An den Hotel-Büfetts auf Mallorca wird sich ab Juli einiges ändern. | P. Lozano

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Christophorus Heufken setzt schon seit Jahren auf lokale Produkte. „Wir kaufen sehr viel von hier”, sagt der Betreiber des Hotels Palacio Sant Salvador in Artà. Mineralwasser, Wein, Gemüse, Kartoffeln – all das bezieht Heufken von Herstellern aus der Region. „Eigentlich alles bis auf die Dinge, die hier nicht produziert werden, wie etwa Schinken”, sagt er. Den Anteil auf der Insel produzierter Lebensmittel in seinem Hotel schätzt er auf 70 Prozent.

Heufken wird also keine Probleme bekommen, die neuen Vorgaben des balearischen Tourismusministeriums zu erfüllen. Am 1. Juli tritt eine Neuregelung in Kraft, die die Balearen-Regierung bereits im vergangenen Jahr beschlossen hatte. Sämtliche touristischen Betriebe sind nun bald verpflichtet, eine bestimmte Quote an lokalen Produkten einzukaufen. Die Regelung gilt sowohl für Hotels und andere Übernachtungsbetriebe, als auch für Restaurants, Bars und Cafés. Im Einzelnen gilt ab 1. Juli Folgendes: Lebensmittel regionaler Herkunft (sprich: von den Balearen) müssen drei Prozent der Gesamtausgaben in diesem Bereich ausmachen. Bei Vier- und Fünfsternehotels liegt die Quote bei vier Prozent, im Falle von Landhotels (sogenannten Agroturismes) gar bei fünf Prozent. Die Unternehmen müssen bei Kontrollen nachweisen können, dass sie die Auflage erfüllen.

„Natürlich bedeutet das für die Hoteliers Mehrkosten”, sagt María José Aguiló, Vizepräsidentin des Hoteliersverbandes FEHM. Es ist kein Geheimnis, dass auf Mallorca hergestellte Lebensmittel in der Regel deutlich teurer sind, als importierte. Die Produktion ist auf der Insel schlicht und einfach kostenintensiver. Aber nicht nur das: Auf die Hoteliers kommt auch ein deutlich höherer Verwaltungsaufwand zu. Sie werden nämlich im Zweifelsfall nachweisen müssen, woher das jeweilige Produkt stammt.

Hinter vorgehaltener Hand gibt es scharfe Kritik an der Neuregelung. Diese sei nicht ausreichend durchdacht und verschiedene wichtige Aspekte seien ungeklärt. So gibt es bislang keine Regelung dazu, wer letztendlich zuständig sein wird für den Herkunftsnachweis. Laut Tourismusministerium werden die Lieferanten diejenigen sein, die die Ware entsprechend kennzeichnen müssen. Manch Hotelier befürchtet, zur Rechenschaft gezogen zu werden, sollte sich eine Lieferung bei einer Kontrolle als falsch etikettiert erweisen. Außerdem lade das System geradezu ein zum Betrug. Erst kürzlich hatte es einen solchen Fall gegeben: Eine Firma hatte Frischkäse als mallorquinisches Produkt verkauft, obwohl die Milch vom Festland stammte.

Ein weiteres Problem ist die Definition dessen, was eigentlich als „lokales Produkt” gilt. Schwierig wird es vor allem dann, wenn es sich um weiterverarbeitete Produkte handelt. Ab wann ist eine Ensaimada ein „lokales Produkt”? Das Gesetz ist da nicht eindeutig. Mehr als 50 Prozent der „Hauptzutaten” müssten von den Balearen stammen, heißt es nur. Was aber sind Hauptzutaten bei einer Ensaimada? Mehl? Eier? Schmalz? Bäckern und Köchen in den Hotelküchen graut es schon davor, künftig bei jeder Zutat überlegen zu müssen, woher sie stammt, um die Vorgaben einzuhalten.

„Wir arbeiten an einem detaillierten Leitfaden, der genau solche Fälle klären soll”, sagt Aram Ortega, Generaldirektor für Lebensmittel-Souveränität im balearischen Landwirtschaftsministerium. Letztendlich aber sei es gar nicht so kompliziert. Denn alles, was ein balearisches Qualitäts- oder Herkunftssiegel trägt, gilt von vornherein als „lokales Produkt”. Auch die Marke Som Pagesos, unter der vier der größten Obst- und Gemüsehersteller Mallorcas ihre Produkte anbieten, garantiere die Herkunft von der Insel. Das gelte auch für die landwirtschaftlichen Kooperativen.

„Diese Neuerung bietet große Chancen”, sagt Ortega. Zum einen werden die Landwirte von steigender Nachfrage profitieren. „Der Effekt wird eine bedeutende Zunahme der Agrarproduktion sein”, ist er überzeugt. Das werde dazu führen, dass brachliegende Flächen wieder bewirtschaftet werden. „Auf der anderen Seite können Touristen die Insel und ihre Gastronomie ganz neu kennenlernen.”

