Utz Claassen auf der Pressekonferenz nach der folgenreichen Verwaltungsratssitzung. | Foto: Ultima Hora

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Mallorca Magazin: In der Ultima Hora war zu lesen, dass die Abstimmung über die Absetzung von Biel Cerdà "spontan" beschlossen wurde. Anschließend stimmte Cerdà für Sie als neuen Präsidenten. Klingt unglaublich: War das so ungewöhnlich, wie es sich liest?

Utz Claassen: Sagen wir: Es war eine sehr bemerkenswerte Sitzung. Und das Ergebnis war genau so eindeutig, wie der Ablauf überraschend war. Es gab bei meiner Wahl zum Präsidenten keine einzige Gegenstimme. Zudem bin ich mit der dafür gesetzlich erforderlichen Zweidrittel-Mehrheit zum alleinvertretungsberechtigten Verwaltungsrat gewählt worden.

MM: Wie waren die Reaktionen auf der Insel und aus Deutschland?

Claassen: Die allermeisten Reaktionen, die mich persönlich erreichten, waren äußerst positiv und ermutigend. Gerade auf Mallorca. In Deutschland betrachtet man die Entwicklung ebenfalls mit großer Aufmerksamkeit. Es kommt schließlich nicht alle Tage vor, dass ein Ausländer in einem spanischen Klub zum Präsidenten gewählt wird. Und wenn es dann noch ein Deutscher auf Mallorca ist, können Sie sich das Echo vorstellen. Das ist für die Deutschen naturgemäß ebenso ungewöhnlich wie für die Mallorquiner.

MM: Ich erinnere mich aus früheren Gesprächen, dass Sie grundsätzlich am Präsidentenamt kein Interesse hatten, zumal Sie jetzt ja noch mehr im Fokus stehen. Einen Vorgeschmack gab es bereits beim Spiel Atlético Baleares - Real Mallorca II: Was hat den Ausschlag für Ihren Sinneswandel gegeben und wie lange gibt es von Ihrer Seite bereits diese Idee?

Claassen: Sie haben völlig recht. Ich habe das Präsidentenamt nicht angestrebt. Aber ich denke, es gibt niemanden, der bezweifeln würde, dass sich im Klub nach mehrjähriger sportlicher, finanzieller und emotionaler Talfahrt etwas ändern musste und muss. Am Freitag blieb am Ende nach Cerdàs Abwahl keine andere Lösung, als das Amt und damit die Verantwortung auch als Präsident zu übernehmen. Der werde ich mich jetzt mit Überzeugung und Tatkraft stellen.

MM: Außer Präsident sind Sie jetzt auch Hauptgeschäftsführer: Welche Position ist für Sie bedeutsamer?

Claassen: Auch wenn das Präsidentenamt viel mehr Aufmerksamkeit erzielt, ist das Amt als Consejero Delegado im Grunde noch wichtiger. Das ist nämlich nicht ein Hauptgeschäftsführer, sondern ein alleinvertretungsberechtigter Verwaltungsrat.

MM: Welche neuen Befugnisse haben Sie durch Ihre Doppelfunktion konkret im Verein?

Claassen: Der Präsident beruft die Sitzungen des Verwaltungsrates ein und leitet sie. Damit kommt ihm gerade in einer institutionell schwierigen Situation eine besonders wichtige Rolle zu. Ansonsten hat er selbstverständlich jede Menge repräsentative Aufgaben, nicht zuletzt bei den Spielen in der Präsidentenloge. Der Consejero Delegado agiert und entscheidet alleine und unabhängig, dabei hat er die gleichen Befugnisse wie der Verwaltungsrat insgesamt, der ihm die volle Entscheidungskompetenz übertragen hat. Beide Funktionen in Summe haben mehr Gestaltungskraft als ein deutscher Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzender zusammen.

MM: Beeinflussen die neuen Entwicklungen die geplante Kapitalerhöhung oder ist folgendes Szenario realistischer: Sie werden die Kapitalerhöhung leisten und ab dem 5. Januar auch Mehrheitseigner sein?

