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Sie haben sie alle in einen Sack gesteckt und ordentlich draufgekloppt: Selten gingen die spanischen Medien mit der politischen Klasse so hart ins Gericht wie in dieser Woche, als klar wurde, dass Neuwahlen unausweichlich sind. Und wie im Sprichwort haben sie immer den Richtigen getroffen. Die Parteien haben sich als unfähig erwiesen, Kompromisse und Koalitionen einzugehen. Gut vier Monate lang wurde ein mehr als trauriges Schauspiel geliefert: Man hat Verhandlungen geführt, die die Bezeichnung nicht verdienen, und im Tagesrhythmus unsinnige Pressekonferenzen inszeniert, um jedes Mal das Gleiche zu tun: mit dem Finger auf die anderen zeigen. Dem Parlamentarismus in Spanien wurde immer wieder eine gewissen Unreife nachgesagt. Die Kritiker hatten leider recht. Will man für das Desaster - Spanien ist auf seinem Reformweg schlichtweg gelähmt - Hauptschuldige ausmachen, so kann man sich an Pedro Sánchez (PSOE) und Mariano Rajoy (PP) halten. Warum Sánchez? Nach den Wahlen vom 20. Dezember gab es nur zwei logische Regierungsformationen: eine große Koalition unter Führung der PP oder ein Linksbündnis mehrerer Parteien, angeführt von den Sozialisten. Lösung A lehnte Sánchez kategorisch ab, und Lösung B machte er durch sein Bündnis mit den bürgerlichen "Ciudadanos" zunichte. Warum Rajoy? Der Chef der Volkspartei, die in immer neue Korruptionsskandale verstrickt ist, hätte erkennen müssen, dass er für die Erneuerung, die die Wähler eingefordert haben, nicht mehr die richtige Besetzung ist. Er hätte abtreten und so den Weg zu einer großen Koalition ebnen sollen. Auf diese Weise hätte er wohl auch am ehesten die von ihm begonnenen Wirtschaftsreformen retten können. Neuwahlen sind nach dem langen Hickhack kein Drama, sondern eine Chance. Die Spanier haben in den vergangenen Monaten so einiges über ihre Parteien erfahren, das ihnen die Entscheidung erleichtern könnte. Eine Garantie für ein anderes Wahlergebnis ist das freilich nicht. Aber vielleicht wächst ja noch die Einsicht, dass man sich ein zweites Scheitern nicht leisten kann. Autor: Bernd Jogalla