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Es muss eine Heidenarbeit gewesen sein. Zahllose Steine auf dem Uferbereich im alten Hafen des still an einer perfekten Bucht liegenden Ortes Portocolom wurden vor deutlich mehr als 100 Jahren von den Dörflern so virtuos zusammengefügt, dass eine Art Gesamtkunstwerk entstand. Auf der auffallend großen Fläche flicken die Fischer – authentischer geht es kaum – noch heute ihre Netze. Früher wurden dort Waren wie Wein unter anderem mit Ziel Frankreich auf Schiffe verladen. Das Areal wirkt wunderbar urig.

Doch hier will man bald mit Bauarbeitern anrücken. Als ruchbar wurde, dass die balearische Hafenbehörde den Bereich mit reichlich Zement stabilisieren will, brach unter den Menschen in dem Ort ein Sturm der Entrüstung los. Es bildete sich eine Bürgerinitiative, die sich über das Vorhaben der Behörde ärgert. „Das ist unser wertvollstes Kulturgut”, sagt Miquel Àngel Lobo, der Chef der Organisation, zu der Gruppen wie GOB, Amics de Portocolom, Arca und Terraferida gehören. Klar sei es nötig, hier und dort zu renovieren, aber das müsse mit dem gleichen Material und den gleichen Techniken wie früher gemacht werden. „Die ‚Mergers’ stehen bereit”, so Lobo. So wie anno dazumal wollten die Steinspezialisten die Gegend an bestimmten Stellen pflastern. „Manche Steine wurden einst aus einer uralten Siedlung namens Closos de Can Gaià entnommen und waren schon vor 1700 Jahren behauen worden”, sagt der Umweltschützer. Einige seien bereits von einem Kran zerstört worden.

Angesichts der Aufregung sah sich die Hafenbehörde gezwungen, ihr Projekt Ende Februar vor Ort zu erklären. Die Chefin Cristina Barahona äußerte bei einer Bürgerversammlung, dass dieses aus Sicherheitsgründen notwendig sei. Die Uferbereiche sollen von innen her verstärkt werden, die historisch wertvolle Außenstruktur werde aber beibehalten. Zement werde überhaupt nicht sichtbar sein. Das Vorhaben wolle man unter der Aufsicht von Archäologen ausführen und die aktuell dort befindlichen Steine wieder einsetzen, so dass nach der Renovierung alles so wie früher aussehe.

Der Bürgerinitiative ist das nicht geheuer, was durchaus nachvollziehbar ist. Denn mit der Natur gingen Behörden in Portocolom bereits früher wiederholt eher rustikal um: 2019 baute die Hafenbehörde direkt auf einem malerischen Uferbereich einen neuen Weg. Wütende Bewohner beschädigten ihn, obwohl er aus heimischen Maréssteinen bestand. Am Ende wurde er wieder entfernt. Auch Pläne für zusätzliche Hotels und eine Herberge sogar im Leuchtturm brachten nicht wenige in Portocolom in jenem Jahr zur Weißglut. Und dass immer mal wieder Yachten in Feldern des geschützten Seegrases ankerten, sorgte ebenfalls für Unruhe. Rabiat wird man in dem Ort noch immer bei der Erinnerung an den August 2018, als der Anker einer Luxusyacht große Schäden am Meeresboden anrichtete.

Portocolom ist halt ein idyllisches Dorf, das vom Massentourismus kaum verändert wurde, eine Art stille Blase in einer touristisch umtriebigeren Umgebung mit Orten wie Cala d’Or oder Cales de Mallorca. Nach dem Willen der Umweltschützer soll das auch so bleiben. Portocolom ist der größte Naturhafen der Insel. Das historische Zentrum des zu Felanitx gehörenden 4500-Einwohner-Dorfs nebst der Kirche „Mare de Deu del Carme” und teils leicht verfallenen, teils aber auch modernisierten kleinen und engen Fischerhäuschen befindet sich auf einer flachen Kuppe. Alles sieht so aus, als wäre die Zeit in irgend einem vergangenen Jahrzehnt plötzlich und unerwartet stehengeblieben. In den Gassen kommt man sich mitunter wie in einem spanischen Ort der 70er Jahre vor, auf dem Platz vor dem unscheinbaren Gotteshaus fehlt sogar der Rasen.

Besonders der Zustand einiger der etwa 150 ansehnlichen Bootsgaragen – „Escars” genannt – lässt zu wünschen übrig. Was nicht verwundert, denn teilweise sind sie wie der Steinbereich für die Fischer in etwa 100 Jahre alt. Hier will man mit einem Etat von sieben Millionen Euro bald behutsame Restaurierungsarbeiten starten, was Miquel Àngel Lobo von der Bürgerinitiative nicht sonderlich stört. Aber bei dem Steinpuzzle sehe die Sache halt anders aus. Hier habe man den Eindruck, dass man von Staats wegen zu rabiat daherkommt, so der Aktivist.

So richtig kaputt sieht der Uferbereich mit den vielen Steinen auf den ersten, aber auch zweiten Blick an vielen Stellen mitnichten aus. Woanders jedoch drohen ganze Bereiche auf einer Strecke von mehreren Metern ins Meer zu fallen, einige Stellen mussten zeitweise abgesperrt werden.

Spinnefeind sind sich beide Seiten glücklicherweise nicht: Bei einer Sitzung wurde beschlossen, eine Kommission zu gründen, die genau beobachtet, ob die Ausbesserungsarbeiten vorsichtig über die Bühne gehen.