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In Gesprächen mit Spaniern hatte man als Deutscher in jüngster Zeit einige Probleme, die innenpolitische Lage in Deutschland zu erklären. Die Große Koalition ein Desaster, die Ultrarechten auf dem Vormarsch, Merkel vor dem Aus? Warum, fragte das Gegenüber stets. Eure Wirtschaft brummt, die Arbeitslosenzahlen sinken und sinken, und Merkel ist weltweit so angesehen wie kaum ein anderer Regierungschef oder eine andere Regierungschefin. Natürlich gelingt es begreiflich zu machen, warum sich die Lage so entwickelt hat, wie sie sich heute darstellt. Aber die natürliche Reaktion der Menschen auf Merkels angekündigten Rückzug aus der Politik zeugt von hoher Anerkennung und von Respekt. Manchmal ist es ganz hilfreich, die Dinge von außen zu betrachten. Merkel genoss in letzter Zeit mehr Anerkennung im Ausland als im eigenen Land. Dabei war das Verhältnis der Spanier zu „la Merkel” nicht immer spannungsfrei. Vor allem die Menschen des linken politischen Spektrums nahmen ihr das „deutsche Spardiktat” in der Krise übel. Nachdem sich Spanien jedoch – auch aufgrund der Haushaltsdisziplin – am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen konnte, hat sich auch diese Kritik gelegt. Wir, die wir im Ausland leben, haben von Merkels Politik insgesamt profitiert. Sie gab und gibt ein gutes Bild ab. Das schließt ausdrücklich die Flüchtlingspolitik mit ein. So menschlich hat sich Deutschland selten der Welt gezeigt. Viele spanische Kommentatoren reagieren auf Merkels angekündigten Rückzug aus der Politik mit Sorge. Spanien ist – unter Sánchez ebenso wie lange unter Rajoy – treu auf Europakurs. Obwohl sie neue Initiativen vermissen ließ – Merkel wird als stabilisierendes Element gesehen, das noch gebraucht wird. Der Franzose Macron ist von diesem Standing weit entfernt. Es ist fraglich, ob Merkel mit ihrem Wunsch-Fahrplan – den CDU-Vorsitz jetzt aufgeben, das Kanzleramt erst mit dem Ende der Legislatur – durchkommt. Die Spanier wünschen es sich wohl. Und sie wünschen sich, dass eine(r) nachkommt, auf die/den sie sich ebenfalls verlassen können. Autor: Bernd Jogalla