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In den knapp 120 Jahren, in denen es auf Mallorca gemischte öffentliche Grundschulen gibt, hat sich einiges an historischem Material angesammelt: über 12.000 Bücher, 700 Karten und rund 2600 Objekte, vom Rohrstock und Leihkleid für die Erstkommunion über alte Klassenfotos und Schiefertafeln bis hin zum Abakus und zur Schulbank. Würde man den gesamten Fundus des Arxiu i Museu de l‘Educació de les Illes Balears aneinanderreihen, ergäbe sich eine Strecke von mehr als drei Kilometern.

Seit 2001 befand sich das Archiv und Museum für die Bildung auf den Balearen provisorisch in einem Gebäude der Autonomieregierung in Inca. Von Anfang an platzte es dort aus allen Nähten. Deshalb soll es nun im Cuartel General Luque untergebracht werden.

Der Umzug in Incas ehemalige Kaserne wurde schon 2010 beschlossen. Zehn Jahr später haben die Mühlen der öffentlichen Verwaltung ausgemahlen. Am 11. Juni gab der Govern Balear bekannt, die Renovierung eines der sechs Kasernenflügel ausgeschrieben zu haben. 711.435 Euro werden für den Umbau bereitgestellt.

Seit 2010 beherbergt das Cuartel General Luque bereits das Museu del Calçat i de la Pell (Museum für Schuhwerk und Lederwaren), das 2018 in Museu del Calçat i la Indústria (Museum für Schuhwerk und Schuhindustrie) umbenannt wurde. Denn historisch war Inca Mallorcas Zentrum der Schuh- und Lederindustrie. Mit dem künftigen Schulmuseum mausert sich die ehemalige Kaserne nun zum museistischen Zentrum des Landkreises Raiguer.

Dadurch wird auch der Gebäudekomplex in der Öffentlichkeit präsenter. Gewöhnlich findet er so gut wie keine Erwähnung, wenn es um die Architektur der Insel geht. Dabei stammt der Entwurf des Hauptgebäudes von Francisco Roca Simó (1874-1940). Aus seiner Feder stammen Can Casasayas und die Pensión Menorquina, zwei der emblematischsten Jugendstilbauten in Palma, die 1908 und 1909 an der Plaça del Mercat erbaut wurden. Auch die Notarkammer in der Vía Roma sowie das politisch umstrittene Denkmal in Palmas Park Sa Feixina oder das Portal des Friedhofs von Felanitx tragen seine Handschrift.

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Roca Simó wurde in Palma geboren und studierte in Madrid Architektur. Sein Erstlingswerk ist das Mausoleum für Francesc Pi i Margall, Präsident der ersten spanischen Republik, in Madrid. Dessen Bau im Jahr 1905 musste jedoch der Architekt Félix de la Torre leiten, weil Roca Simó noch keinen Studienabschluss hatte. Dessen ungeachtet, gilt das Mausoleum als ein Meisterwerk des Jugendstils.

Auch überm großen Teich reüssierte Roca Simó. 1909, dem Jahr, in dem er das Cuartel General Luque entwarf, trat er die Reise nach Argentinien an, wo sich in der Stadt Rosario eine Kolonie wohlhabender mallorquinischer Kaufleute gebildet hatte. Dort schuf er Gebäude wie den Palacio Cabanellas, den Club Español und die Asociación Española de Socorros Mutuos sowie in Buenos Aires die Banco de Castilla. Sie werden als die bedeutendsten architektonischen Werke des spanischen Jugendstils außerhalb Spaniens eingestuft.

Erst 1915 kehrte Roca Simó nach Mallorca zurück. Wegen seiner langjährigen Abwesenheit sprang bei der Umsetzung seiner Baupläne Guillem Reynés Font (1877-1918) für ihn ein. Der arbeitete zeitgleich mit Antoni Gaudí und dessen Schüler Joan Rubió bei der Restaurierung der Kathedrale und des Klosters Lluc zusammen. Unter ihrem stilistischen Einfluss leitete Reynés Font den Bau von Can Casasayas und der Pensión Menorquina.

Auch den Bau des Hauptgebäudes des Cuartel General Luque führte Reynés Font zu Ende – und nahm letzte Umgestaltungen vor. Für Incas ehemalige Kaserne und künftiges Museumszentrum lässt sich mithin behaupten: Zwei mallorquinische Meister des Jugendstils hatten bei seiner Architektur die Hände im Spiel.

(aus MM 25/2020)