Besonders am Flughafen in Palma kam es in diesem Sommer zu vielen Verspätungen. | Jaume Morey

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Für den Berliner Richard Hübner hat der Rückflug Mitte Mai aus Palma nach Schönefeld wesentlich länger gedauert als erwartet. Mehr als fünf Stunden Verspätung hatte sein Flieger. Vor Ort wurde den Passagieren mitgeteilt, es gebe Schwierigkeiten mit der Maschine. "Erst hieß es, der Flug verschiebt sich um eine, dann um zwei Stunden und so weiter", erzählt Hübner. Anstatt wie geplant um 17.45 Uhr erreichte der Flieger Berlin erst um 22.59 Uhr.

Damit war er bei Weitem nicht der einzige Fluggast in diesem Jahr, der sich über eine Verspätung auf einem Mallorcaflug ärgerte. 38 Prozent aller Flüge, die in Palma starteten oder landeten, waren im Juni und Juli mehr als 15 Minuten zu spät, das geht aus Zahlen von Eurocontrol, der Europäischen Behörde zur Sicherung der Luftfahrt, hervor.

Viele Fluggäste wissen nicht, dass sie im Fall von Flugverspätungen und Annullierungen Ansprüche geltend machen können. Ermöglicht wird dies durch die Fluggastrechte-Verordnung der EU aus dem Jahr 2004. Ab einer Verspätung von zwei Stunden ist die Fluggesellschaft verpflichtet, ihre Kunden zu verpflegen und ihnen Telefonate zu ermöglichen, schreibt das Europäische Verbraucherzentrum.

Landet der Flieger drei Stunden später als geplant, werden für Reisen unter 1500 Kilometer Distanz 250 Euro, zwischen 1500 und 3500 Kilometern 400 Euro sowie bei längeren Flugstrecken 600 Euro Entschädigung fällig. Das gilt auch für Passagiere, die aufgrund einer Verspätung ihren Anschlussflug verpasst haben, wenn die Flüge zusammen gebucht wurden. Für einen Flug zwischen Deutschland und Mallorca werden also je nach Abflughafen entweder 250 oder 400 Euro fällig.

Des Weiteren kann ab einer Verspätung von fünf Stunden das Ticket storniert werden und die Airline muss den Kaufpreis erstatten. Bei Annullierungen steht dem Reisenden ein Ersatzflug zu.

Auch haben Passagiere ein Recht auf Erstattung bestimmter entstandener Kosten. Das gilt für alle Flüge, die auf einem Flughafen innerhalb der Europäischen Union starten oder landen sowie in Fällen, in denen die Fluggesellschaft ihren Sitz in der EU hat.

Diese Ansprüche müssen Passagiere bei den Airlines geltend machen. Doch Branchenexperten sagen, die Fluggesellschaften würden den Forderungen häufig nicht nachkommen. Auch Verbraucherschützer raten den Reisenden, bei ihren Forderungen hartnäckig zu bleiben, da die Airlines nur unzureichend informieren und verzögert oder gar nicht auf Beschwerden reagieren.

So hat sich ein Geschäftszweig rund um die Ausgleichsforderungen entwickelt. Anwälte, Inkassounternehmen und Firmen wie der Neueinsteiger EU-Flight haben sich darauf spezialisiert, das Geld einzufordern. Während man bei einigen in Vorleistung gehen muss, kauft EU-Flight dem Fluggast seine Rechte ab, er bekommt die Entschädigung abzüglich einer Servicegebühr von 35 Prozent sofort ausgezahlt. Das Unternehmen versucht dann, das Geld von der Airline wiederzubekommen. Kostenlos agieren Schlichtungsstellen wie beispielsweise die Schlichtungsstelle öffentlicher Personenverkehr, allerdings muss der Fluggast dann oft monatelang auf sein Geld warten.

Beklagen können sich Passagiere beim Luftfahrtbundesamt (LBA) in Braunschweig, der offiziellen Durchsetzungs- und Beschwerdestelle für die Rechte der Fluggäste. "Die Passagiere sind immer besser über ihre Recht informiert", heißt es seitens des Amtes, das sei eine positive Entwicklung. Allerdings hilft eine Beschwerde beim LBA nicht bei der Durchsetzung der Ansprüche. Das Amt verfolgt Verstöße der Airlines gegen die EU-Verordnung mittels Ordnungswidrigkeitenverfahren. Diese können Geldbußen von bis zu 25.000 Euro nach sich ziehen. Die Zahl der Anzeigen ist dort rückläufig, weil die Fluggäste ihr Interesse auf die entgeltliche Ausgleichsleistung richten würden, teilt das LBA mit.

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SO FORDERN SIE IHR GELD EIN

Wer hat Anspruch auf Entschädigung? Fluggäste, deren Flug mit mehr als drei Stunden Verspätung landet oder annulliert wurde.

Gibt es Ausnahmen? Liegen außergewöhnliche Umstände vor, greifen die Ansprüche nicht. Dazu zählen Streiks, medizinische Notfälle an Bord, Terroranschläge und Naturkatastrophen. Nicht als "außergewöhnliche Umstände" gelten logistische Probleme der Fluggesellschaften und technische Defekte.

Richtet sich die Entschädigung nach dem Preis, der für das Ticket gezahlt wurde? Nein, die Höhe der Zahlung richtet sich allein nach der Strecke des Fluges. Für Mallorca-Flüge werden zwischen 250 und 400 Euro fällig.

Muss der Fluggast Gutscheine akzeptieren? Die Entschädigung muss ausgezahlt werden, Fluggutscheine muss der Kunde nicht akzeptieren.

Welche Nachweise werden benötigt? Der Fluggaste muss die Bordkarte aufbewahren sowie sich von der Airline eine Bestätigung über die Flugverspätung oder Annullierung ausstellen lassen.

Wie stellt man die Forderung? Man wendet sich schriftlich an die Airline. In dem Schreiben sollten Flugdaten, Dauer der Verspätung sowie Höhe der geforderten Ausgleichszahlung aufgeführt sein. Die Ansprüche verjähren nach drei Jahren.

Wer hilft bei der Durchsetzung der Forderungen? Bei Flügen zwischen Deutschland und Spanien kann man sich an die Abteilung für Flugsicherheit des spanischen Verkehrsministeriums wenden. In Deutschland ist die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personennahverkehr (SÖP) zuständig. Eine weitere Möglichkeit sind Firmen wie EU-Flight, Inkassobüros oder Anwälte.

Wo kann man sich informieren? Das Europäische Verbraucherzentrum hat eine Broschüre zu Fluggastrechten mit allen wichtigen Informationen herausgegeben.

(aus MM 37/2016)