Felipe Tenorios Zeichnungen sehen aus wie Fotos. | privat

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Es sind Bleistiftstriche, fein wie Haare. Aufgetragen, schattiert, immer wieder nachgezogen – in tage-, wochen- und teils monatelanger Kleinstarbeit. Bleistiftstriche und Grafitschattierungen, die so präzise sind, dass sie sich irgendwann zu einem Bild zusammenfügen, das der Wirklichkeit so nahe kommt, dass von Fotorealismus die Rede sein muss. Fotorealismus aus den Händen von Felipe Tenorio auf Mallorca.

Der Enkel einer spanischen Gastarbeiterfamilie aus Bad Segeberg, die später wieder nach Spanien übersiedelte, wuchs in Madrid auf, lebte aber selbst einige Zeit in Deutschland. „Ich habe Erasmus in Berlin gemacht und später in Düsseldorf gearbeitet”, erzählt er. Nach sieben Jahren in der spanischen Hauptstadt ist Tenorio jetzt der Beziehung wegen nach Mallorca gezogen. Seinen Job als Analyst beim Weltdachverband der Fluggesellschaften hat der 33-jährige Betriebswirt an den Nagel gehängt. „Mein Körper hat nach Kreativität verlangt. Ich möchte von meiner Kunst leben”, sagt er im Gespräch mit MM.

PALMA. ARTE. Arte a lápiz. El pintor Felipe Tenorio, afincado en Mallorca y economista que lo dejó todo por su pasión, arrasa
Felipe Tenorio in seinem Atelier.

Eine Kunst, die ihn über die sozialen Netzwerke bekannt gemacht hat. „Das sind Instrumente, die hatten die Menschen früher nicht, da war man auf Galerien angewiesen.” Eine Kunst, die das Publikum so zu begeistern scheint, dass die Zahl seiner Follower binnen weniger Monate auf weit über 100.000 in die Höhe geschnellt ist und sein digitales Postfach überquillt. „Einige zeigen nur Begeisterung, andere wollen mehr über meine Technik wissen und manch einer fragt direkt nach dem Verkaufspreis meiner Bilder”, so der bereits mit Kunstpreisen ausgezeichnete Tenorio, der nach eigenen Angaben auch für die Zusammenarbeit mit Galerien und für Auftragsarbeiten offen ist.

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Bereits als Kind kam die Liebe zum Zeichnen. „Wenn ich in der Schule nervös wurde, begann ich zu kritzeln, manchmal imaginäre Bilder, die ich mit meinen Fingern auf mein Knie malte.” Später kamen echte Werke hinzu – und die Fotografie, die in Teilen heute als Vorlage für die Zeichnungen dient. Über Jahre hat sich der aus einer kunstaffinen Familie stammende Autodidakt seine eigene Technik zugelegt, zunächst in Schwarz-Weiß, später auch in Farbe, wie bei der Bougainville, die erst vor wenigen Tagen fertig wurde. Eine Pflanze, die er mit Mallorca verbindet. Hier auf der Insel, weit weg vom Lärm und der Hektik Madrids, findet Tenorio die Inspiration, die er zum Malen braucht. „Ich stehe morgens auf und zeichne den ganzen Tag.” Ob er sich nicht alleine fühle, fragen die Freunde oft. „Nein, ich brauche Ruhe und muss beobachten. Alleine sein bedeutet, in Frieden zu sein. Ich bin Perfektionist.”

„Jedes Porträt”, erklärt er, „beginnt mit den Augen. Wenn die nichts werden, wird die ganze Zeichnung nichts.” Einfacher sei das bei Pflanzen. „Da kann man ein bisschen kreativer sein”, fügt er lachend an. Anschließend wird ein Raster auf das qualitativ hochwertige Baumwollpapier gelegt, um die Maße einhalten zu können, ehe Blei- und Grafitstifte über Monate ihr Übriges tun. Ein spezielles Spray schützt die Schichten am Ende vor einem möglichen Verwischen. „Meine „Werke sollen überraschen und die Menschen inspirieren – und nach Möglichkeit überdauern.”

Tenorio wünscht sich, sein Leben auf Mallorca der Kunst zu widmen. „Ich habe mich aber oft genug neu erfunden und deshalb keine Angst davor, doch einmal etwas anderes zu machen.”