Anthony Neitzke bastelt an seinem Arbeitsplatz an dem jüngsten Modell seiner Sammlung, einer Plaubel Makina 67.Fotos: man

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Die blaue Hartplastikunterlage auf dem massiven Holztisch besitzt unzählige kleine Vertiefungen und Aufbewahrungsmulden. Das muss sie, um den vielen Schrauben, Rädchen, Metallstiften und Einzelteilen, die beim Zerlegen einer seiner analogen Patienten sortiert werden wollen, Herr zu werden. Anthony Neitzke sitzt heute vor einer Plaubel Makina 67, einer analogen Fotokamera aus dem Jahr 1986. Mit konzentriertem Blick und filigranen Bewegungen der Finger schraubt und werkelt er an diesem, dem jüngsten Modell in seiner Sammlung.

Um die Arbeitsfläche drapiert und verteilt auf den umstehenden Regalen stehen unzählige Modelle von Nikon, Leica, Olympus, Pentax, Alpa, Yashica und vielen anderen Herstellern, die entweder heute noch am Markt oder bereits Geschichte sind. Obwohl sie sich alle in Aufbau, Funktion und Alter unterscheiden, besitzen sie doch eine Gemeinsamkeit, nämlich Patina. Diese Gebrauchsspuren zeugen von der bewegten Vergangenheit dieser Geräte zum Festhalten von Momenten. Man fragt sich zwangsläufig, wie viele Familienfotos, Campingausflüge oder Kindergeburtstage wohl über Jahrzehnte hinweg im Klein-, Mittel- oder Großformat auf die lichtempfindlichen Aufnahmemedien gebannt wurden.

Das älteste Model der Sammlung, eine sogenannte Plattenkamera aus dem Jahr 1870, nimmt Neitzke behutsam aus dem Regal, löst das Messing-Objektiv vom Gehäuse und erklärt: „Das ist ein Darlot-Petzval-Objektiv, hergestellt in Paris. Da habe ich auf einem Flohmarkt ein echtes Schnäppchen gemacht.” Dem 34-Jährigen ist dabei anzumerken, wie viel Leidenschaft er für die alte und ursprüngliche Art, Fotos zu machen, empfindet. „Irgendwie ist es roher und echter als die digitale Fotografie. Alleine der Fakt, dass ich nur eine begrenzte Zahl an Bildern auf einen Film bekomme, beeinflusst die Art und Weise, wann ich auf den Auslöser drücke und wann nicht.”

Die Faszination für Kunst im Allgemeinen und Bilder im Speziellen bekam der gebürtige Berliner schon als Kind mit auf den Weg. „Mein Vater hat Gemälde restauriert. Ich erinnere mich noch an den Geruch von Farbe in der Werkstatt und wie mich das alles damals schon begeistert hat.” Durch den Papa habe er das Zeichnen und das Malen gelernt. Als er sechs Jahre alt ist, zieht die Familie von Berlin nach Artà. Mit 19 stellt er seine Werke das erste Mal in Manacor aus. Weitere Ausstellungen und Preise folgen.

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Die Fotografie sei dann eigentlich erst während seines Studiums so richtig hinzugekommen, erklärt er und greift nach dem Apparat, der direkt vor ihm auf dem Arbeitsplatz steht. „Das ist meine Lieblingskamera, eine Leica M6 aus dem Jahr 1986. Es ist so: Gemälde mit Pinsel und Farbe zu erschaffen, hat seinen ganz eigenen Reiz, braucht aber viel mehr Zeit, Platz und Ressourcen. Die Kamera habe ich immer dabei.” Vor allem die Zeit sei meist ein knappes Gut, denn neben familiären Verpflichtungen seien es besonders die analogen Schmuckstücke anderer Fans analoger Fotografie in seinen Regalen, die ihn beschäftigt halten würden. „Ich arbeite mit ein paar Fotoläden hier auf der Insel zusammen. Wenn deren Kunden eine kaputte Kamera haben, dann schicken sie die meistens zu mir und ich schaue dann, was ich tun kann.”

Seit zirka zwei Jahren sei das ein Geschäftsmodell, was ihn zwar nicht reich mache, ihm aber seine Miete eintrage und zusätzlich noch jede Menge Spaß bereite. „Es macht Freude, sie zu reparieren. Vor allem, weil die alten Apparate aus weitaus weniger Plastik bestehen und technisch einfacher konstruiert sind.” An den analogen Kameras sei größtenteils nur das verbaut, was essenziell für das Knipsen von Bildern sei. Ähnlich wie bei einem alten Auto, dass zwar keinen Spurhalte-Assistenten oder Tempomaten habe, einen aber mit Lenkrad, Gaspedal und Bremse trotzdem problemlos und zuverlässig an sein Ziel bringe.

„Bei der Motivwahl suche ich immer nach dem Abstrakten oder etwas Surrealem, das möglichst eine Geschichte erzählt. Im Idealfall in einem einzigen Bild, manchmal aber auch in mehreren. Ich möchte, dass die Menschen vor den Fotos stehen und ins Nachdenken kommen.” Neitzke, der neben seinen deutschen auch philippinische Wurzeln hat, zeigt auf vier Fotografien, die, einem christlichen Kreuz ähnelnd, an einer Wand des Ateliers angeordnet sind und erklärt, „Hier zum Beispiel ist das Thema ein Verkehrsunfall.”

In seinem Atelier „Palma Studio 16“ hängen Fotografien des 34-Jährigen. Das Thema der vier Bilder lautet: „Verkehrsunfall.“ In der linken Hand hält Neitzke seine Lieblingskamera, eine Leica M6. In der rechten Hand die analoge Filmkamera Bolex H16 Reflex Rex 5 aus dem Jahr 1966.

Auch mit seinen Fotografien hat der Künstler bereits einige Wettbewerbe auf Mallorca gewinnen können. Zuletzt im Januar dieses Jahres die 35. Auflage von „Palma Fotogràfia”. „Als Preis habe ich einen Kino-Kurs an der CEF, der Schule für die audiovisuellen Künste hier in Palma erhalten.“ Neitzke geht erneut lächelnd zu einem der Regale und holt ein silbernes Ungetüm hervor. „Das ist eine Bolex H16 Reflex Rex 5 Filmkamera aus dem Jahr 1966. Ich mag Kino und freue mich darauf, mich in diesem Genre auszuprobieren.” Der junge Mann hält kurz inne und ergänzt dann: „Natürlich nur analog!”