Der Blick auf das malerische Deià könnte bald ein ganz anderer sein. | iStockphoto.com/Alex

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Wer im Ortskern von Deià in der Vergangenheit eine Fotovoltaikanlage auf seinem Hausdach installieren wollte, der hatte schlechte Karten. "Bislang haben wir die Genehmigung solcher Anlagen eher restriktiv gehandhabt", sagt Lluís Apesteguia, der Bürgermeister: "Faktisch war die Installation im Ortskern dadurch fast unmöglich." Immerhin handelt es sich bei dem Ort um eines der Bilderbuch-Dörfer im Tramuntana-Gebirge schlechthin. Für tausende Urlauber gehört ein Besuch in Deià zum Mallorca-Urlaub ebenso, wie ein Trip zu den Drachenhöhlen, nach Formentor und zum Es-Trenc-Strand. Das Postkartenmotiv mit den sich zwischen die Hügel duckenden ockerfarbenen Häuschen blieb intakt.

Ob das so bleiben wird, darf bezweifelt werden. Das bestätigt auch der Bürgermeister. "Wir müssen das bisherige Vorgehen nun auf den Prüfstand stellen", sagt Apesteguia. "Es kann nicht weiterhin ein faktisches Verbot von Solaranlagen im Ortskern geben." Auch die Bewohner von Deià wollten ja einen Beitrag leisten, um den Klimawandel abzuschwächen. "Wir wollen kein Dorf sein, in dem es noch zugeht wie im 19. Jahrhundert. Wir müssen uns an die aktuellen Herausforderungen anpassen." Das sei eine Notwendigkeit und eine Verpflichtung. "Ja, das Dorf wird sich dadurch verändern. Das hat es aber doch immer getan im Laufe der Jahrhunderte." Das Deià von heute sei nicht mehr dasselbe Deià, wie im 13. Jahrhundert. Selbstverständlich sollen keine Anlagen installiert werden, ohne jede Art von Regulierung, sagt Apesteguia. "Man wird dabei bestimmten Kriterien folgen müssen."

Welche das sein werden, muss nun der Inselrat festlegen. Denn Ende März verabschiedete die Balearen-Regierung ein Gesetzesdekret, das eine ganze Reihe besonderer Maßnahmen enthielt, die dazu dienen sollten, die Folgen des Ukraine-Krieges auf Mallorca abzu-schwächen. In erster Linie ging es darum, die galoppierende Inflation zu bremsen. Gleichzeitig wurden aber auch Neuerungen eingeführt, die die Selbstversorgung mit Strom aus erneuerbaren Energien erleichtern sollten. Ziemlich weit hinten in dem Gesetzesdekret versteckte die Balearen-Regierung einen Passus, der eine ganze Weile unbeachtet blieb, obwohl er eine Menge Sprengstoff birgt.

Dort heißt es nämlich, dass jeder Balearen-Bürger das Recht hat, "seinen eigenen Strom aus erneuerbaren Energien zu produzieren und zu verbrauchen". Die Verwaltung sei verpflichtet, die noch bestehenden Hindernisse aus dem Weg zu räumen. „Die Installation von Fotovoltaikanlagen zur Stromproduktion ist auf den Dächern sämtlicher Gebäude gestattet, die sich auf Gemeindebauland befinden, ohne dass es ein generelles Verbot aufgrund der Umgebung geben darf, in der sie sich befinden.” Ab Inkrafttreten des Gesetzesdekrets werden den Inselräten sechs Monate Zeit eingeräumt, einen Leitfaden zu beschließen, der ästhetische und technische Kriterien festlegt, die bei der Installation entsprechender Anlagen eingehalten werden müssen, sofern es sich um Gegenden handelt, die unter Landschafts- oder Denkmalschutz stehen. "Sollte diese Frist nicht eingehalten werden, überwiegt in jedem Fall das Recht auf Zugang zur Selbstversorgung", heißt es in dem Dekret.

Der zuständige balearische Energieminister Juan Pedro Yllanes bekräftigt die Entschlossenheit der Balearen-Regierung, die Installation von Solaranlagen zum Selbstverbrauch weiter voranzutreiben. "Die Ästhetik kann kein Argument dafür sein, den Wandel zu erschweren", sagt er. "Diese Debatte muss jetzt beendet werden: Wenn wir Energie bei uns zu Hause nutzen wollen, müssen wir Solarpanele auf dem Dach haben und es muss Solarparks geben, genauso wie wir es als selbstverständlich hinnehmen, dass, wenn wir Fernsehen haben wollen, es Antennen geben muss." Das müsse nun akzeptiert werden, damit die Elektrizitätswerke, die Gas und Kohle verbrennen, endgültig abgeschaltet werden können. Die Inseln brauchten die erneuerbaren Energien, ohne Wenn und Aber. "Natürlich muss das geplant, geordnet und mit Beschränkungen vonstatten gehen", sagt Yllanes: "Aber die Ästhetik kann nicht das prioritäre Kriterium sein."

