Urlauber schwimmen in der blauen Grotte.

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Wer im Süden Mallorcas wohnt, oder dort Urlaub macht, kann sie bei guten Sichtverhältnissen mit bloßem Auge erkennen: die Insel Cabrera. Diese rund 13 Kilometer vor Mallorcas Küste liegende Felseninsel misst rund 16 Quadratkilometer. Das entspricht ungefähr der Fläche von 2300 Fußballfeldern, wobei die Insel im Vergleich mit den gepflegten Sportstätten eher wie ein grün-brauner Fleckenteppich daher-kommt.

Obwohl ihr Name übersetzt „Ziegeninsel” bedeutet, gibt es dort seit vielen Jahren kein Exemplar der Paarhufer mehr. Sie würden das sensible Ökosystem gefährden und sind deshalb nach Mallorca umgesiedelt worden. Allerdings tummeln sich nach Schätzungen der Universität Salamanca aus dem Jahr 2018, rund 760.000 kleine Balearen-Eidechsen auf Cabrera. Für das Besucher-Auge gibt es neben den kleinen und großen Tierchen, die Überreste eines alten Festungsturms zum Schutz vor Piraten aus dem 14. Jahrhundert, sowie einen Leuchtturm, eine Herberge, einen Seemannsfriedhof, ein Kriegsgefangenendenkmal und ein Museum zu bestaunen.

An diesem Ort der Inselgeschichte erfahren die neugierigen Besucher, dass Cabrera vor 212 Jahren einem anderen Zweck diente. 1809 wurde die Insel genutzt, um französische Kriegsgefangene zu beherbergen. Der mallorquinische Schriftsteller Baltasar Porcel hat Cabrera einmal als „das erste Konzentrationslager der Menschheit” bezeichnet. Tausende Männer und auch einige Frauen mussten damals bis zu fünf Jahre auf der Felseninsel aushalten. Zeitgenössischen Berichten zufolge starben an Hunger, Durst und mangelhaften hygienischen Verhältnissen zeitweilig 80 bis 300 Menschen am Tag.

Die Steilküsten, die für die damaligen Gefangenen unüberwindbar schienen, weisen heute in Richtung der wahren Schätze der Ziegeninsel. Wer einmal mit Tauchermaske und Schnorchel bewaffnet in das kristallklare Wasser getaucht ist, ist augenblicklich fasziniert von der Vielfalt und Schönheit rund um das Eiland. Cabrera bietet eine unglaubliche Diversität und ist nicht zuletzt deswegen 1991 zum ersten Nationalpark Spaniens gekürt worden, der sowohl Land als auch Wasser umfasst. Seit der Ausweitung des Gebietes im Jahr 2019 auf 90.800 Hektar ist der Nationalpark außerdem der größte nicht nur in Spanien, sondern im gesamten Mittelmeerraum.

Wissenschaftler haben dort im selben Jahr Exemplare der großen Steckmuschel entdeckt. Diese Art gilt an allen spanischen Küsten als äußerst selten und bedroht. Um Cabrera tummeln sich weit über 4000 Fisch-, Krebstier-, Muschel- und Wasserpflanzenarten. Besonders das Neptungras wächst in großen, sich in der Strömung wiegenden, Unterwasserwiesen rund um die Insel. Dieses, auch Posidonia genannte Seegras, ist eine wichtige Grundlage des maritimen Ökosystems. Während das Seegras vor allem durch die Anker der falsch geparkten Yachten zerstört wird, kämpfen die anderen Meeresbewohner vor Cabrera mit Plastikmüll. Erst vor wenigen Wochen hat eine Umweltorganisation 400 Kilo Plastik an den Stränden der Insel aufgesammelt. Einmal vom Strand ins Meer gelangt, wird das Plastik durch Abrieb zu Mikroplastik und damit Teil der Nahrungskette.

Die wohl bekannteste Attraktion der Insel ist die blaue Grotte. Ein Schokoriegel-Hersteller warb in den 90er Jahren mal mit dem Slogan: „Die wahrscheinlich längste Praline der Welt.“ Ein Slogan für die Höhle vor Cabrera könnte sein: „Das wahrscheinlich blauste Blau des Mittelmeers.“ (man)