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Francisco Marín, Präsident des Hotelverbandes an der Playa de Palma, bezieht Stellung zu den Licht- und Schattenseiten der Urlauberzone. Der Hoteldirektor, der selten ein Blatt vor den Mund nimmt, kritisiert die Korruption , das Hü und Hott der Politik, mangelnden Zusammenhalt der Unternehmer. Doch er sieht auch Hoffnung für die  Touristenmeile.

MM: Wir haben seit Juni eine neue Linksregierung auf Mallorca. Wird jetzt alles besser an der Playa de Palma?

Francisco Marín: Wir haben noch keine Veränderung festgestellt, einfach deshalb, weil bisher noch nichts geschehen ist.

MM: Was ist mit den Benimmregeln für zivilisiertes Verhalten, die noch von der konservativen Vorgängerregierung 2014 eingeführt worden waren?

Marín: Die Regeln waren damals ohne Konsens der Linksparteien verabschiedet worden. Letztere hatten im Wahlkampf angekündigt, die "Ordenanza Cívica" wieder abzuschaffen. Noch sind die Regeln in Kraft, aber es wird nicht auf ihre Einhaltung gepocht.

MM: Das heißt?

Marín: Es geht an der Playa de Palma so schlecht zu wie vor der Verabschiedung der Benimmregeln. Sie sind ohne jede Wirkung.

MM: Hatten die Benimmregeln zwischendurch etwas gebracht?

Marín: Sie sollten die Kleinkriminalität und die Auswirkungen des nächtlichen Sauftourismus zurückdrängen. Was heißt nächtlich? Hier geht das ja schon um 11 Uhr morgens los. Über die Benimmregeln wurde damals viel informiert, aber es wurden nur wenige Geldbußen erhoben. Eigentlich hätte erst diesen Sommer die Umsetzung starten sollen, was nun nicht der Fall ist. Im Gegensatz zu Palma hat man in Calvià die Sache ernster genommen, um Magaluf zu regulieren.

MM: Aber die Playa hat doch längst nicht so einen schlechten Ruf wie die dortige Punta-Ballena-Zone? Zumindest gibt es hier kein "Mamading": Skandalvideos von Oralverkehr-Spielchen mit alkoholischen Getränken als Gewinn ...

Marín: Dass etwas nicht im Internet verbreitet wird, heißt nicht, dass es nicht stattfindet. Im Nachtleben an der Playa stehen junge Deutsche und Niederländer dem Treiben der Briten in Magaluf in nichts nach.

MM: Im Zuge der Benimmregeln hat man aber durchaus Trinkeimer beschlagnahmt ...

Marín: Das waren erste Schritte, die auf eine Besserung abzielten.

MM: Wie lautet die Forderung Ihres Hotelverbandes?

Marín: Wenn die Regeln in Kraft sind, dann sollen sie auch umgesetzt werden.

MM: Aber die neue Regierung will sie doch abschaffen?

Marín: Das ist davon abhängig, was man für die Playa de Palma erreichen möchte. Wenn sie so bleiben soll, wie sie war, dann kann man die Ordenanza Cívica getrost vergessen.

MM: Sie wollen also, dass die Benimmregeln vollständig beibehalten werden?

Marín: Das ist der einzige Weg, um das Image der Playa zu verbessern. Es gibt keine andere Lösung. Entweder man setzt der Kleinkriminalität Grenzen und zivilisiert den hiesigen Partytourismus, oder wir werden alle zusammen ein schlechtes Ende nehmen.

MM: Apropos Kriminalität, der im Januar bekannt gewordene Skandal, dass Beamte der Lokalpolizei an der Playa befreundete Unternehmen weniger streng kontrollierten als deren Konkurrenten - war davon im Vorfeld nichts zu spüren?

Marín: Das ist ein historisches Problem, für das nie eine Lösung gefunden wurde. Es gab nur Flickwerk. Die Vorwürfe, die jetzt bekannt wurden, sind keine Neuigkeit und mehr als erwiesen.

MM: Warum haben Sie auf die Zustände nicht schon vor Jahren hingewiesen?

Marín: Das wurde versucht, in Sitzungen mit früheren Bürgermeistern. Aber die Modernisierungsversuche haben nichts gebracht. Das interne Niveau der Lokalpolizei war stets desaströs.

MM: Wie sehen Sie die laufenden Ermittlungen zum Polizeiskandal?

Marín: Es freut mich, dass die Staatsanwaltschaft tätig geworden ist. Aber das ist keine Garantie, dass die Polizeiarbeit von nun an außergewöhnlich gut sein wird. Schlechte Gewohnheiten lassen sich nur schwer abstellen.

MM: Ist die Playa de Palma für Touristen ein sicherer Ort?

Marín: Der Ort ist sicher, wenn man etwa am Strand auf seine Wertgegenstände aufpasst. Wer nachts um drei oder vier betrunken aus der Diskothek wankt, hat gute Chancen um seine Geldbörse gebracht zu werden. Die Playa ist ein sicherer Ort, wenn man acht gibt. Wer glaubt, hier herrsche absolute Sicherheit, der hat verloren.

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MM: Was treiben die ansässigen Hütchenspieler so?

