War National Geographic mal wieder eine Reportage wert: Das Bergdorf Valldemossa. | J.M.G.

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Wer in Zeitschriften und einschlägigen Reisemagazinen etwas über das verwunschene Bergdorf Valldemossa liest, der kommt nur selten an den gängigen Stereotypen vorbei: Der französisch-polnische Komponist Frédéric Chopin klebt wie hartnäckiger Leim an der Geschichte der kleinen Gemeinde, die bis heute nur knapp 2.000 privilegierte Einwohner zählt. Nicht anders verhält es sich mit George Sand, die mit ihrem an Tuberkulose erkrankten Partner in jenem viel zitierten Winter 1838 das Zimmer Nummer vier der Könglichen Kartause teilte.

Selbst die renommierte Zeitschrift National Geographic kommt in ihrer jüngsten Reportage – denn es war vermutlich nicht ihre erste – nicht an dem historischen Künstlerpaar vorbei. Schon der Titel, "Das Dorf, das den perfekten Winter auf Mallorca verspricht", lässt erahnen, wohin für den Journalisten José Alejandro Adamuz die Reise führte. Ähnlichkeiten mit George Sands Mallorca-Werk "Ein Winter auf Mallorca" sind offenbar gewollt.

Nach der Lektüre der Reportage ist man geneigt, die 24 Kilometer, die Valldemossa von Mallorcas Hauptstadt Palma trennen, ein ums andere abzufahren. Mal in die eine Richtung, mal in die andere. Getreu dem Motto "Der Weg ist das Ziel" schwärmt Adamuz im Großen vom Gebirgszug Serra de Tramuntana, der für ihn "eine Insel auf der Insel" darstellt. Im Kleinen gerät der Journalist wortreich angesichts der angelegten Gärten, gepflegten Felder und "stolzen Olivenbäume" ins Schwärmen.

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Der bereits eingangs erwähnte Teil mit Chopin und Sand erinnert stark an ein Déjà-vu – alles schon mal gelesen, und nicht nur einmal. Mit der Passage, dass Chopin und Sand der damaligen Bevölkerung vorgekommen sein mussten wie "zwei Eindringlinge vom Mars", sammelt der Verfasser dagegen wieder Pluspunkte. Nur zu gerne möchte man ihm das glauben. Noch heute wird so mancher Mallorquiner ähnliche Gedanken haben, wenn er bei 40 Grad plus auf weißbesockte Urlauber in Birkenstock trifft.

Adamuz rät Besuchern, sich einfach von Neugier durch die mit krudem Kopfstein ausgelegten Gassen treiben zu lassen. Sehenswerte Überraschungen seien ja quasi an jeder Ecke anzutreffen: romantische Plätze, die zum Verweilen einladen, und Häuser mit massiven Steinfassaden, die von unzähligen Grünpflanzen in Tontöpfen bewacht werden. Ein nicht unwesentliches Detail ist dem Journalisten dabei nicht entgangen. Denn Valldemossa steht längst nicht nur für Chopin und Sand, das vermutlich berühmteste Dorf der Insel ist auch Geburtsort der einzigen Heiligen Mallorcas: Santa Catalina. Und zu deren Ehren schmückt fast jede Hausfassade eine kleine Kachel, die eine Szene ihres Lebens festhält.

Viel Hunger hatte Adamuz bei seinem Besuch in Valldemossa, sollte er tatsächlich stattgefunden haben, augenscheinlich nicht. Sein Gastrotipp beschränkt sich auf eine Einkehr bei Ca'n Molinas – das ist wahrlich kein Geheimtipp mehr. Mittlerweile bringen die Enkel des Gründers ihre vielbeschworenen Cocas und Bollos an die Kundschaft aus nah und fern. Im Sommer, darauf weist der Journalist vorsichtshalber jene Reisenden hin, die glauben, Mallorca befinde sich auf dem Mars, müsse tatsächlich mit Warteschlangen gerechnet werden.

Und ja, in Valldemossa kann man auch Baden, sogar im Meer. Man ahnt es schon, nicht direkt im Ort, denn der liegt 500 Meter über dem Meeresspiegel. Und auch hier klärt Adamuz nicht wirklich auf: Nach unten führe "eine Bergstraße voller Kurven." Was dieser plausiblen Beschreibung fehlt, ist der Zusatz, dass diese kaum breiter als ein Auto und stellenweise von windschiefen Kiefern gesäumt ist. Aber bis dorthin hat es der Journalist vermutlich nicht geschafft.