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Das Gesicht wettergegerbt, die Hände rau und fest von harter Feldarbeit. Es ist Josep "Pep" Estarellas, Jahrgang 1933, deutlich anzusehen, dass er fast sein Leben lang zumeist im Freien zugebracht hat. Nahezu 40 Jahre war er der "Amo" von Son Torrella bei Santa Maria, ein Landgut aus dem 13. Jahrhundert, das aufgrund seines steinernen Innenhofs aus dem 17. Jahrhundert unter Denkmalschutz steht.

Amo, das ist ein vieldeutiger Begriff, dessen Funktion auf Mallorca noch aus dem Zeitalter des Feudalismus herrührt. Die reichen Ländereien auf der Insel befanden sich meist in der Hand des Adels, der schon mit König Jaume I. Mallorca von den Mauren zurückerobert hatte und dafür mit Latifundien entlohnt worden war. In späteren Zeiten zogen die Noblen es vor, in der Stadt oder gar bei Hofe zu wohnen, statt auf dem rustikalen Landgut.

So waren eigenständige Verwalter, "Amos", notwendig, die im Sinne ihres Herrn die Agrarhöfe bewirtschafteten. Diese Amos waren damit insgeheim die Herren auf dem Landgut, auch wenn der Besitz nicht ihnen, sondern den "senyors" gehörte. "Die Amos waren Unternehmer im modernen Sinne, die das Landgut wie eine Firma betrieben und Gewinne anstrebten. Sie waren zugleich mächtige und einflussreiche Personen in den Dörfern", sagt der Agrarhistoriker und ehemalige Landwirtschaftsminister Mateu Morro.

Noch bis ins 20. Jahrhundert hielt sich die Funktion der Amos. Denn die weitläufigen Landgüter benötigten lange Zeit viele Arbeitskräfte, Knechte und Mägde, die unter der Aufsicht des Gutsverwalters standen. Erst mit der Mechanisierung und dem Einsetzen des Tourismus griff auf Mallorca die Landflucht um sich und leitete den Niedergang der Landwirtschaft ein. Die Anwesen verödeten, die Amos starben nach und nach aus, bis auf letzte Ausnahmen.

Schon Josep Estarellas' Vater war einst Amo auf dem Landgut Son Torrella gewesen, und obgleich er seinen Posten aus familiären Gründen aufgeben musste, dauerte das Vertrauensverhältnis zwischen den Eigentümer und dem Ex-Verwalter an. So kam es, dass die Besitzer 1961, auf der Suche nach einem neuen Amo, den jungen Estarellas-Sohn und dessen frischgebackene Ehefrau engagierten.

"Ich war Herr und Knecht zugleich", umschreibt Pep Estarellas seine Arbeit, die er bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2000 ausübte. Das junge Paar zog in das historische Herrenhaus und versah dort alle anfallenden Arbeiten. Zwei Töchter erblickten bald darauf das Licht der Welt und wuchsen in dem Anwesen auf, wohlwissend, dass ihr "Elternhaus" nicht das ihrer Eltern war.

Einen schriftlichen Arbeitsvertrag gab es nicht, alles erfolgte über mündliche Absprache und gegenseitigem Vertrauen. Estarellas führte Buch über Einnahmen und Ausgaben; wenn der Besitzer kam, wurde abgerechnet. Darüber hinaus holte Estarellas stets die Zustimmung der Eigentümer ein, etwa wenn der Verkauf der Ernten anstand. Die Arbeitgeber bezahlten Lohn und Schulgeld, das Verhältnis war vertraut wie in einer Familie. Häufig sprang Estarellas als Chauffeur ein, um die Herrschaften in deren Auto zu kutschieren, wenn sie sich auf Mallorca aufhielten. "Aber oft waren wir über Monate einfach nur für uns alleine."