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Claassen: Ich bin sicher, dass die Kapitalerhöhung nichts an der neuen Entscheidungsstruktur ändern wird. Ich habe schon vor einiger Zeit erklärt, dass ich an der Kapitalerhöhung in vollem Umfang teilnehmen werde. Ansonsten warten wir mal ab, wer an ihr teilnimmt und wie die Aktionärsstruktur dann aussieht.

MM: Was wird sich im Klub in naher Zukunft ändern und vor allem: Wie gedenken Sie die Finanzen zu konsolidieren?

Claassen: Vor allem wird jetzt ernsthaft, strukturiert und professionell gearbeitet. Wir werden systematisch eine Baustelle nach der anderen angehen. Wie Sie wissen, gibt es davon jede Menge. Vor allem aber müssen wir den Fans zeigen, dass wir alles tun, was machbar ist, um den Klub wieder dahin zu führen, wo er hingehört, nämlich in die erste Liga. Zu den Finanzen kann ich jetzt nur so viel sagen: Mit der Kapitalerhöhung werden wir etwas Luft bekommen. Außerdem kann man ab jetzt wieder vernünftig und glaubwürdig mit Sponsoren und Investoren reden. Ich gehe davon aus, dass es in absehbarer Zeit die ersten positiven Veränderungen auch in diesem Bereich geben kann.

MM: Thema deutsche Spieler für Real Mallorca: Inwieweit können und werden Sie als Präsident künftig darauf hinwirken?

Claassen: Jeder Spieler muss vor allem gut für die Mannschaft sein, egal, woher er kommt. Deutsche und britische Spieler könnten außerdem helfen, Real Mallorca international interessant zu machen, vor allem für die vielen Millionen Touristen auf der Insel. Die Idee habe ich bereits vor vier Jahren geäußert, als wir in der ersten Liga waren. In der zweiten Liga ist die Sachlage zunächst etwas anders, da wir sportlich und finanziell andere Voraussetzungen haben. Aber wenn Sportdirektor Miguel Ángel Nadal einen interessanten deutschen Fußballer verpflichtete, wäre das für die Vermarktung sicher hilfreich. Das sieht er selbst genauso.

MM: Sportlich läuft es nach einem kurzen Hoch immer noch nicht. Sind Nadal und Karpin noch die Richtigen?

Claassen: Ich stehe mit Miguel Ángel Nadal in einem permanenten, intensiven Dialog. Er ist für mich die optimale Besetzung als Sportdirektor. Ich bin sehr froh, dass er dem Klub auf meinen Wunsch hin hilft. Nur durch sein Renommee und seine spontane Bereitschaft, uns zu unterstützen, konnten wir im Sommer noch rechtzeitig zum Ligastart eine Mannschaft zusammenstellen. Ich vertraue Miguel Ángel Nadal sehr, und zwar sowohl persönlich als auch professionell. Insofern ist für mich auch bei der Trainerfrage wichtig, wie er die Situation beurteilt. Dass Karpin ein guter Trainer ist, steht außer Zweifel.

MM: Bei Hannover 96 dauerte Ihre Amtszeit als Präsident 74 Tage. Was gibt Ihnen die Gewissheit, dass es auf Mallorca länger dauern wird?

Claassen: Zunächst einmal ist nicht die Dauer einer Amtszeit entscheidend, sondern das, was sie positiv bewirkt. Damals bei Hannover 96 war ich von vornherein als Feuerwehrmann angetreten, um den Klub vor dem Ende zu bewahren. Es wird oft vergessen, dass der Verein seinerzeit in der dritten Liga spielte und im Grunde pleite war. Die Rettung ist gelungen: Martin Kind übernahm und heute steht Hannover 96 blendend da. Mein Engagement bei Real Mallorca ist langfristig angelegt, wie ich bereits mehrfach betont habe. Ich glaube, das hat man in den vergangenen vier Jahren auch hinreichend erkennen können. Das große Potenzial ist unverändert da, auch wenn durch den Abstieg und das Missmanagement sehr viel Zeit verloren gegangen ist. Die Fans auf der schönsten Insel der Welt verdienen es, dass ihr Klub wieder in der besten Liga der Welt spielt.

Die Fragen stellte MM-Redakteur Thomas Zapp.

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(aus MM 52/2014)

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