Scarlet Rivera heute (r.) und damals, mit Bob Dylan. | P. Pellicer

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USA, 5. Januar 1976: An diesem Tag wurde Bob Dylans 17. Studioalbum „Desire” veröffentlicht, das bis heute als eines seiner besten Alben gilt. Unvergesslich ist die Ballade „Hurricane” über den Boxer Rubin „Hurricane” Carter, der aufgrund eines dubiosen Prozesses 19 Jahre hinter Gittern saß, ehe er 1985 in einem Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen wurde. Und unverwechselbar ist der Sound dieser Einspielung. Zu ihm trug maßgeblich die Geige von Scarlet Rivera bei. Diesen Freitag, 16. Juni, treten Rivera und der New Yorker Songwriter Bradley Lauretti in der Fundació Miró Mallorca in Palmas Vorort Cala Major auf. Im Rahmen der Konzertreihe „Women don’t wait for Waits” wird das Duo Songs von Bob Dylan präsentieren.

Neben „Desire” nahm Rivera 1975 und 1976 auch an der legendären „Rolling Thunder Revue” teil, einer Nordamerika-Tournee, die insgesamt 57 Auftritte umfasste und an zirkusartige Varieté-Shows angelehnt war. Kein Wunder, dass der Name der Geigerin oft in einem Atemzug mit Album und Tournee fällt, zumal sie durch beide Projekte bekannt wurde. Auf die Frage, ob sie das nervt, meint man, ein Lächeln durchs Telefon zu hören: „Wie könnte mich das nerven?”, antwortet sie. „Andere würden ihren rechten Arm dafür geben, um mit Bob Dylan aufzutreten.”

Die Geschichte, wie sie Dylan kennenlernte, klingt wie ein modernes Märchen. Aus seiner Limousine sah er Rivera mit ihrem Geigenkasten auf der Straße, hielt an, um sich mit ihr zu unterhalten, und lud sie in sein Probestudio ein. An Gitarre und Klavier spielte er noch nicht veröffentlichte Songs an – eben diejenigen von „Desire” – und forderte sie auf, dazu zu geigen und lächelte hin und wieder kaum wahrnehmbar. Anschließend lud er sie in einen Club ein, in dem die Blues-legende Muddy Waters spielte – um sie dort dem Publikum als seine neue Geigerin vorzustellen. „Das war ein musikalisches und persönliches Austesten”, meint Rivera rückblickend. „Er wollte einfach sehen, wer ich bin, ob ich vielleicht langweilig oder lächerlich bin. Aber nein, ich war cool.”

So cool, dass Dylan sie zu den Aufnahmen von „Desire” ins Studio holte. An ihrem ersten Tag traf Rivera dort auf ein Line-up, das aus Gitarren-Ikone Eric Clapton und den besten Session-Musikern der Stadt bestand. „Viele Songs waren schon ganz aufgenommen”, erzählt Rivera. Doch als sie zwei Tage später erneut zu Aufnahmen kam, waren Clapton und die anderen Musiker weg. Geblieben waren außer ihr nur noch am Bass Bob Soner und am Schlagzeug Howard Wyeth. „Das war ein dramatischer und drastischer Wechsel. Bob hatte sich für eine völlig unbekannte Musikerin entschieden”, erinnert sich Rivera.

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Scarlet Rivera wurde 1950 in Chicago geboren, lernte in jungen Jahren Geige, machte schnell Fortschritte, spielte im Schulorchester, erhielt ein Stipendium – und wer weiß, welche Karriere ihr bevorgestanden hätte. Aber sie wollte nicht. „Ich stieg aus und ging mit einem One-Way-Ticket nach New York City”, erzählt sie. Ihre Absicht von Anfang an: Die Violine in die Rockmusik einzubringen. „Ich wusste damals noch nicht, dass ich mit Bob Dylan spielen würde. Aber es war mir bestimmt, es dann auch zu machen.”

Bei Bob Dylan blieb es nicht. „Ich wurde nicht geboren, um nur einen Stil zu spielen”, sagt die Musikerin. „Ich mag es, vielseitig zu sein.” Keltische Musik, New Age, Weltmusik, Fusion-Jazz, Rock-Fusion, all dies spielte sie nicht nur. „Ich kann auch in allen Stilen schreiben.” Neben eigenen Projekten ist die Bandbreite der Musiker, mit denen sie zusammenarbeitete entsprechend groß. Sie reicht vom Duke Ellington Orchestra, mit dem sie als Solistin in der Carnegie Hall auftrat, über Tracy Chapman bis hin zu – Peter Maffay.

Maffay, das war in den 1980ern. Auf die Frage, ob sie sich noch daran erinnern kann, antwortet sie ohne zu zögern: „Natürlich! Wie bei Bob Dylan war ich auch bei ihm die erste Frau in seiner Band.” Mit Peter Maffay spielte sie 1984 den Song „Diese Sucht, die Leben heißt” ein, zu sehen als Promo-Video auf Youtube, und ging mit ihm und seiner Band auf Tour, die sie auch auf die andere Seite der damals noch bestehenden deutsch-deutschen Grenze führte. „Das war fantastisch”, schwärmt Rivera und versichert: „Ich würde gerne wieder mit Peter in Kontakt treten. Wir haben uns wirklich gut verstanden.”

Das Konzert in Palma ist eines der ersten Gelegenheiten, Rivera auch singend zu erleben. Angesichts dieser von Americana geprägten Konzert-
reihe habe sie beschlossen, dass es an der Zeit sei, zu singen. „Ich hatte nie die Absicht, als Leadsängerin aufzutreten, aber jetzt habe ich meine Stimme gefunden”, sagt sie. „Das ist eine ganz natürliche Sache, die ich wahrscheinlich schon viel früher hätte machen sollen.”