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Es gibt Konzerte, bei denen sich die Erwartungen und die Hoffnung auf Überraschungen in Grenzen halten: Pianist X spielt Klavierkonzert Y, nach der Pause erklingt Sinfonie Z. Man kennt alles seit Jahren und ist eigentlich nur noch gespannt, wie Herr oder Frau X an diesem Abend disponiert ist, welche Kadenz er oder sie spielt oder ob endlich die Schluss-Stretta im Finale mit dem angemessenen Drive daherkommt. Solche Konzerte, das sei unbestritten, kann man natürlich genießen, viel in Erinnerung über den Tag hinaus bleibt aber eher selten. Und dann gibt es Abende, wo man aus dem Staunen nicht herauskommt, wo alles neu und aufregend ist, Klassik zum Anfassen, die einen förmlich anspringt. So einer fand gestern im Innenhof von Schloss Bellver statt.

Das Programm wirkte auf den ersten Blick ein wenig potpourrihaft: eine Rossini-Ouvertüre zu Beginn, dann ein einzelner Konzertsatz (der erste aus Edvard Griegs a-moll-Klavierkonzert), nach der Pause das berühmte Violinkonzert von Max Bruch und zum Schluss das Lehrstück „The Young Person’s Guide to the Orchestra“ von Benjamin Britten. (Meine Werkeinführungen können Sie hier noch einmal nachlesen.) – Aber bereits die Ouvertüre zum „Barbier von Sevilla“ ließ aufhorchen: der ausführende Klangkörper bestand großenteils aus der Pepita Simfonica, jungen Musikerinnen und Musikern des Konservatoriums der Stadt Palma, den jahrgangsbesten, im Alter zwischen 11 und 19 Jahren. Sie traten in Weiß auf, die Etablierten im gewohnten Schwarz. Darauf wies Chefdirigent Pablo Mielgo in seiner launigen Moderation ausdrücklich hin. Black and White together, um einen Erfolgstitel von Joan Baez zu persiflieren, für einen Abend wenigstens. Dass es am „together“ stellenweise noch etwas haperte – die Integration der Youngsters in den Gesamtklang der Sinfoniker war noch nicht ganz optimal – störte in keiner Weise und wurde durch das staunenswerte Engagement, mit dem die jungen Talente quasi um ihr Leben spielten, wieder wettgemacht. Es war eine Freude, das zu erleben und berechtigte zu schönsten Zukunftshoffnungen.

Das Staunen setzte sich fort, als der 14-jährige Liam de Paor aus Palma (die Tageszeitung Ultima Hora hatte ihn im Vorbericht noch um zwei Jahre jünger gemacht) am Steinway Platz nahm. Aber ob 12 oder 14: wie der Wunderknabe den Kopfsatz des Grieg-Konzertes bewältigte, war eine kleine Sensation: atemberaubend virtuos, klug nuanciert, sicher im Pedalgebrauch und ohne Allüren; Ausdruck einer außergewöhnlichen Begabung und erstaunlichen Reife. Seine Zugabe, die höllisch schwierige zwölfte Etüde aus Chopins Opus 25, bestätigte diesen Eindruck.

Nach der Pause schlug dann die Stunde der 19-jährigen Geigerin Carme Alzina aus Capdepera. Dass sie am Anfang des Bruch-Violinkonzerts mit den Tücken ihres Instruments, einer Violine aus der renommierten Werkstatt des schwedischen Geigenbauers Peter Westerlund, zu kämpfen hatte, machte ihren Auftritt menschlich – und wurde obendrein von Mielgos humorvoller Moderation glänzend überspielt. Was sie dann ablieferte, war professionell, klangschön, kraftvoll und inspiriert. Entsprechend wurde sie vom Publikum mit rauschenden Ovationen bedacht, nach denen das mitreißende Finale geradezu schrie.

Das Schlussstück war geschickt gewählt: Britten führt in seinem als Variationssatz angelegten „Young Person’s Guide“ die Instrumentengruppen – und in fast allen waren gestern Abend die Nachwuchstalente der Pepita Simfonica vertreten – mit ihre typischen Eigenschaften (und auch Schwierigkeiten) vor. So hatten (und nutzten) die jungen Musiker die Möglichkeit, ihr instrumentales Können noch einmal unter Beweis zu stellen. Dass Pere Estelrich, unter anderem Kritiker beim Diario de Mallorca, die Kommentare auf Katalan sprach, konnte man hinnehmen, zumal die spanische und englische Übersetzung projiziert wurde. Trotzdem: Castellano wäre in einem Konzert vor internationalem Publikum angemessener gewesen. Der junge Liam de Paor hatte das kapiert: er kündigte seine Zugabe auf Spanisch an. Und Mielgo kommuniziert als Madrilene mit dem Publikum seit jeher weltmännisch spanisch. – Im dritten Bellverkonzert am 13.Juli wird Kian Soltani das Cellokonzert von Schumann spielen, außerdem gibt’s Beethovens 7.Sinfonie. Beides unter Leitung von Pablo Mielgo. Ein Link zum Kartenvorverkauf erübrigt sich – das Konzert ist ausverkauft.