Alle haben sich lieb: Tantra spricht viele Menschen an. | Privat

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Einem kuriosen Zufall ist es zu verdanken, dass die damals 22-jährige Festlandspanierin Verma Rodríguez Garrote, wie sie sagt, vor 15 Jahren in Madrid durch eine Ausbildung zu einer für sie völlig neuen Art und Weise fand, die Welt zu betrachten. „Ich war auf der Suche nach einem neuen Job und bin auf eine Anzeige gestoßen, in dem Tantra-Masseure gesucht wurden, und dachte mir, dass ich das mal ausprobieren könnte”, so die aus Córdoba stammende Andalusierin. In dem Zentrum, wo sie ihre Qualifikation erhielt, traf sie unter anderem ihren ersten tan-trischen Meister, Anand Rudra, und erhielt Einblicke in ein bislang für sie völlig fremdes Universum. „Mir war damals zu dem Zeitpunkt sofort klar, dass Tantra etwas ist, womit ich mich für den Rest meines Lebens befassen wollte”, erinnert sich Verma Rodríguez zurück. Im Laufe der Zeit absolviert die 37-Jährige zahlreiche Aus- und Fortbildungen in der esoterischen Lehre und weiht nun seit fünf Jahren selbst Neugierige in die mystische Welt des Tantra ein.

„Einige meiner Schülerinnen nennen mich Meisterin, doch ich selbst sehe mich überhaupt nicht so, sondern als Vermittlerin der tantrischen Techniken und des Wissens. Als Meisterin würde ich nur wenige Menschen in der Geschichte der Menschheit bezeichnen, wie etwa Buddha oder Jesus”, erklärt sie.

Rodríguez wohnte nach ihrem Wegzug aus der spanischen Hauptstadt zehn Jahre in Barcelona und später auf Mallorca. „Hier habe ich gemerkt, dass viele falsche Vorstellungen in Bezug auf Tantra verbreitet sind, und wollte etwas dagegen unternehmen”, so die Frau. Viele Mallorquiner gingen irrtümlich davon aus, dass es bei der uralten, aus Asien stammenden Lehre vor allem darum ginge, körperliche Wollust und den Sex-trieb auszuleben, beobachtete Rodríguez. Und die weit verbreitete erotische Massage, die in Spanien von Prostituierten angeboten werde, habe ihr zufolge mit der eigentlichen heiligen Lehre rein gar nichts zu tun. Rodríguez betont mit Nachdruck, dass beim Tantra viel mehr die spirituelle Dimension im Vordergrund steht. „Die Ursprünge sind nicht genau bekannt, doch geht man davon aus, dass Tantra seine Wurzeln vor 5000 Jahren in Indien und Nepal hatte”, so die Enthusiastin.

Immer wieder habe es spirituelle Sucher aus dem Westen gegeben, die nach Asien gereist seien, um die damals geheimen Lehren zu studieren. Vor allem jedoch strömte seit den 1960er und 70er Jahren das tantrische Wissen verstärkt in die westliche Welt. Ein wichtiger Lehrer und Vermittler sei dabei der indische Philosoph und Guru Osho gewesen, erklärt Rodríguez. „Der Einstieg ins Tantra kann sehr simpel sein und beginnt mit einfachen Dingen wie den sinnlichen Eindrücken beim Schmecken und Riechen eines Essens oder beim Betrachten einer Zeitung oder eines Computerbildschirms. Es geht darum, völlig in den jetzigen Moment einzutauchen”, so Rodríguez. Ein anderer moderner Begriff hierfür sei „Mindfulness”, was zu Deutsch Achtsamkeit bedeutet, betont die Tantrikerin. Letztendlich gehe es, so Rodríguez, um das Erfahren einer höheren, göttlichen Realität, was man auch als „Erleuchtung” oder kosmisches Bewusstsein bezeichnen könnte, wobei der Körper als Vehikel für den Geist benutzt wird. In religiösen Schriften wie dem Vijñna-bhairava-tantra, das im 8. Jahrhundert verfasst wurde, wird das Ziel der tantrischen Lehre umfassend deutlich gemacht. „Von den tantrischen 112 Praktiken sind letztendlich nur sechs stark auf das Körperliche bezogen, wozu die drei Techniken des sexuellen Kaula zählen”, resümiert Rodríguez.

Mit zwei Kolleginnen, Maryluz Cano Camps, die als Tantra-Lehrerin auf Mallorca wirkt, und Gloria Martínez García, einer Apothekerin und transpersonalen Psychotherapeutin aus England, hatte Verma Rodríguez vor einigen Jahren den Einfall, ein Tantra-Festival auf der Baleareninsel zu organisieren. Doch die Corona-Pandemie machte den drei Frauen bei der Durchführung einen Strich durch die Rechnung. So konnte das Mallorca Tantra Fest erstmals im Jahr 2022 durchgeführt werden. In seiner zweiten Fassung findet das Festival, das das erste seiner Art in spanischer Sprache in Europa ist, vom 23. bis 29. Oktober im Vier-Sterne-Hotel Valentin Playa de Muro statt. ( www.mal lorcatantrafest.com ) „Wir haben ein intensives Programm, das von acht Uhr morgens bis Mitternacht geht. Tagsüber führen die Teilnehmer Workshops mit Übungen durch und abends stehen Musikkonzerte an”, so die Veranstalterin. Dabei gehe es beim Festival, wie Rodríguez deutlich macht, nicht darum, niederen In-stinkten zu frönen, sondern um das Beobachten der eigenen Atmung, um Berührungen und „sich in die Augen schauen”. Das Ziel sei es, durch körperliche Übungen mit einem Gegenüber, ohne sexuelle Intentionen, Zugang zu tieferliegenden Gefühlen zu erfahren und dabei das eigene Herz zu öffnen.

„Es haben sich bereits 180 Menschen angemeldet, doch es gibt noch wenige freie Plätze, sagt Rodríguez. Viele Teilnehmer stammen aus Südamerika, andere sind aus europäischen Ländern angereist. „Wobei die meisten alleine kommen und nur wenige als Paare oder in Gruppen.” Der Preis für das Mallorca Tantra Fest beläuft sich ab 1000 Euro, inklusive Verpflegung und Unterkunft.