Die Fluggesellschaft Ryanair hat ihre Boarding-Methode vor einigen Monaten umgestellt.

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Wer viel fliegt, kennt das nur allzu gut: Gedrängel und sinnloses Warten am Flugsteig. Gedrängel und sinnloses Warten im "Finger". Gedrängel und sinnloses Warten im Flugzeuggang. Kurzum: Bis jeder an seinem Platz sitzt, vergeht meist endlos viel Zeit.

Der Eindruck drängt sich auf, dass die Fluggesellschaften nicht gerade viel dafür tun, das sogenannte "Boarding", das Einsteigen der Passagiere, zu vereinfachen und zu beschleunigen. Im Gegenteil: Seit die Gepäckregelungen immer strenger werden und immer mehr Leute nur noch mit Handgepäck reisen, wird das Vorspiel zum eigentlichen Flug mehr und mehr zur ermüdenden Angelegenheit.

Die gängige Methode, wie die Passagiere an ihre Sitzplätze gelangen, ist derzeit das Gruppen-Boarding. In der Regel wird dabei die Maschine in hinten und vorne unterteilt. Wer hinten sitzt, gehört zur Gruppe B, wer vorne sitzt, gehört zur Gruppe A. Gruppe B steigt zuerst ein.

Der Vorteil: Zumindest die Passagiere aus dem hinteren Teil der Maschine und die aus dem vorderen kommen sich beim Einsteigen nicht in die Quere. Der Nachteil: Es gibt trotzdem reichlich Gedrängel und Herumstehen.

Tatsächlich gehört diese Methode zu den am wenigsten effektiven. Das haben Tests und Studien bewiesen. Der US-amerikanische Physiker Jason Steffen etwa veröffentlichte im Jahr 2011 eine Untersuchung, in der er zu dem Schluss kam, dass es andere, deutlich schnellere Boarding-Strategien gibt.

Sogar die Zufallsmethode schneidet besser ab: Bei dieser steigen alle Passagiere in zufälliger Reihenfolge ein. Selbst in diesem Fall verteilen sich die Passagiere offenbar besser über das Flugzeug und kommen sich weniger in die Quere als beim Gruppen-Boarding.

Die Zufallsmethode kommt seit einigen Monaten bei Ryanair zum Einsatz. Zuvor gab es bei der irischen Fluggesellschaft freie Platzwahl - eine noch effektivere Methode. Denn sie hat folgenden Vorteil: Geht es mal nicht voran, weil der Gang blockiert ist, können sich die Nachfolgenden einfach dort hinsetzen, wo sie gerade stehen.

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Bei Ryanair erklärt man die Änderung folgendermaßen: "Wir haben auf unsere Kunden gehört und wissen, dass dies eine der Verbesserungen war, die sie von uns erwartet haben. Wir wollen, dass unsere Passagiere den Flug noch mehr genießen." Ein Nachteil der freien Platzwahl ist sicherlich, dass Personen, die gemeinsam reisen, häufig keine nebeneinanderliegenden Sitzplätze mehr bekommen.

Als eine der effektivsten Boarding-Methoden hat sich die sogenannte Außen-Innen-Methode herausgestellt. Dabei steigen zuerst alle Passagiere ein, die am Fenster sitzen, dann alle, die einen Platz in der Mitte einer Sitzreihe haben und schließlich die, die am Gang sitzen.

Auf diese Weise wird das Einsteigeprozedere entzerrt. Außerdem muss niemand, der am Gang bereits Platz genommen hat, wieder aufstehen, um andere Reisende durchzulassen. Bei Air Berlin prüft man offenbar, ob diese Methode sinnvoll ist. "Sie wird derzeit hinsichtlich Umsetzbarkeit und Effizienz intern bewertet", teilt eine Unternehmenssprecherin mit.

Die effektivste Methode aber ist noch eine andere (siehe Grafik). Sie ähnelt der Außen-Innen-Methode und wurde von Jason Steffen entwickelt. Auch hier steigen zuerst die Passagiere ein, die einen Fensterplatz haben, allerdings zunächst die auf der einen Flugzeugseite und obendrein von hinten nach vorne, Reihe für Reihe, und im Idealfall sogar zuerst die Passagiere der ungeraden Sitzreihen, dann die der geraden Sitzreihen.

Nach dem selben Prinzip folgen dann die Passagiere mit den Mittelplätzen und die mit den Gangplätzen. Klingt zwar kompliziert, war in Tests aber die mit Abstand schnellste Methode, sämtliche Passagiere ins Flugzeug zu verfrachten.

Bleibt die Frage, weshalb die Fluggesellschaften ihre Kunden lieber länger warten lassen, anstatt das Boarding so effizient wie möglich zu gestalten. Eine mögliche Erklärung ist, dass die Airlines kein gesteigertes Interesse daran haben, den Einsteigeprozess zu verkürzen.

Denn wer sollte dann noch dafür zahlen, beim Boarding bevorzugt behandelt zu werden? Schließlich ist es kein Geheimnis, dass dies längst eine neue, willkommene Einnahmequelle für viele Fluggesellschaften geworden ist.

(aus MM 49/2014)