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Bereits vor einigen Monaten also machte man sich beim Inselrat an die Arbeit und begann, einen Leitfaden auszuarbeiten, der künftig bei der Installation von Solaranlagen zum Eigenverbrauch inselweit angewendet werden sollte. Erste Inhalte drangen auch schon an die Öffentlichkeit. So war zum Beispiel vorgesehen, dass Solarpanele lediglich auf der der Straße abgewandten Seite des Hausdaches installiert werden dürften. Bei der Installation auf dem Boden wiederum sollte das Einbetonieren der Stützen verboten sein. Vom balearischen Ingenieursverband kam scharfe Kritik an den Plänen, da es keinerlei Beteiligung an der Erarbeitung der Kriterien gegeben habe.

Die Verabschiedung des Leitfadens stand bereits auf der Tagesordnung des Inselratsplenums Ende November, dann jedoch bremste die zuständige Dezernentin Maria Antònia Garcías im letzten Moment. "Es tauchten Zweifel auf, ob die Einhaltung der Vorgaben eigentlich verbindlich sein würde", sagt sie. Deshalb fiel die Entscheidung, den Leitfaden zu einem Teil der ohnehin anstehenden Reform des Flächennutzungsplanes der Insel zu machen. Dadurch hätten die Vorgaben laut Garcías in jedem Fall rechtsverbindlichen Charakter. Einige Monate dürften auf diese Weise aber noch vergehen, bis die neuen Regeln in Kraft treten.

Dass dadurch eine Rechtslücke entstehen könnte, glaubt Garcías nicht. "Die Kriterien, die die Gemeinden bislang angewandt haben, bleiben ja weiterhin gültig", sagt sie. Das allerdings sehen nicht alle so. "Es ist durchaus problematisch, dass der Inselrat die Richtlinien bislang nicht erlassen hat", sagt Ángel Gallego, Energie-Experte der Umweltschutzvereinigung Amics de la Terra. "Ich denke, die Bürger hätten gute Karten, die Installation einer Solaranlage jetzt auch gegen den Willen des Rathauses durchzusetzen."

Keine Probleme mit Gemeinden, die die Installation von Solaranlagen mit dem Verweis auf ästhetische Kriterien einschränkten, hatte bisher Heinz Torwie, Generaldirektor der Firma Solartà. "Außer einmal in Capdepera, wo die Anlage nicht auf der Straßenseite des Gebäudes installiert werden durfte", sagt er. Im Normalfall könne man ein Projekt solchen Auflagen aber anpassen. "Es ist nur blöd, wenn die straßenabgewandte Seite mal ausgerechnet die Nordseite sein sollte." Für problematischer hält er die fehlende Einheitlichkeit der Regeln. In manchen Gemeinden würden Immobilienbesitzer verpflichtet, ihre Fotovoltaikanlagen auf dem Hausdach zu installieren – selbst dann, wenn tausende Quadratmeter Fläche ringsherum zur Verfügung stehen. In anderen Gemeinden ist es genau umgekehrt: Da müssen die Anlagen auf dem Acker stehen. In den Rathäusern wieder anderer Gemeinden heiße es: Ist uns egal, sagt Torwie. "Es gibt keine objektiven Kriterien, die inselweit gelten." Er frage sich auch, ob jede einzelne Gemeinde da tatsächlich genaue Richtlinien hat, oder ob da vielmehr die persönliche Meinung des Gemeindearchitekten ausschlaggebend ist. Auch dieses Problem will der Inselrat nun durch die Aktualisierung des Flächennutzungsplanes beheben.

Bis es soweit ist, wird allerdings noch etwas Zeit vergehen. Inselratsdezernentin Garcías ist derweil bemüht, Bedenken zu zerstreuen. Es gehe darum, ein Gleichgewicht zwischen der Nutzung erneuerbarer Energien und dem Denkmalschutz zu finden. "Auf dem Dach der Kathedrale aber wird es ganz gewiss keine Solaranlage geben. Und auch nicht auf der Llotja oder der Almudaina." Dass sich das typische Postkartenmotiv mit der Ansicht des idyllischen Deià – bislang noch ganz ohne Solarpanele – künftig verändern wird, glaubt sie derweil durchaus. Angst müsse das aber niemandem machen. „In der Architektur gibt es fast immer die Möglichkeit, eine gute Lösung zu finden.” Außerdem lasse sich der Wandel nicht aufhalten. "In Deià gab es Zeiten, da existierten noch keine Straßenlaternen. Irgendwann wurden sie aufgestellt und die Leute haben sich daran gewöhnt. Ebenso wird es auch mit den Solaranlagen sein."