Abraham Barchilón steht seit zehn Jahren der jüdischen Gemeinde der Balearen vor. | Patricia Lozano

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Die Synagoge liegt zwischen schicken Cafés, Ausgehlokalen und einem Massagesalon nahe Palmas Paseo Marítimo. Der Zugang ist mit einem Gitter geschützt und per Video überwacht. 1000 Juden leben aktuell auf den Balearen, 90 Prozent von ihnen auf Mallorca. "Unsere Gemeinschaft ist wie die ganze Gesellschaft der Inseln kosmopolitisch", sagt Abraham Barchilón, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde auf den Balearen. Die Mitglieder stammen aus vielen Nationen, unter anderem aus Deutschland, aus Argentinien und natürlich aus Spanien. "Viele haben zwei Konsulat, die ihres Heimatlandes und uns."

Barchilón, der eigentlich aus Tanger stammt, steht seit zehn Jahren der Gemeinde vor. Der 67-jährige Anwalt denkt nicht an den Ruhestand: "Es ist gut, einen regelmäßigen Tagesablauf zu haben." Dazu gehört neben der Arbeit für ihn eben auch das rege Engagement in der jüdischen Gemeinde.

Am Montag, 29. Januar, treffen sich Vertreter der Gemeinde mit balearischen Abgeordneten im Parlament anlässlich des internationalen Holocaust-Gedenktags (27. Januar). "Es ist eine Frage der Menschlichkeit, an den Holocaust zu erinnern", sagt der Vorsitzende. Deshalb werden an diesem Tag anstatt sechs Kerzen für sechs Millionen ermordete Juden sieben Gedenkkerzen angezündet: "Es fielen ja auch Sinti und Roma, Homosexuelle, Kritiker und andere dem Naziregime zum Opfer."

Auch heute noch an den Holocaust zu erinnern sei unabdingbar: "Damit kein Diktator der Welt mehr so einen Genozid begehen kann - egal an welchem Volk." Die Gedenkveranstaltung beginnt am Montag um 12.30 Uhr und ist öffentlich zugänglich. "Der Gedenktag ist und bleibt von großer Wichtigkeit, denn viele Überlebende des Holocaust gibt es nicht mehr und das Gedächtnis der Gesellschaft ist sehr schlecht."

Auch gerade vor einem wieder wachsenden Antisemitismus. "Das ist leider ein globales Phänomen", sagt Abraham Barchilón. Oftmals sei der Antisemitismus unterschwellig oder werde als Antiisraelismus getarnt. "Dagegen hilft nur, bereits den Kindern zu vermitteln, dass es verschiedene Kulturen und Religionen gibt. Denn als Erwachsener lernt man keine Toleranz mehr."

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Genau aus diesem Grund können auch regelmäßig Schulklassen die Synagoge besuchen. "Auch heute gibt es noch Kinder, die sagen, sie wollen keinen Juden mit in der Klasse haben, obwohl sie gar keinen kennen", sagt Barchilón. Genau solche Vorurteile sollen durch den Kontakt mit der jüdischen Gemeinde abgebaut werden.

Einer breiteren Öffentlichkeit ist die Synagoge, die im vergangenen Jahr 30-jähriges Bestehen feierte, immer am ersten Septembersonntag zugänglich. Dann wird der Europäische Tag der jüdischen Kultur begangen. Eine Woche lang gibt es verschiedene Aktivitäten, um die Gemeinde kennenzulernen. Dazu gehören auch Führungen durch das alte jüdische Viertel. Vermittelt wird dabei zudem die besondere Geschichte der mallorquinischen Juden, der Xuetas. "Die Xuetas erlitten eine einzigartige Verfolgung und Stigmatisierung, die sich erst mit dem Beginn der Demokratie in Spanien änderte", erklärt Barchilón.

"Wir sind eine offene Gemeinde", fügt der Vorsitzende an. Sie wurde vor 46 Jahren gegründet. Staatliche Unterstützung gibt es für sie allerdings nicht, die Gemeinde muss sich selbst tragen. Vor Hochfesten wie Pessach (Ostern) beispielsweise organisiert die Gemeinde koschere Speisen. Denn jüdische Läden oder Restaurants gibt es auf den Inseln nicht. Viele Mitglieder sehen sich als konservative Juden an, doch alle Glaubensrichtungen seien willkommen, betont Barchilón.

Stichwort: Xuetas

Xuetas wurden die Nachfahren der auf Mallorca zum Christentum übergetretenen Juden genannt. Das Wort stammt von den katalanischen Begriffen für Schweinespeck und Jude ab. Zwangskonversionen fanden im 14. und 15. Jahrhundert statt, viele lebten ihren Glauben im Geheimen weiter. Mit der Inquisition ab 1488 setzte sich die Unterdrückung mal mehr mal weniger fort. 130 Jahre später flammte die Verfolgung wieder auf. Die Xuetas lebten isoliert und stigmatisiert. Die Vorurteile begannen mit dem Ende der Franco-Zeit und der Öffnung Mallorcas zum Tourismus zu verschwinden. Heute tragen Mallorquiner noch Xueta-Nachnamen wie Aguiló, Cortès und Fortesa.