Ihm macht so schnell niemand etwas in der Küche vor: Chefkoch Gerhard Schwaiger ist berühmt für seine Kochkunst. | P. Lozano

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Mallorca Magazin: Männer sind meist Technikfans. Auch in der Küche?

Gerhard Schwaiger: Aber ja! Männer brauchen in Sachen Küchen-Ausstattung immer das Neuste vom Neusten. Männer stehen so gern am Herd, weil sie sich dafür das tollste Spielzeug kaufen können. Diese technischen Geräte sind für sie wie eine Werkzeugkiste.

„Lieber etwas haben, was man nicht braucht, als etwas brauchen, was man nicht hat”

MM: Sind Frauen da anders?

Schwaiger: Frauen haben Tupperdöschen, davon sind die Schänke voll. Der Mann hingegen rüstet in der Küche maschinell auf. Die Herren kaufen Geräte, die sie einmal im Leben brauchen. Aber dann sind sie da. Und Männer fühlen sich gut damit, dass sie da sind. Ob sie die Geräte nun benutzen oder nicht. Nach dem Motto: Lieber etwas haben, was man nicht braucht, als etwas brauchen, was man nicht hat. Im Werkzeugkeller gibt es auch eine Menge Werkzeug, das kein Mensch benötigt. Ist bei mir genauso.

MM: Männer kochen privat mitunter richtig groß auf. Woran liegt das?

Schwaiger: Die Frau vollbringt eine soziale Leistung gegenüber der Familie, damit es jeden Tag etwas zu essen gibt. Der Mann beobachtet das und kommt dann irgendwann auf die Idee, dass das so schwierig nicht sein kann. Und dann geht es los. Das Abenteuer beginnt.

MM: Was ist daran so abenteuerlich?

Schwaiger: Männer bereiten kein Gulasch, keine Linsen, Schnitzel oder Spaghetti Bolognese zu. Das ist ihnen zu banal. Der Mann will angeben. Der sucht im Internet nicht nach einem Rezept von einem guten Restaurant. Nein, es muss ein Rezept vom Drei-Sterne-Restaurant sein.

MM: Er greift gleich nach den Sternen, um sich bewundern zu lassen?

Schwaiger: Ja, sicher! Das Kochen wird zum Event. Da wird etwas gekocht, von dem er gar nicht weiß, ob es der Familie, den Freunden oder Bekannten schmeckt. Mit einem wahnsinnigen Aufwand. Da wird Hummer gekauft oder Taube. Man muss ja zeigen, was man kann – und das selbstverständlich mit hochwertigen Produkten. Und den besten und neusten Maschinen. Es geht nicht darum, etwas zu essen zu machen. Männer wollen glänzen und lassen sich dann zu Hause von ihren Gästen mit Punkten bewerten. Männer brauchen den Applaus.

MM: Das klingt ein bisschen nach „fishing for compliments”.

Schwaiger: Absolut! Es ist Majestätsbeleidigung, wenn da kein Applaus kommt. Deshalb stellt sich der Mann ja an den Herd. Wenn der Mann kocht, geht er davon aus, dass seine Leistung punktemäßig ganz oben angesiedelt ist. Klingt lustig. Ist aber so.

MM:Woher rühren Ihre Erkenntnisse?

Schwaiger: Ich war sehr oft bei Gästen zu Hause eingeladen und habe bei ihnen Abende verbracht, wo der Mann gekocht hat. Gut, es gibt Männer, die haben Talent und sind ehrlich zu sich selber. Viele aber eben nicht. Das ist so, als würde ich das Malen anfangen. Das wird nichts.

MM: Und diese Männer kommen nicht auf die Idee, dass zum Kochen auch viel Know-how und Erfahrung gehört?

Schwaiger: Nein. Es herrscht eine absolute Selbstüberschätzung. Die Frau hingegen hat Erfahrung. Sie stellt ein wunderschönes Essen auf den Tisch und sieht an den Gesichtern und am Essverhalten, ob es schmeckt. Wenn der Mann gekocht hat, dann wird erklärt, warum er etwas so gemacht hat und wie er es gemacht hat …

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„Meine Mutter hat mit ihren 94 Jahren ihr ganzes Leben ein Messer verwendet, ihr Lieblingsmesser”

MM: Stimmt denn das Zeitmanagement bei den Männern?

