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MM:Frau Borgmann, wer ist Sylvie Adler?

Sandra Borgmann:Sylvie Adler kommt wie ich aus dem Ruhrgebiet. Sie ist 1945 geboren und aufgewachsen in diesem toughen Regime der Ruhrgebietsfrauen der Kriegs- und Nachkriegszeit, die alles geregelt und sich vor nichts gefürchtet haben, die die Kinder durch den Krieg gebracht haben und durchs Feuer gegangen sind. Und so tickt auch Sylvie. Sie hat vor wenig Angst und ist ganz klar, was für sie geht und was nicht. Sie liebt ihren Mann sehr und die Familie ist ihr super wichtig, aber eben auch die Sicherheit für diese Familie – und da geraten Matti und sie manchmal leidenschaftlich aneinander.

MM:Nimmt man aus so einer Rolle etwas mit?

Borgmann:Die Rolle existiert nicht per se, man schlüpft nicht in sie hinein wie in einen Mantel. Es gibt ein Drehbuch und viele Menschen, die sich Gedanken darüber machen, wie sie diese Geschichte erzählen wollen. Man hat also eine Menge Seiten mit einer Menge Text und eine Menge Menschen, die dazu Ideen haben. Und aus dem Zusammenspiel von eigenen Vorstellungen und denen der andern entwickelt sich dann die Rolle. Bei uns kommt hinzu, dass die Handlung 1990 spielt. Wenn ich am Anfang als Sylivie auf die Insel komme, habe ich zum Beispiel eine Betonfrisur, was man heute gar nicht mehr trägt. Zusammen mit dem Kostüm hatte das eine starke Wirkung auf mich, ich wurde im Ganzen viel strikter wurde. Es gab aber nichts, was ich am Ende des Tages abstreifen musste, im Gegenteil, Sylvie war für mich wie eine Tankstelle.

MM:Was hat sie besonders an dem Projekt angezogen?

Borgmann:Die Bücher waren wahnsinnig gut geschrieben. Ich fing an, die Geschichte zu lesen, und hörte nicht mehr auf, bis ich fertig war. Ich finde es spannend, wie da eine Familie erzählt wird. Das sieht man nämlich relativ selten. Und es ist auch die Geschichte einer Krise nach 20 Jahren Ehe, und das gemixt mit Goldrausch und Mafia, Gier, Party und Abgründen – das ist schon der Hammer! Außerdem war es toll, das mit Henning zu spielen, auf den ich mich unglaublich gefreut hatte. Er stand ja von Anfang an fest, und beim Lesen hatte ich ihn immer vor Augen. Seine Rolle ist ihm total auf den Leib geschrieben.

MM:Haben Sie schon einmal mit ihm zusammen gespielt?

Borgmann:Nein, wir wurden zwei- oder dreimal zusammen gecastet. Letztendlich wurden wir aber in der Konstellation nie besetzt. Jetzt war es das erste Mal, und wir freuten uns beide total. Er war für mich ein Traumpartner.

MM:In der Serie geht es auch um den deutschen Mikrokosmos am Ballermann. Kannten Sie den Ballermann schon, bevor Sie die Rolle übernahmen?

Borgmann:Überhaupt nicht. Ich war davor dreimal auf Mallorca gewesen, zum ersten Mal in Palma und Umgebung, einmal in Portocolom, und dann einmal im Nordosten. Aber den Ballermann selbst habe ich das erste Mal während der Drehzeit gesehen, zu einem Zeitpunkt, an dem er nicht ansatzweise das war, was er normalerweise ist. Es war ja noch ein halber Lockdown.

MM:Und wie war Ihr Eindruck vom Ballermann?

Borgmann:Ich mochte das irgendwie (lacht), wahrscheinlich, weil er so leer war. Aber Arenal mochte ich wirklich, die Stimmung und die Leute, die da wohnen. Das hat mich tatsächlich ein bisschen ans Ruhrgebiet erinnert. Und ich erinnere mich gerne an die Nacht, in wir in den Straßen dort eine Szene drehten, in der Matti und ich ganz verzweifelt sind und ich weine. Und es standen Menschen auf den Balkonen und schauten zu, ganz still, mitten in der Nacht. Niemand filmte mit, weil wir sie darum gebeten hatten. Und am Ende applaudierten sie dann, wie im Theater. Das war toll.

MM:Waren Sie die ganze Drehzeit über auf Mallorca?

