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Dass Joji Hattori ein Gourmet ist, hörte man in jedem Takt seines Konzerts im Rahmen des Sinfonischen Sommers auf Schloss Bellver am Donnrstag Abend. Der Dirigent, der seit 2015 ein Sternerestaurant in Wien betreibt, überträgt seine Vorliebe für gute (japanische) Küche auch auf die Musik. So konnte man Mozart, Haydn und Beethoven fernab spartanischer „historisch informierter“ Aufführungspraktiken erleben: statt Selters und Knäckebrot gab’s ein klanglich opulentes Menü. Unterstützt wurde Hattori bei der Zubereitung von der jungen österreichischen Cellistin Julia Hagen, die ihrem Cello (von Francesco Ruggeri aus dem Jahr 1684) ebenfalls Feines entlockte.

Dass ein (für Mozart-Verhältnisse) groß besetztes Orchester, in dem die Streicher zudem lustvoll vibrieren dürfen, den revolutionären Impetus der Musik nicht vernebelt, wie die Damen und Herren von der „Darmsaiten-Fraktion“ uns glauben machen wollen, zeigte sich gleich zu Beginn in der „Figaro“-Ouvertüre. Die kam mit frischem Drive daher, und das auf Schönklang zielende Dirigat Hattoris nahm ihr keineswegs den Biss. Das Blech tat das, was es sollte: es blies zur Revolution, in der Ouvertüre zu einer Komödie, die mit Elan an den feudalen Säulen der Gesellschaft im vorrevolutionären Wien von 1787 rüttelt. Es gibt kaum eine Ouvertüre, die den Strudel der Komödienhandlung derart furios vorwegnimmt und Spannung und Neugier auf das Theaterstück weckt. Und so grenzt es an seelische Grausamkeit, dass das Konzert es bei diesem Appetizer beließ und danach zur Tagesordnung überging, das (mit Haydn und Beethoven) allerdings auf höchstem Niveau.

Auch dem Cellokonzert Nr. 1 in C-dur, das musikgeschichtlich an der Schwelle vom Barock zur Klassik steht, trieb Hattori jegliche historisierende Attitüde gründlich aus. Das begann schon damit, dass er auf das Cembalo verzichtete (das Haydn noch in der Partitur notiert hatte, möglicherweise, weil er vom Cembalo aus zu dirigieren pflegte). Julia Hagen spielte ungemein kultiviert, dynamisch fein abgestimmt; ihre Diminuendi am Ende einer Phrase sorgten für weitere Delikatesse. Es wird oft gesagt, das Cello käme der menschlichen Stimme am nächsten. Hagens Intonation zeigte das aufs Schönste – eine Hillary Hahn des Cellos! Wo andere virtuos auftrumpfen (Rostropowitsch zum Beispiel), ließ sie ihr Instrument singen, stellte ihr technisches Vermögen ganz in den Dienst der Musik. Man konnte hören, dass Heinrich Schiff ihr wichtigster Lehrer war. Dass das Publikum schon nach dem 1. Satz klatschte, war wohl weniger der Unkenntnis über die Applausgewohnheiten in einem klassischen Konzert geschuldet als der schieren Begeisterung.

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Die Sinfonie Nr. 1 in C-dur von Ludwig van Beethoven dirigierte Hattori so, wie es sich für ein Werk gehört, das (Uraufführung a. 2. April 1800) am Beginn eines neuen Jahrhunderts steht und bei aller Anlehnung an Mozart und Haydn auf die „Eroica“ und die romantischen Sinfonien eines Schumann und Brahms weist, kraftvoll und energiegeladen, mit Beethoven’schem Drive vorwärtsdrängend. Die Bläser (vor allem Hörner und Trompeten) sind hier nicht länger nur harmonische Grundierung, sondern setzen Akzente. Und was Flöte, Oboe, Fagott und Klarinette in der Durchführung des 1. Satzes und später im Trio des Scherzos hören ließen, zeugte von sorgfältiger Probenarbeit; ebenso das Fugato im 2. Satz, das Hattori sehr zügig nahm. Das Finale bestach durch atemberaubende Turbulenz. Standing ovations waren der Lohn für derart engagiertes Musizieren.

Auf den Stühlen lagen übrigens bereits Flyer mit dem Programm der Wintersaison aus. Da konnte man lesen, dass Hattori am 29. September die Spielzeit im Trui Teatre eröffnen wird, dann mit dem Tripel-Konzert von Beethoven und der 1.Sinfonie von Brahms. Die ganze Vorschau können Sie auch auf der Website des Orchesters nachlesen: https://simfonicadebalears.com/

Falls Ihnen meine Werkeinführungen zum Konzert entgangen sein sollten, oder wenn Sie sie einfach nocheinmal nachlesen möchten: Zu Mozart und Haydn, Zu Beethovens 1. Sinfonie