Inselratsdirektorin Susanna Sciacovelli | Ultima Hora

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Susanna Sciacovelli ist so etwas wie ein Tourismus-Urgestein auf Mallorca. Bereits vor fast 20 Jahren agierte die in den Niederlanden aufgewachsene Italienerin als Leiterin der balearischen Tourismusbehörde, wurde später Managerin bei Air Berlin in Rom und Berlin und half als Generaldirektorin bei IAG dabei, den spanische Billigflieger Vueling groß zu machen. Seit Mitte 2023 ist sie Inselratsdirektorin für touristische Nachfrage und Hospitality und stellvertretende Geschäftsführerin der für die Tourismusförderung zuständigen Fundació Mallorca Turisme. Vor ihrem ersten ITB-Besuch in dieser neuen Rolle hat sie mit MM gesprochen.

Mallorca Magazin: Frau Sciacovelli, Sie sind ja so etwas wie ein Tourismus-Urgestein. Dieses Jahr sind Sie erstmals als Inselratsdirektorin für touristische Nachfrage und Hospitality bei der ITB. Mit welchen Gefühlen?

Susanna Sciacovelli: Mit viel Lust und Freude! Deutschland ist und bleibt der wichtigste Quellmarkt für Mallorca, den ich durch meine berufliche Vergangenheit gut kenne. Alleine im vergangenen Jahr hatten wir 4,2 Millionen deutsche Urlauber auf der Insel, fast acht Prozent mehr als im Vorjahr. Auf der Messe in Berlin können wir die guten Beziehungen vertiefen. Und der Zeitpunkt – Anfang März – ist gut, denn die Deutschen buchen ihren Urlaub gerne zeitig. Die meisten Bundesbürger wissen schon im Januar, wohin sie in Urlaub fahren wollen …

MM: … und Mallorca steht besonders hoch im Kurs. Salopp gesagt: Die Insel ist bei den Deutschen nicht „totzukriegen”. Wie erklären Sie sich den Erfolg Mallorcas trotz deutlich gestiegener Preise?

Sciacovelli: Die durchschnittlichen Tagesausgaben der Urlauber sind von 2022 auf 2023 um 22 Prozent gestiegen, da haben Sie recht. Die Deutschen sind offenbar bereit dazu, höhere Preise für die Insel zu bezahlen. Warum? Weil sie sich auf Mallorca zu Hause fühlen, oft gute Kontakte auch zu Einheimischen pflegen, die Märkte lieben, die Gastronomie, die Kultur. Und: Die Insel spricht alle an: Sportler, Kulturfreunde, Genießer, Sonnenanbeter – und jüngst auch viele sogenannte “Premium”-Urlauber, also Touristen des hochpreisigen Segments.

MM: Die Vorgängerregierung sprach hierbei immer von „Qualitätsurlaubern”, vermeiden Sie das Wort bewusst?

Sciacovelli: Ja, das tue ich. Es gefällt mir nicht, weil es Schubladendenken fördert. Wenn eine Gruppe als Qualitätstouristen bezeichnet wird, indiziert dies, dass alle Urlauber, die nicht zu dieser Gruppe gehören, weniger Qualität haben. Für uns sind aber alle auf der Insel willkommen.

MM: Bleibt die Saisonentzerrung das erklärte Ziel der Tourismuspolitik des Inselrats?

Sciacovelli: Ich denke, das Ganze funktioniert schon recht gut. Viele Urlauber, vor allem Deutsche, genießen die Insel mittlerweile auch in der Nebensaison. Die Flieger von und nach Mallorca sind auch im November oder im Februar voll. Das freut uns. Es ist ja auch kein Wunder, wenn man das Wetter zu dieser Jahreszeit in Deutschland mit dem Winterwetter auf Mallorca vergleicht. Im Sommer wird die Insel ohnehin immer funktionieren, deshalb müssen wir auch keine explizite Werbung mehr für Urlaub auf Mallorca machen.

MM: Aber die Fundació Mallorca Turisme ist doch eigentlich genau hierfür zuständig. Urlaub auf Mallorca zu bewerben und den Tourismus zu fördern. Worauf konzentriert sich ihre Arbeit denn dann?

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Sciacovelli: Hauptziel dieser Legislaturperiode, die noch bis 2027 dauert, ist, Mallorca zu einem nachhaltigeren Reiseziel zu machen, an dem Urlauber und Residenten in Einklang zusammenwirken und agieren. Wir haben deshalb das „Mallorca Pledge” („Mallorca-Versprechen”, Anm. d. Red.) entwickelt. Eine Initiative, mit der wir Besucher der Insel dafür sensibilisieren wollen, pfleglich mit dem Reiseziel Mallorca umzugehen.

MM: Das funktioniert wie?

Sciacovelli: Wir nutzen digitale und analoge Wege, um die Inhalte auszuspielen. Dies beinhaltet Kampagnen in den sozialen Netzwerken, aber auch über die Hotels oder Airlines. Die Besucher sollen vor, während und nach der Anreise darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Ressourcen auf Mallorca knapp und das ökologische Gleichgewicht fragil ist. Und sie werden zum Mitmachen eingeladen, zum Beispiel in Bezug auf das Sparen von Wasser, die Mülltrennung und Recycling. Darin sind die Deutschen ja ohnehin Vorreiter.

MM: Das mag bei „normalen” Urlaubern gelingen, aber glauben Sie, dass Sie mit solchen Nachrichten auch bei Sauftouristen durchdringen. Wie wollen Sie diese Exzesse bekämpfen?

Sciacovelli: Ja, das glaube ich. Wenn Urlauber die entsprechenden Botschaften oft genug hören, verfangen sie irgendwann. Nur hat das bisher niemand gemacht. Wir sind die ersten, die eine solch umfangreiche Kampagne ins Leben gerufen haben. Es soll niemandem verboten werden, Spaß zu haben. Aber innerhalb der Grenzen des guten Geschmacks.

MM: Haben die Besucherzahlen auf Mallorca nicht längst die Grenzen des Erträglichen erreicht?

Sciacovelli: Welches Reiseziel hat nicht mit Massifizierung zu kämpfen? Das ist ja kein Problem, dass es nur auf Mallorca gibt. Wir sind uns durchaus bewusst, dass die Insel kein Nachfrage-Problem hat. Deshalb ist die große Frage für uns: Wie können wir das Zusammenleben zwischen Einheimischen und der großen Zahl an Urlaubern steuern und nachhaltig gestalten. Darum geht es mir.

MM: Und dennoch werben Sie um neue Märkte wie den Amerikanischen ...

Sciacovelli: Ja, wir müssen uns neuen Märkten öffnen und investieren darin. Die Amerikaner entdecken die Insel gerade erst, wir bringen sie ihnen näher. Wir sind auch in Kontakt mit Fluggesellschaften, um mögliche neue Direktflüge einzurichten. Dass sich diese rentieren können, hat die exzellent ausgelastete Direkt-Verbindung zwischen New York und Palma gezeigt. Ein weiterer möglicher Markt, dem wir uns öffnen wollen, ist der asiatische. Hier vor allem über das Drehkreuz in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Das Interview führte Patrick Czelinski