"Gestorías" sind dazu da, Unbedarfte durch den spanischen Behördendschungel zu führen. | Archiv

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Es gibt Wörter im Spanischen, die sind gar nicht so einfach zu übersetzen. „Gestoría” gehört dazu. „Eine Gestoría ist ein Service-Büro. Ein Vermittler zwischen einer Privatperson und den Ämtern sowie Behörden”, sagt Yvonne Plattes, Geschäftsführerin von European-Accounting in Palma. Auswanderungsberaterin Doris Kirch formuliert es so: „Es ist eine Art Schreib- und Steuerbüro. Die Übersetzung ist schwierig, weil es das Dienstleistungsspektrum so in Deutschland nicht gibt.”

Eine Gestoría ist aus dem mallorquinischen Alltag nicht wegzudenken. Es gibt Anbieter, die erledigen eigentlich alle Behördengänge für ihre Kunden von der Ausländerbehörde bis zum Finanzamt. Andere haben sich auf steuerliche Aspekte spezialisiert und wieder andere bieten eine besondere Dienstleistung an, wie zum Beispiel Autos umzumelden. Doris Kirch beispielsweise hilft ihren Kunden unter anderem die NIE-Nummer oder Residencia zu besorgen. European-Accounting wiederum verspricht den Rundum-Sorglos-Service und kümmert sich um die verschiedensten Angelegenheiten rund um Immobilien-, Anwalts-, Steuer- und Behördenfragen.

Früher oder später beauftragen (fast) alle Residenten eine Gestoría. „Entweder, weil sie keine Zeit für die Erledigungen haben oder weil sie nicht wissen, wie es geht”, sagt Yvonnes Plattes. Vor allem Selbstständigen, die viel Papierkram zu erledigen haben, nimmt so ein Service-Büro Arbeit ab. „Natürlich kann man auch jeden Amtsgang selber machen”, fügt sie an. Sie kenne Kunden, die einmal selbst beim Finanzamt die Unterlagen eingereicht haben und diese Aufgabe seitdem mit Erleichterung der Gestoría überlassen, beispielsweise weil sie lange warten mussten oder die Mitarbeiter nur die Unterlagen entgegennahmen, aber keine Fragen beantworteten.

Die Vorteile beim Profi: „Eine gute Gestoría denkt mit und hält die Abgabefristen ein, da ist viel Fleißarbeit”, so die Geschäftsführerin von European-Accounting. Im Gegenzug muss der Kunde dann allerdings „auch die Hosen herunterlassen.” Die Mitarbeiter sind zur Verschwiegenheit verpflichtet, doch wenn der Kunde Lebensumstände oder Vermögen verschweigt, die zum Beispiel bei einer Steuererklärung wichtig sind, kann der beste Dienstleister seine Arbeit nicht ordentlich machen. „Die Behörden sind gut und clever organisiert”, sagt die Expertin. Tricksereien und falsche Angaben fallen ihnen durchaus auf.

In einer Gestoría arbeiten Menschen mit verschiedenen Berufsbildern, das reicht vom Juristen bis zum Buchhalter. Aber auch Quereinsteiger sind in den Büros beschäftigt. Natürlich gibt es auch in dieser Branche schwarze Schafe. Geht bei einem eine Angelegenheit schief, oder wird eine Abgabefrist versäumt, steht der Bürger in der Verantwortung. „Das Finanzamt kommt immer auf den Steuerpflichtigen zu”, erklärt Yvonne Plattes. Das kann passieren, wenn Nach- oder Strafzahlungen fällig werden. War eine Gestoría aktiv, müssen Kunde und Service-Büro klären, wer den Fehler begangen hat und eventuell kommt dann der Profi für den Schaden auf. Das hängt vom Vertrag ab, den Kunde und Gestoría miteinander geschlossen haben. „Schlechter Rat kann in solchen Angelegenheiten teuer werden”, betont Yvonne Plattes.

Doris Kirch rät, bei den verschiedenen Anbietern die Preise zu vergleichen. Wichtig sei, der Gestoría mitzuteilen, welche Dienstleistung man benötigt und welchen Umfang diese haben soll. „Es ist ein Unterschied, ob man der Getoría am Quartalsende zehn oder 500 Rechnungen vorlegt”, betont die Auswanderungsberaterin. Selbstständige müssen in Spanien quartalsweise abrechnen, diese Aufgabe geben viele an einen Dienstleister ab. Bei der Suche nach einer passenden Gestoría muss auch beachtet werden, ob spanische und ausländische Angelegenheiten betroffen werden. Wer eine Firma hat, die auf Mallorca und in Deutschland agiert, ist mit einem mehrsprachigen Büro gut beraten, das Experten beschäftigt, die mit dem Recht in beiden Ländern vertraut sind.

Wie findet man eine gute Adresse? Doris Kirch schwört auf Mund-zu-Mund-Propaganda, beziehungsweise auf Empfehlungen in den sozialen Netzwerken. Doch gerade Gestorías mit einem guten Ruf haben bereits mehr Arbeit, als sie schaffen können und nehmen keine Neukunden. Auch das müsse mit dem Dienstleister besprochen werden.

„Die Spreu vom Weizen hat sich in der Pandemie getrennt”, betont Doris Kirch. Bei der Beantragung der Unterstützung für Selbstständige habe sich gezeigt, welche Gestoría etwas taugt und welche weniger. Denn in einigen Fällen wurden die Kunden nicht richtig beraten oder Fristen versäumt.

Die Beziehung zur eigenen Gestoría beruhe auf Vertrauen: „Ich lasse wichtige Unterlagen dort und muss mich darauf verlassen, dass Fristen eingehalten werden. Ich möchte keinen Ärger mit dem Finanzamt bekommen”, so die Auswanderungsberaterin.