Borgmann:Ich bin ganz dageblieben. Das war meine erste längere Zeit im Süden. Ich habe als Kind schon vom Süden geträumt, aber früher waren wir meistens in den Niederlanden. Ich kannte das gar nicht, dass immer die Sonne scheint und es immer warm ist, dass das Meer und der Himmel immer immer blau sind und dass überall Palmen stehen. Und obwohl ich jetzt fast 50 bin, war das für mich auch heute noch sensationell. Ich habe mich jeden Tag gefreut und bin wieder sechs Jahre alt geworden, wenn ich vor die Tür gegangen bin: „Guck mal, ne Palme!“ (lacht).

MM:Schwebten Sie nach Ihrer Rückkehr nach Deutschland auf einer mediterranen Wolke, oder war das alles weg?

Borgmann:Mallorca hat nachhaltig gewirkt. Es ist mir wirklich schwergefallen, von der Insel wegzufliegen. Ich war arg traurig und saß still im Flieger, guckte runter auf die Bucht von Palma und dann kamen mir tatsächlich die Tränen. Ich lebe in Hamburg und bin bei der Landung minutenlang durch eine dicke Wolkendecke geflogen. Unten angekommen, habe ich wiederum das viele Grün genossen. Aber im Moment fehlt mir der Süden sehr, das Licht, die Farben, die Sonne …

MM:Werden Sie die Serie angucken, wenn sie ab 24. Februar abgerufen werden kann?

Borgmann:Ja, natürlich! Ich freue mich wahnsinnig darauf. Das ist ein sehr besonderes Projekt für mich.

MM:Sie sind eine sehr vielseitige Schauspielerin, haben alle Genres, von Melodram bis Thriller, gespielt, waren Skingirl, RAF-Terroristin und Lotto-Königin. In welchem Genre fühlen Sie sich besonders zu Hause?

Borgmann:Ich mag es total, sehr unterschiedliche Sachen machen zu können. Sehr vertraut ist mir natürlich das Krimi-Genre, weil das hauptsächlich produziert wird. Ich liebe aber das lustige Genre, das schauspielerisch mit am herausforderndsten ist und das es leider sehr selten gibt. Aber auch die Arbeit für den „König von Palma“ fand ich ganz toll, weil er ein Mix aus allem Möglichen ist. Es gibt Spannung und Action, Mafia und Familiendrama, es gibt aber auch total komische, ganz alltägliche und sehr intime Momente. Es wird quasi das ganze Spektrum vom Menschsein erzählt.

MM:Sollte die Serie ihre Fortsetzung finden, würden Sie dann wieder mitmachen?

Borgmann:Ja, natürlich! Zur Not schreibe ich die Bücher selber (lacht), aber ich könnte das nie so gut. Ich glaube, das wird ein ziemlicher Kracher.

MM:Kann die Figur Sylvia Adler noch weiter erzählt werden?

Borgmann:Da gibt es noch eine Menge Potenzial. Soweit ich weiß, gibt es schon länger Ideen, wie die Geschichte weitergeht. Ich hatte aber schon vor den Dreharbeiten entschieden, dass ich das nicht wissen möchte, um in meinem Spiel nicht bestimmte Dinge vorwegzunehmen. Ich wollte, dass es so ist wie im Leben: Man wird hineingeworfen und geht dann damit um.

MM:Gibt es in Ihrer Laufbahn Rollen, die Ihnen mehr bedeutet haben als andere?

Borgmann:Sylvie Adlers Welt ist schon ein Highlight, das habe ich sehr gemocht. „Die Lotto Könige“ (WDR-Serie von 2012 bis 2015; Anm. d. Red.) zum Beispiel waren aber auch sehr schön, da haben wir wahnsinnig viel gelacht. Das war auch eine schöne Ehe, die ich mit Waldemar Kobus führen durfte (Sandra Borgmann spielte die Figur Claudia König, Waldemar Kobus ihren Mann Rudi König; Anm. d. Red.). Und die Julia Durant natürlich, die Serienmörder jagt … Die war ein echter Thrill (Hauptrolle in der Kriminalfilmreihe „Julia Durant ermittelt“ von Sat.1; Anm. d. Red). Ja … Das sind meine Big Three. Aber ich habe auch viele kleinere Figuren gern gespielt, wo man nur zwei, drei Szenen hat, um die Karten nochmal neu zu mischen. Das habe ich immer gerne gemacht, reinkommen und die Karten neu mischen (lacht).

Die Fragen stellte

Martin Breuninger