Der 63-Jährige pendelt seit über zehn Jahren zwischen seinem Wohnsitz in Port d´Andratx und Deutschland hin und her. | Torsten Halm

TW
0

MM: Leo Messi ist mit Argentinien Fußball-Weltmeister geworden. Zu Recht?

Brüggemann: Messi hat seiner Karriere die Krone aufgesetzt, das Finale war grandios und eine Werbung für den Fußball, mit einem verdienten Sieger.

MM: Wie sieht Ihr Resümee der WM sportlich gesehen aus?

Brüggemann: Das Turnier hat gezeigt, dass ein aggressiver Offensivfußball, bei der die Defensive weit vorne steht, nicht mehr das Maß der Dinge ist. Frankreich, Brasilien und Argentinien haben gezeigt, dass über eine gesicherte Defensive und ein schnelles Umschaltspiel, erfolgreicher Fußball gespielt wird. Das ist eine alte Weisheit, die aber wieder in den Fokus gerückt ist.

MM: Trotz aller sportlichen Highlights hatte die WM insbesondere in Deutschland einen schalen Beigeschmack. War die Kritik berechtigt?

Brüggemann: Die große Kritik hätte vor zehn Jahren direkt nach der Vergabe der FIFA stattfinden müssen, und nicht kurz vor Beginn der Veranstaltung. Da wurde meiner Meinung nach sehr viel Doppelmoral gepredigt.

MM: Fans und Presse gingen mit der Leistung der DFB-Elf nach deren Ausscheiden hart ins Gericht. Ist die Nationalmannschaft wirklich so schlecht, wie die breite Öffentlichkeit behauptet?

Brüggemann: Erst einmal halte ich es für anmaßend, dass ein Großteil der Deutschen der Meinung ist, dass wir immer noch zur Weltspitze im Fußball zählen. Die Realität sieht anders aus, die Fußballwelt ist enger geworden. Zweitens bin ich der Meinung, dass die Leistung der Mannschaft keinesfalls so schlecht war, wie von den Medien dargestellt. Dass es letztendlich nicht mehr als für die Gruppenphase gereicht hat, muss man akzeptieren. Andere große Fußballnationen wie Brasilien und Spanien mussten auch vorzeitig ihre Koffer packen.

MM: Sie gehen in Ihrem Buch „Die Fußballblase” mit der gesamten Branche hart ins Gericht. Wie kam es dazu?

Brüggemann: Dass das Buch überhaupt existiert, ist der Corona-Pandemie und meiner Tochter zu verdanken. Die sagte irgendwann während der wochenlangen Ausgangssperre, die wir gemeinsam in unserem Haus verbrachten: „Papa, hör´ endlich auf herumzunerven, schreib´ lieber ein Buch!”. Das habe ich dann gemacht.

MM: Als Art Abrechnung mit der Branche, für die Sie selbst tätig sind?

Brüggemann: Das war nicht die Idee. Es gibt ja bereits viele gute Bücher über die Welt des Fußballs. Mit meinem will ich die Leser einfach mal hinter die Kulissen der weltweiten Milliardenbranche gucken lassen, erklären, wie Fußballvereine funktionieren, was alles hinter dem Business steckt. Dass dieses Business auch seine Schattenseiten hat, dass es um Macht und Intrigen geht, dass oftmals auch Korruption eine Rolle spielt, wollte ich auf den Seiten nicht auslassen.

Ähnliche Nachrichten

MM: In einem Kapitel geht es auch um „grenzwertige Steueroptimierungen” unter Top-Verdienern der Branche wie beispielsweise Leo Messi oder Cristiano Ronaldo. Handelt es sich bei ihnen also um Gesetztesbrecher?

Brüggemann: Sowohl Messi als auch Ronaldo sind in Spanien wegen verschiedener Steuervergehen vorbestraft. Dass sie nicht hinter Gitter sitzen, liegt an der, sagen wir einmal „gutmütigen” Rechtssprechung in diesem Land. Im Deutschland wären sie wegen gleicher Vergehen sehr wahrscheinlich im Gefängnis gelandet.

MM: Dass etliche Millionen verdienende Spitzensportler verklagt werden, weil sie ihr Vermögen nicht ordnungsgemäß versteuert haben, ist kein Einzelfall, wie man im jüngsten Fall von Boris Becker gesehen hat. Die Sportler selbst verteidigen sich vor Gericht in der Regel damit, dass sie von den vermeintlich illegalen Absichten ihrer Berater nichts gewusst hätten. Eigentlich doch nachvollziehbar, oder?

Brüggemann: Jein. Sicherlich wird Leo Messi weder die Muße noch die Zeit haben, stets einen detaillierten Überblick über seine Bilanzen zu haben. Dafür steht hinter ihm einer ganzer Beraterstab aus knallharten Geschäftsleuten, den es einzig und allein darum geht, die Vermögenswerte ihres Superstars ständig zu optimieren. Egal mit welchen Mitteln. Ich bin mir sicher, dass das auch Messi weiß. So dumm ist er nicht.

MM: Gemein gefragt – wie können Sie sich da so sicher sein?

Brüggemann: Wer heute noch glaubt, dass es sich bei Profifußballern, die auf Topniveau nur um Einfaltspinsel mit besonderem Talent und außergewöhnlicher Athletik handelt, irrt gewaltig. Fußballer besitzen eine außergewöhnliche Intelligenz, um sich die zusehends digital aufbereiteten Spieltechniken und Taktiken verstehen und aneignen zu können. Dumm ist keiner von denen.

MM: Werden die Fans nicht irgendwann einmal genug von dem ganzen Fußball-Business haben und das Milliardengeschäft wie bei einer Immobilienblase zum Platzen bringen?

Brüggemann: Fußball ist immer noch das größte Volkstheater der Welt, das wirklich alle sozialen Gesellschaftsschichten vor die Bühne lockt. Es wird die Herausforderung von Vereinen, Verbänden und Vermarktern sein, den Anreiz für alle diese Schichten auch in Zukunft aufrechtzuerhalten.

MM: Und wie sieht Ihre eigene Zukunft aus?

Brüggemann: Die liegt auf Mallorca. Ich komme seit über 20 Jahren auf die Insel und lebe hier zusammen mit meiner Frau mindestens acht Wochen im Jahr in Port d´Andratx. Mallorca ist mein Rückzugsort, hier tanke ich für meine Arbeit auf, hier fühlen wir uns wohl, haben viele Freunde, auch aus der deutschen Fußballszene.

MM: Klingt irgendwie danach, dass Sie irgendwann ganz auf die Insel siedeln?

Brüggemann: Ja, das ist mein Ziel. Die Lebensqualität ist auf Mallorca einfach sehr viel höher als in Deutschland. Vorerst werde ich aber weiter pendeln. Der Arbeit wegen.