Schwaiger: Aber nein, das Zeitmanagement stimmt ganz und gar nicht. Die Frau hat das Kochen logistisch im Griff. Sie beherrscht das. Da kommt das Essen zeitnah auf den Tisch, zum Beispiel wenn die Kinder nach der Schule nach Hause kommen. Frauen sind multitasking-fähig, die bügeln noch nebenher.

MM: Im Gegensatz zum Mann?

Schwaiger: Das Zeitmanagement interessiert ihn nicht. Der kocht drei Gänge. Die Gäste sitzen ab 20 Uhr am Tisch. Und das Dessert wird dann um 2 Uhr nachts serviert. Habe ich alles erlebt.

MM: Selbstkritik also eher Fehlanzeige?

Schwaiger: So ist es. Das Motto bei Männern lautet vielmehr: Ich koche gut. Und ich koche langsam. Aber Selbstkritik gibt es ja nicht mal bei den meisten Profi-Köchen. Wenn ein Gast etwas reklamiert, dann antworten sie: „Wieso? Mir schmeckt’s. Der Gast hat keine Ahnung”. Dabei sind es die Köche, die selbstkritisch sind, die Erfolg haben.

MM: Zurück zur Technik in der Küche: Was steht denn bei Männern, die privat kochen, besonders hoch im Kurs?

Schwaiger: Der neuste Thermomix natürlich, Beefer, Pacojets, moderne Stabmixer, die tollsten Messer … Alles, was wir als Profis verwenden, muss her. Meine Mutter hat mit ihren 94 Jahren ihr ganzes Leben ein Messer verwendet, ihr Lieblingsmesser. Damit schneidet sie alles.

MM: Das kommt einem Mann nicht in den Sinn?

Schwaiger: Beim Mann geht das nicht. Männer haben eine Magnetleiste an die Wand, die ist zwei Meter lang und die wird bestückt mit Messern. Das schaut gut aus. Es fühlt sich gut an, sie zu haben. Da gibt es ein Messer für Fisch, eines für Fleisch, eines für Gemüse, eines für Butter … Der Mann neigt dazu, zu übertreiben. Das ist drin in unserer Natur. Wir müssen imponieren auf dieser Welt. Das Resultat ist ja abhängig von der Investition (lacht). Aber das bringt wenig für den Geschmack. Wenn die Taube durch ist, ist sie durch. Egal, mit welchem Messer die Eingeweide herausgeholt worden sind.

MM: So viel Equipment braucht eine Menge Platz in der Küche …

Schwaiger: Klar, alle diese Geräte brauchen ihren Platz. Die räumt ein Mann ja nicht in den Keller. Die müssen gesehen werden. Ich habe Gäste, die haben ihr Wohnzimmer zu Hause kleiner gebaut, damit die Küche größer sein kann. Das sind Küchen für 100.000 Euro. Nur damit jemand hineinmarschiert und sagt: „Oh, was hast du für eine Küche! Da musst du aber toll kochen.” Ich pflege dann zu sagen: Die Küche kocht nicht allein. Koch ist ein Lehrberuf, das hat seinen Grund. Zumindest braucht man viel Erfahrung und Routine.

MM: Sind Sie selbst denn auch ein Küchen-Technikfreak?

Schwaiger: Nein. Das habe ich mir abgewöhnt. Technik ist notwendig, ein Thermomix ist unersetzbar. Den habe ich aber auch erst seit zwei Monaten. Ich denke: je weniger Technik im Betrieb, desto besser. Der Koch fängt bei mir beim Lagerfeuer an. Da etwas zu machen, was geschmacklich gut und auf den Punkt ist, das ist es. Man wird auch abhängig von der Technik. Wenn dann Geräte ausfallen, dann fallen womöglich gleich 20 Prozent der Gerichte aus, die auf der Karte stehen.

Das Interview führte Kirsten Lehmkuhl.

Zur Person: Gerhard Schwaiger (63) aus dem bayerischen Memmingen war 19 Jahre lang Mallorcas einziger Zwei-Sterne- Koch, sein Restaurant Tristán in Puerto Portals war das beste Restaurant der Insel. Schwaiger betreibt nun seit sieben Jahren das Restaurant „Schwaiger” in Palma. Mit ihm am Herd steht der Österreicher Stefan Brunner. „Und dass wir uns von Michelin zurückgezogen haben, heißt ja nicht, dass wir nicht mehr kochen können …”