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Wer schon einmal zu später Stunde an der Uferpromenade von El Molinar spazieren war, hat es vielleicht bemerkt, ohne sich viel dabei zu denken. Plötzlich wird es laut, das Meer beginnt zu rauschen und mit einem Mal klatschen kräftige Wellen an die Felsen. Ein bis zwei Minuten geht das so, ehe es wieder ruhig wird und nach etwa drei Minuten die See wieder so platt wie das Wasser in einer Badewanne ist. Eigentlich nichts Besonderes – würde sich dieses Phänomen nicht jeden Abend zwischen 22 und 23 Uhr wiederholen. Jeden Abend!

„Ja klar, das Wellenphänomen, das erleben wir hier immer”, erklärt die Wirtin eines Lokals in der ersten Meereslinie dem MM-Reporter. Und auch ein Spaziergänger gibt an, diesen Vorgang zwar Tag für Tag zu beobachten, aber keinen blassen Schimmer zu haben, woher er kommt. Ist es der Mond? Sind es die Gezeiten? Oder einfach nur ein großes Schiff? Zumindest ist am Horizont keines zu sehen, wenn das Meer wild wird...

Ein Anruf beim Ozeanografischen Institut Palma soll Licht ins Dunkel bringen. Gehört haben will man von den nächtlichen Wellen dort noch nichts, man ist sich aber recht sicher, dass es sich nicht um ein Meeresphänomen handelt. Etwas mehr Informationen gibt es bei der Balearen-Niederlassung des staatlichen spanischen Wetteramts Aemet.

„Grundsätzlich gilt: Wetterphänomene kennen keine festen Uhrzeiten”, beginnt Meteorologe Miquel Àngel Gili seinen Diskurs. „Ich kann also ausschließen, dass das irgendetwas mit dem Mond, den Gezeiten, dem Wind oder ähnlichem zu tun hat”, so der Experte. Für ihn steht vielmehr fest, dass es sich um Wellen handeln muss, die von einem großen Schiff ausgelöst werden. Ihm fällt jedoch nicht ein, um welches es sich konkret handeln könnte.

„Kreuzfahrtriesen laufen in der Regel später aus und auch nicht jeden Abend”, so Gili. Wichtig sei aber zu wissen, dass es sich nicht unbedingt um ein Wasserfahrzeug handeln muss, das in der Bucht von Palma unterwegs ist. „Wellen großer Tankschiffe zum Beispiel können noch hunderte Kilometer entfernt und mit deutlicher Verzögerung wahrgenommen werden.”

Des Rätsels Lösung liefert letztendlich – wie könnte es anders sein – jemand, der sich auf dem Meer so gut auskennt wie nur wenige: der Fischer Joaquín von der Fischervereinigung Palma. Auch er versichert, dass sich Naturphänomene nicht nach der Uhr richten und erklärt, dass es für die Wellen nur eine sinnvolle Erklärung gibt: das Einlaufen der Schnellfähre der Reederei Baleària (Foto links), die aus Barcelona kommend allabendlich um 22 Uhr in den Hafen von Palma einfährt.

„Da sie kein Außendeck, dafür aber ein extrem futuristisches Design hat, ist sie quasi nicht beleuchtet und aus der Ferne nicht zu sehen”, so der Seemann. Außerdem seien die Wellen in El Molinar logischerweise erst dann zu spüren, wenn das Schiff bereits vertäut am Hafen liegt. Je nach Pünktlichkeit der Fähre rausche das Meer deshalb immer irgendwann zwischen 22 und 23 Uhr.

Die Katamaran-Fähre ist nach der Astronomin Cecilia Payne benannt. Diese wurde 1956 die erste Professorin für Astronomie der Harvard University. Ihre Doktorarbeit gilt als „zweifellos brillanteste Doktorarbeit“ aus dem Fachbereich Astronomie überhaupt. Und so hat das rätselhafte Wellenrauschen von El Molinar ja irgendwie doch etwas mit dem Himmel, dem Mond und den Sternen zu tun...