Mit seinen Kunstwerken veredelte Gustavo den Uferbereich und den Hafen.

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Wenn ein Stein vom Herzen fällt, dann hört man dieses Geräusch nicht, vernimmt es aber intensiv. Dass Cala Rajada, wo man vor der Corona-Pandemie mitunter von einem großen Unbehagen gepackt, einen zweiten Ballermann hervordämmern sah, von der Exzess-Klientel weitgehend verschont wird, ist sicherlich einer Tatsache zu verdanken: Das 6432-Einwohner-Örtchen, in das früher Polit-Flüchtlinge aus dem Nazireich ein verlorenes Dasein gefristet hatten, ist auf der Insel so weit vom Schuss wie kein anderes Dorf. Über 80 Kilometer muss man von Palma fahren, bis man dort recht ausgepowert ankommt ...

Die baulichen Maßnahmen in den vergangenen Jahren taten wohl ihr Übriges, um den im äußersten Nordosten befindlichen Hafenort für ein anspruchsvolleres Publikum interessant zu machen. Die Hafenschutzmauer, die früher von Winterstürmen immer mal wieder durchlöchert und sonst wie ramponiert wurde, wirkt inzwischen fast wie eine Open-Air-Puppenstube: Palmenartige Gewächse bedecken neben Kachelkunstwerken von MM-Freund Gustavo zum Teil die mausgraue, aber jetzt sturmresistente Außenmauer. Tobias Holzer aus München, der auf Mallorca mit seiner Familie gerade den wohlverdienten Urlaub verbringt, ist hin und weg: „ Ja mei , früher sah das ja so furchtbar aus”, sagt der Bayer. „Aber jetzt ist alles so fesch hier, so ungeheuer fesch.”

Die Promenade, deren langwieriger Umbau Anwohner und Gewerbetreibende zeitweise zur Weißglut getrieben hatte, veredelt nun das Ferien-Feeling. Auf den Terrassen etlicher Lokale vermag eingängige Chillmusik, den Blick aufs ungewöhnlich kobaltblaue Meer noch sinnenfroher zu genießen. Die Promenade ist der Treffpunkt schicker Menschen unterschiedlicher Altersklassen, die beim Aperol-Spritz oder einem handelsüblichen San-Miguel-Bier extrovertiert ihre neuen Sommerkleider und -schuhe zeigen. In Oh-là-là-Lokalen wie Noahs oder Pasta Pasta kann man sich wohlbeschattet die am Ufer defilierenden Touristen internationaler Herkunft ansehen. Auch die Bar Tiki Beach, wo Goodbye-Deutschland-Auswanderin Peggy Jerofke die Befehlsgewalt innehat, gehört mittlerweile zur Crème de la Crème der Promenaden-Hotspots. Auffallend viele blonde Bundesbürgerinnen, die Ähnlichkeit mit Jerofke haben, sitzen dort bei der MM-Ortsbegehung, einige blicken mit geweiteten Augen aufs Meer. „Ich find’s so toll, dass Peggy im Fernsehen so nen Erfolg hat”, begründet eine etwa 40-jährige Besucherin ihre Zuneigung für das Tiki Beach. Auch die zweite und dritte Reihe der Rajada-Lokale ist nicht von schlechten Eltern: Im Baviera-Biergarten etwa spürt man beim Gerstensaft-Genuss rustikale Gemütlichkeit. Und im Rincón de Juan im Carrer Castellet lebt sich bei intensivem Krakeelen das Urspanisch-Kreatürliche, ja Rassige aus – bei Bier, „Pimientos de Padrón” und mehr...

Dass viele wohlsituierte Urlauber auf Cala Rajada abfahren, liegt vor allem an den mehr als vorzeigbaren Stränden Son Moll und Cala Agulla. Auch die kleine Cala Gat, zu der man auf einer runderneuerten, nicht von Graffiti-Hooligans verunstalteten Promenade gelangt, tut ihr Übriges zur Verschönerung des Images. Die drei Strände sind dieser Tage zwar voll bis übervoll, doch jeder sandvernarrte Gast scheint ein Plätzchen zu finden.

Zwar finden sich in Cala Rajada hier und dort noch verkommene Ecken wie etwa ein in die Jahre gekommenes Betonskelett eines Wohnhauses, doch insgesamt wirkt der Ort aufgeräumt und schick. Zwar bewegen sich ab und zu auch hier Gruppen junger deutscher Männer kurzbehost durch die Straßen, doch vergleichbar mit dem schmutzigen und sonst wie verlotterten Ballermann ist das nicht. Aus der Asche, die die Pandemie hinterlassen hat, ist etwas durchaus Properes gewachsen, das Spitzen-Destinationen wie Port d’Andratx oder Port de Pollença in kaum etwas nachsteht.