Rafael Binimelis und der russische Jagdtourist Igor posieren mit einer erlegten Ziege. | P. BOTA

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Auch wenn sie bei Natur- und Tierschützern verpönt ist, boomt die Großwildjagd. Wer entsprechende Gelüste verspürt und das nötige Kleingeld in Gestalt mehrerer Zehntausend Euro hinblättern kann, reist nach Afrika, um die Big Five (Elefant, Nashorn, Büffel, Löwen, Leopard) zu erlegen. Botswana, Simbabwe und Namibia haben jüngst angekündigt, ihre Jagdbestimmungen zu lockern.

Wesentlich günstiger und – nach Angaben hiesiger Jäger – ökologisch korrekter geht es auf Mallorca zu. In ausgewählten Gebieten der Serra de Tramuntana haben schießfreudige Touristen zweimal im Jahr Gelegenheit, verwilderte Hausziegen ins Jenseits zu befördern. „Diese Tiere haben sich in den vergangenen 50 Jahren übermäßig vermehrt”, erklärt Jäger Rafel Binimelis, der die Touristen auf ihren Jagdausflügen begleitet, in einem Gespräch mit der MM-Schwesterzeitung „Ultima Hora”. Durch den gezielten Abschuss werde gleichzeitig die bedrohte Population der seltenen einheimischen Wildziegen und der verbliebene Waldbestand geschützt, ergänzt der Jäger. Besonders beliebt bei jagdfreudigen Touristen ist das Gebiet rund um die Finca Muntanya, an km 15,8 der Straße von Palma nach Sóller gelegen.

Für Männer, die auf Ziegen schießen, gibt es sogar einen speziellen Reiseveranstalter in Castellón, rund 70 Kilometer nördlich von Valencia. Lynx Tours bietet ihnen einen dreitägigen Inselaufenthalt in einem Vier-Sterne-Hotel inklusive zwei Tage Ziegenpirsch auf der Insel ab 1000 Euro an. Allerdings steigt der Preis je nach Trophäe, die der Jäger mit nach Hause nehmen will, bis auf das Fünffache. Die Jagdbeute wird nämlich abhängig von der Spannweite der Hörner in die Kategorien Bronze, Silber und Gold eingeteilt. Nicht im Preis inbegriffen sind Flüge sowie „Souvenirs” der etwas anderen Art: Auf Wunsch kann ein Tierpräparator das Fell des erlegten Tieres aufarbeiten, gegen entsprechende Bezahlung fotografiert und filmt eine Begleitperson außerdem die gesamte Jagd.

Die meisten Urlauber planen ihren Jagdausflug als Abstecher während eines längeren Mallorcaurlaubs ein, doch manche kommen ausschließlich wegen der Ziegenjagd auf die Insel. So wie Igor, seines Zeichens russischer LKW-Händler aus Samara, 100 Kilometer südöstlich von Moskau. Während Frau und Sohn in Alicante unter sommerlicher Sonne entspannen, nimmt er Bergziegen ins Visier. Ein eigenes Gewehr muss er nicht mitbringen, Jäger Binimelis leiht ihm seine Präzisionsflinte mit Zielfernrohr und Munition.

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Einfach drauflosballern dürfen die Touristen allerdings nicht. „Wir bestimmen vorher, welches Tier abgeschossen wird”, erklärt Binimelis. Bis auf 180 Meter nähern sie sich beide schließlich dem Tier an. Für Igor, einen erfahrenen Schützen, der schon in aller Welt auf die Jagd gegangen ist, ist diese Entfernung kein Problem. Mit einem Schuss erlegt er das Tier im Nu. Das präparierte Fell der Ziege wird er zusammen mit Foto- und Videoaufnahmen übrigens später auf dem Postweg erhalten. Der Rest der erlegten Ziege wird im Gelände verteilt und dient Raubvögeln und Aasfresser als Nahrung. „Damit tragen wir zum Gleichgewicht des Ökosystems bei”, betont Binimelis.

Doch die wenigsten Jagdtouristen treibt wohl ihr ökologisches Bewusstsein in die Serra de Tramuntana. Wahrscheinlicher ist, dass sie den Abzug drücken, um eine vorzeigbare Trophäe mit nach Hause zu nehmen. Der Durchschnittsurlauber, der auf Mallorca nach Sonne, Strand und Sangria sucht, dürfte angesichts dieser Urlaubsaktivität denn auch eher verwundert den Kopf schütteln.

Verglichen mit den Freizeitjägern, die in Afrika auf Großwildjagd gehen, ist die mallorquinische Variante allerdings harmlos. Mehr als 18.000 Ausländer reisen nach einem Bericht der Tierschutzorganisation „Pro Wildlife” jedes Jahr auf den Kontinent, um dort mehr als 100.000 Wildtiere zu töten, darunter geschützte und bedrohte Arten wie Elefanten, Löwen oder Geparden. Zwar hat man in einigen afrikanischen Ländern wie Botswana Elefanten erstmals seit 2014 wieder zum Abschuss freigegeben. Der Bestand habe sich ausreichend erholt, heißt es zur Begründung. Tierschützer überzeugt dies nicht. Sie befürchten, dass das Land künftig noch stärker von Wilderern ins Visier genommen werden wird, die die Tiere wegen des Elfenbeins töten.

(aus MM 40/2019)