In dem altehrwürdigen Bau, der auch einmal als Kloster gedient hatte, war immer etwas auszubessern. "Ein historisches Haus muss bewohnt werden, sonst verfällt es." Hinzu kamen über 20 Hektar Land mit Hunderten von Mandel-, Johannisbrot- und Olivenbäumen. In guten Jahren wurden im September bis zu 5000 Kilo Mandeln geerntet.

"Ich habe Zeiten erlebt, in denen Mandeln teuer waren und man von ihnen gut leben konnte", erzählt Estarellas. Das war noch in den 1960er Jahren der Fall. Aber die Einnahmen aus der Landwirtschaft, die notwendig waren, den Unterhalt des Herrenhauses zu finanzieren, fielen von Jahr zu Jahr geringer aus. "Alles, was mit Landwirtschaft zu tun hat, ist heute wertlos. Die großen Herrenhäuser, sie leben nur noch vom Tourismus."

Einer der letzten Amos auf Mallorca, der heute ungeachtet seiner 84 Jahre den Beruf ausübt, ist Sebastià Pascual. Unter dem Namen "L'amo de Sa Coma" ist er im Inselosten eine Persönlichkeit. Das Landgut, auf dem schon sein Vater im Jahre 1955 als Amo den Betrieb führte, ist ebenfalls ein historisches Anwesen: Im Spanischen Bürgerkrieg diente es als Hauptquartier der angelandeten Republikaner, schon zuvor hatte ein Vorbesitzer versucht, dort eine Fabrik für Kondensmilch zu installieren.

"Als mein Vater berufen wurde, unterschrieb er einen Vertrag als ,aparcero', als Teilpächter", erklärt Pascual. Das bedeutete, der Eigentümer stellte das Land und das Wohnhaus, der Pächter die Arbeitskraft. "Die Einnahmen aus der Landwirtschaft wurden dann jeweils zur Hälfte geteilt."

Die Familie Pascual besaß damals schon einen hervorragenden Ruf. 25 Jahre hatten sie zuvor bei einem pensionierten Militär bei Porto Cristo als Pächter zu einem festen Mietzins das Landgut bewirtschaftet. "In der Regel galten solche Pacht- oder Mietverträge jeweils nur vier Jahre. Waren beide Partner sich nicht einig, trennte man sich wieder, jeweils zum 8. September. Das war der Stichtag, an dem die Ernten in der Regel eingebracht waren."

Als Pascuals Vater in den Ruhestand ging, stieg der Sohn zum Amo auf. Auf den Flächen des heutigen Naturschutzgebietes Punta de n'Amer wurden Hafer und Gerste angebaut, Schafe, Kälber, Schweine gehalten, Pferde gezüchtet. Jedes verkaufte Stück Vieh, jeder Klafter Weizen, jedes Huhn, jedes Ei wurde sorgsam notiert, am Ende zogen Grundbesitzer und Agrarökonom Bilanz.

"In den besten Zeiten gab es bei uns 17 Esser am Tisch: Meine Eltern, neun Kinder und sechs Knechte. Es wurde viel und hart gearbeitet, aber ruhig und gelassen, ohne Streit und Stress. Man konnte gut davon leben, aber kaum etwas ansparen."

Um 1964 schaffte sich Sebastià Pascual den ersten Traktor an. Das Fahrzeug der Marke "MAP" modernisierte den Betrieb und verdrängte nach und nach die Knechte und ihre Muskelkraft vom Hof. Auch die Brüder sahen sich, je älter sie wurden, nach rentableren Arbeitsplätzen auf dem Bau oder in der Tourismusindustrie um.

Ohne den Fremdenverkehr hätte auch Pascual nicht überleben können. Mit der Erlaubnis des Eigentümers, einer Dame von heute über 90 Jahren, eröffnete der Amo ein Strandrestaurant. "Heute pflegen wir nur noch die Landschaft, indem wir die Flächen pflügen. Säen und Ernten tun wir schon lange nicht mehr."