunken. Solche Angebote gab es im vergangenen Jahr nicht“, so Kevin Hartmann.

Für das Alce sei es aber kein Thema, jetzt die Zimmer „zu verramschen“. „Wenn du das Zimmer pro Nacht für 40 oder 50 Euro verkaufst, dann kommen auch die entsprechenden Gäste.“ Das sehe man an Billig-Hostals im tiefsten Arenal. Viele der Gäste im Alce seien zwar Partytouristen, auch junge. Insgesamt setze man aber auf einen gesunden Mix. Es kämen auch Professoren, Polizisten und Anwälte. Auf Exzesse in ihrem Haus haben die Hartmanns keine Lust.

Es ist übrigens ausdrücklich untersagt, Alkohol aus dem Supermarkt mit aufs Zimmer zu nehmen. Wer noch einen Absacker vor dem Einschlafen trinken will, der kann sich an der Bar etwas kaufen. Damit wollen die Betreiber nicht den Umsatz dort ankurbeln, sondern verhindern, dass auf den Zimmern oder gar auf dem Balkon nächtliche Besäufnisse stattfinden.

Bei der Internet-Recherche fällt auch auf, dass das Hostal neben vielen guten auch zahlreiche negative Bewertungen auf den Reiseportalen bekommt. Davon lässt sich Bernd Hartmann, der am 28. August seinen 70. Geburtstag feiert, nicht aus der Ruhe bringen. „Wer zufrieden ist, der braucht nicht unbedingt eine Bewertung zu schreiben. Oftmals sind das Gäste, mit denen es Ärger gab, zum Beispiel wegen Vandalismus. Die drohen heutzutage schon mit schlechten Bewertungen, wenn man sie zurechtweist.“ Es gebe aber auch andere Fälle, wie Sohn Kevin ergänzt: „Viele eher schlechte Bewertungen entstehen aufgrund falscher Erwartungen. Normalerweise liegen wir, wie gesagt, vom Preis her deutlich unter anderen Hotels. In denen gibt es dann vielleicht Dinge, die teuer bezahlt werden. Die Leute vergessen manchmal, dass wir ein Ein-Sterne-Hostal sind. Und dafür sind wir schon sehr gut aufgestellt, finde ich.“

Was die nähere Zukunft für das Business an der Playa de Palma betrifft, da ist der 41-Jährige eher skeptisch: „Meiner Einschätzung nach werden hier spätestens im Dezember oder im Januar viele kaputtgehen. Wie sollen sie es denn machen? Sie haben ja keine Einnahmen.“

Und wird eines Tages wieder so richtig die Party steigen? Dazu meint Bernd Hartmann, der die Playa noch aus früheren Jahrzehnten als Urlauber kennt: „Ich gehe davon aus, dass man irgendwann wieder feiern kann. Dann vielleicht ohne Bierkönig und Mega-Park. So wie in meiner Jugend in kleineren Diskotheken und Lokalen. Gefeiert haben wir damals auch und es war gemütlicher. Die kleine Gastronomie hat unter den großen Läden gelitten.“