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Nicht alle aber blicken so optimistisch in die Zukunft. Denn es gibt handfeste Zweifel daran, dass Mallorcas Landwirte überhaupt in der Lage sein werden, die steigende Nachfrage zu befriedigen. „Es gibt überhaupt nicht ausreichend lokale Produkte”, sagt etwa Alfonso Robledo, Vorsitzender des Gastronomenverbandes CAEB Restauració. Auf seine Branche habe die Neuregelung keine großen Auswirkungen, da die allermeisten Restaurants ohnehin längst viel mehr als drei Prozent Lebensmittel von der Insel einkaufen.

So ist das etwa im Restaurant Molí des Torrent in Santa Maria. Der Anteil lokaler Produkte sei dort traditionell hoch, sagt Inhaberin Herta Himbert. Kartoffeln, Oliven, saisonales Gemüse – all das stamme in der Regel von der Insel. „Geflügel kaufen wir bei Pep in Sa Cabaneta”, sagt sie. „Schon seit Jahren.” Es sei ihnen ein Anliegen, die Landwirte auf der Insel zu unterstützen.

Die sehen die Neuregelung naturgemäß positiv. „Ich gehe davon aus, dass die Nachfrage steigen wird”, sagt Joan Simonet, Vorsitzender des mallorquinischen Bauernverbandes. Drei bis fünf Prozent seien nicht viel und man habe sich eine höhere Quote gewünscht, es sei aber ein erster Schritt in die richtige Richtung. Seit vielen Jahren fordern Vertreter des Agrarsektors, dass die Tourismusbranche einen Beitrag zum Erhalt der Landwirtschaft leisten müsse. Schließlich sorge diese dafür, dass Mallorcas Kulturlandschaft – eine der bedeutendsten touristischen Attraktionen – bewahrt werde.

Zweifel, dass die Landwirte die steigende Nachfrage befriedigen können, hat er nicht. „Unsere Produktpalette ist ja sehr breit”, sagt Simonet. Die Hoteliers müssten künftig eben frühzeitig Verträge mit lokalen Produzenten abschließen, um dann in der Urlaubssaison ausreichend auf der Insel produzierte Lebensmittel geliefert zu bekommen. Auch im balearischen Landwirtschaftsministerium ist man diesbezüglich optimistisch. „Trotz aller Schwierigkeiten wächst das Produktionsvolumen des Agrarsektors von Jahr zu Jahr”, sagt Fernando Fernández, der zuständige Generaldirektor. Von 2020 auf 2021 etwa stieg der Wert der Gesamtproduktion um fast 35 Prozent auf mehr als 169 Millionen Euro.

Es ist hinlänglich bekannt, dass auf der Insel viel mehr Lebensmittel konsumiert werden, als die hiesigen Landwirte produzieren können – 85 Prozent kommen per Schiff vom Festland. Ein Beispiel: Auf der Insel werden jährlich etwas mehr als 12.000 Tonnen Obst produziert. Der Verbrauch liegt allerdings bei mehr als 100.000 Tonnen. Dennoch beteuert Generaldirektor Fernández, dass in einigen Bereichen schon jetzt ein bedeutender Teil der Nachfrage durch lokale Produkte gedeckt werden könne. So etwa beim Lammfleisch (77 Prozent), Milch (45 Prozent), Eiern (37 Prozent), Käse (35 Prozent), Rind- (34 Prozent) und Schweinefleisch (28 Prozent).

Joan Simonet vom Bauernverband erhofft sich durch die Neuerung nicht nur eine Stärkung des eigenen Sektors, sondern betont auch die Vorteile für die Tourismusbranche. „Die Hoteliers sollten das als Investition in das eigene Geschäftsmodell sehen”, sagt er. Schließlich leisteten sie so einen Beitrag zum Erhalt der Landschaft. „Außerdem sind lokale Produkte ein echter Mehrwert für die Gäste.”

Grundsätzlich sieht man das auch beim Hoteliersverband so. Man meine es ernst mit der Nachhaltigkeit und ohnehin arbeite man schon seit vielen Jahren eng zusammen mit Mallorcas Landwirten, so FEHM-Vize Aguiló. Wie groß der Anteil von Lebensmitteln aus lokaler Herstellung bisher ist in den Hotels der Insel, sei allerdings nicht zu beziffern. Es ist jedoch ein offenes Geheimnis, dass zumindest große All-Inklusive-Hotels sehr knapp kalkulieren und beim Einkauf genau auf den Preis achten. Dadurch scheiden eigentlich alle Produkte von der Insel aus.

Christophorus Heufken dagegen setzt in seinem Acht-Zimmer-Hotel in Artà bewusst auf typisch mallorquinische Lebensmittel. „Die Leute fragen danach”, sagt er. „Sie wollen probieren, was von der Insel kommt.” Also hat er mallorquinische Weine im Angebot, auch, wenn diese in der Regel etwas teurer sind, als vergleichbare vom Festland. Er könne die Kosten ohne Probleme an die Kunden weitergeben. „Meine Gäste sind bereit, dafür ein paar Euro mehr zu bezahlen”, sagt er.