Marín: Die Lage hat sich verschlechtert. Die Platzverweise, die es im vergangenen Jahr gab, waren - zu meinem Unverständnis - offenbar nur temporär und wurden nicht erneuert. Also sind die Banden wieder da.

MM: Und die sogenannten Klauhuren aus Afrika?

Marín: Ihre Anzahl ist gesunken, wird aber wieder steigen, wenn die Delikte nicht verfolgt werden.

MM: ... die Straßenhändler?

Marín: Auf Vorjahresniveau. Sie sind eine Belästigung, zahlen keine Steuern und Abgaben.

MM: ... die Taschendiebe?

Marín: Deren Geschäft läuft. Es hat bislang keine Lösungen zu diesem Problemen gegeben.

MM: Wenn es stimmt, das Teile der Polizei gekauft waren, warum bestand dann kein Interesse daran, für mehr Sicherheit zu sorgen?

Marín: Dinge, die man weiß, sind nicht auch unbedingt Dinge, die sich beweisen lassen; es sei denn, ein Staatsanwalt beginnt Ermittlungen anzustellen und Beweise zu sammeln. In unserer Zivilgesellschaft läuft das so: Solange niemand auf frischer Tat ertappt wird, ist es sehr schwierig, Beweise zu erbringen.

MM: Wer hat so lange versagt: die Justiz, die Polizei, die Politik?

Marín: Es gibt den einzelnen Verantwortlichen. Letztlich sind wir alle verantwortlich für das schlechte Image der Playa.

MM: Ihr Hotelverband hat aber seit Jahren immer wieder auf die Mängel hingewiesen.

Marín: Es geht einen Schritt vor, zwei zurück. Es ist zum Verzweifeln.

MM: Warum tut sich der Hotelverband nicht zusammen mit anderen Organisation, um die Playa zu verbessern?

Marín: Es ist kein kollektives Interesse vorhanden, die Übel auszumerzen. Nehmen Sie die Anwohnervereine: Es gibt hier vier verschiedene. Bei den Treffen kommen keine 50 Menschen zusammen; und das bei 30.000 Einwohnern. Oder nehmen Sie die Händler. Sie schimpfen, mehr nicht. Es gibt kein aktives Vorgehen. Das Prinzip der Partizipation, des Mitgestaltens, ist nicht sehr ausgeprägt. Und es gibt Freizeitunternehmen an der Playa, denen passt das gut ins Konzept. So lange sie Gewinn machen, sehen sie wenig Anlass dafür, dass sich die Dinge ändern sollten.

MM: Gespaltene Unternehmerschaft - das klingt alles sehr negativ. Gibt es keine positiven Nachrichten?

Marín: Doch. Ungeachtet aller Übel weist die Playa de Palma im Vergleich zu anderen Urlaubsregionen eine Reihe von Vorzügen auf, die verhindert haben, dass wir im totalen Desaster landeten: Der Airport liegt vor der Haustür, die Flugzeiten sind kurz, dauern kaum mehr als zwei Stunden, die Altstadt von Palma ist ein Mehrwert. Sie lässt sich dank eines passabel funktionierenden Nahverkehrs besuchen. Das alles hat dazu geführt, dass eine Reihe von Hoteliers die Anreize der Modernisierungsmaßnahmen der Vorgängerregierung nutzten und ungeachtet aller Nachteile hier viel Geld in ihre Unterkünfte investierten.

MM: Wie hat sich dadurch die Hotellandschaft verändert?

Marín: Im vergangenen Winter konnten 14 Hotels nach umfassenden Sanierungen ihre Sternenkategorie anheben; im Winter davor waren es elf. Wir haben jetzt mehr Vier- als Drei-Sterne-Hotels. 2016 kommen zwei Neubauten mit jeweils fünf Sternen hinzu.

MM: Werden diese Maßnahmen die Playa retten?

Marín: Das ist positiv und hilft. Aber das alleine reicht nicht. Die öffentliche Hand muss endlich ihre Hausaufgaben machen und kräftig investieren, in Straßen, Grünzonen, Infrastrukturen. Was bringt es, wenn Edelhotels mit bestem Service entstehen, und der Gast tritt auf die Straße und erblickt eine schäbige Batterie von Müllbehältern?

MM: Der Abschnitt der zweiten Linie, der vor zehn Jahren verschönert wurde, sieht schlimm aus, das Pflaster ist nur noch Stückwerk ...

Marín: Die Politik agiert bei uns nicht mit Weitsicht. Dieser Abschnitt sollte einst ein Boulevard werden, mit wenig Verkehr. Tatsächlich rollen täglich schwere Busse und Laster über ihn. Er war nie ein Boulevard. Man hat vollkommen falsches Pflaster verwendet.

MM: Die Urlaubersteuer, die kommen soll, freut Sie sicher ganz besonders?

Marín: Nein, ganz und gar nicht! Wir verlieren dadurch an Wettbewerbsfähigkeit. Zu sagen, Barcelona hat eine solche Abgabe, bringt nichts. Barcelona ist ein Ganzjahresziel mit hoher Hotelauslastung. Bei uns herrscht nur von Mai bis Oktober Betrieb. Hier den Tourismus mit weiteren Abgaben zu belasten, ist alles andere als eine gute Lösung.

Mit Francisco Marín sprach Alexander Sepasgosarian.

(aus MM 35/2015)