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In Andratx kennt jeder die "Tortuga". So heißt der kleine Berg, der von Ferne aussieht wie eine Schildkröte, Spanisch "Tortuga". Er liegt an der Hauptstraße in Richtung Hafen. Dass man ihn hochlaufen kann, wissen nur wenige. Ein Spazierweg windet sich um den Hügel herum bis auf ein Plateau auf 135 Meter Höhe. Trotz der Bewaldung hat man dabei einen wunderbaren Rundblick über das Tal von Andratx, den Hafen, den Ort und die südwestlichen Ausläufer der Tramuntana. Mysteriöse Reste von Sakralgemälden befinden sich am Weg. Was es damit auf sich hat, erklärt der Archäologe der Gemeinde, Joan Carles Lladó. "In den 1930er Jahren gab es in Andratx einen Pfarrer, der Pere Suasi hieß. Er verliebte sich in die ,Tortuga' und beschloss, dort religiöse Aktivitäten abzuhalten. Die Sakralgemälde stellen die Lebens- und Leidensgeschichte Jesu Christi dar."

Doch die Geschichte der "Tortuga" beginnt viel früher. Archäologische Funde zeigen, dass im 8. und 7. Jahrhundert vor Christus auf dem Plateau Beobachtungsanlagen standen. "Denken Sie sich einmal die Bäume, die heute auf dem Berg stehen, weg", sagt Lladó. "Dann hat man den totalen Blick auf den Hafen und die volle Kontrolle über alles, was auf die Insel eindringt."

Am Hang der "Tortuga" liegt weithin sichtbar das herrschaftliche Gut Castell Son Orlandis. Ursprünglich war es eine "Alquería", ein arabisches Landgut. Es wurde Es Port genannt, denn der Besitz reichte bis zum Hafen und zum heutigen Camp de Mar. Nach der christlichen Wiedereroberung Mallorcas im 13. Jahrhundert ging das Gut in katalanische Hände über. "Wein und Olivenöl wurden produziert und viele Gefechte mit Piraten ausgetragen, weil es hinter dem Hafen das erste Gut auf der Insel war", erzählt der Archäologe. Von der Piratenzeit zeugt nicht nur der mächtige Wachturm am Gut, sondern auch der eigentliche Name des Bergs, Puig de s'Enfront (Kampfberg). Nur der Volksmund sagt "Tortuga".

Im Jahr 1541 kaufte die italienische Adelsfamilie Orlandis das Castell. Seither trägt es ihren Namen. Ein bedeutendes Datum ist das Jahr 1599. "Die Flotte eines algerischen Adeligen lief im Hafen ein. Er hieß Sidi Alli Benamar und traf sich auf Son Orlandis mit einem Vertreter des spanischen Königs." Der Algerier hatte sich mit der spanischen Krone verbündet, um mit deren Hilfe Algerien zu unterjochen, was dann jedoch nicht klappte.

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Ab dem 18. Jahrhundert ging es mit Son Orlandis bergab, bis das Gut vor zirka 100 Jahren ganz verlassen wurde und verfiel. Der aktuelle Bau sei zum Teil eine Rekonstruktion der alten Gebäude, sagt der Archäologe. Son Orlandis ist in Privatbesitz und nicht zu besichtigen.

Zurück zu Pere Suasi. Als der Pfarrer die "Tortuga" 1935 für die Kirche entdeckte, stand auf dem Plateau eine Getreidewindmühle. Er ordnete an, sie in eine Kapelle zur Anbetung der "Virgen del Rosario" (Jungfrau Maria vom Rosenkranz) umzubauen. Die Kapelle wird "Ermita" genannt, aber Eremiten haben dort nie gelebt. Stattdessen pilgerten ab 1938 jeden ersten Sonntag im Mai Gläubige aus Andratx hinauf. Sie trugen die Marienstatue auf den Schultern und aßen anschließend gemeinsam Paella. Die "Romería" (Wallfahrt) wurde so beliebt, dass Suasi entschied, zusätzlich Skulpturen mit Mysterienbildern errichten zu lassen. Die insgesamt fünf Skulpturen wurden von Bürgern aus Andratx bezahlt. Ihre Namen stehen auf Plaketten. Erst vor ein paar Jahren wurde die Wallfahrt eingestellt. Heute sind die Bilder in schlechtem Zustand. Die Marienstatue der Virgen steht in der Kirche von Andratx. Restaurierungspläne gebe es seit Jahren, aber es geschehe nichts, sagt Lladó.

Der Spaziergang ist sonntags am schönsten, denn unter der Woche stören am Anfang die Verkehrsgeräusche. Start ist bei Kilometer 29,5 auf der Ma-1 nach Port d'Andratx. Am Straßenrand steht das Hinweisschild zur "Ermita de Son Orlandis". Parken kann man auf der anderen Seite der Straße im Camí de Morella. Der Aufstieg zur "Ermita" dauert eine halbe Stunde und wird mit einer zunehmend schönen Rundumsicht belohnt. Die Vegetation besteht aus Kiefern, wilden Olivenbäumen und Mastixsträuchern. Nach 850 Metern kann man einen Abstecher nach links auf den Penya des Corb, den Rabenfelsen, machen. Es ist der Felsbrocken, der aus der Ferne wie der Kopf der Schildkröte aussieht. Er zieht Kolkraben und andere Vögel an, insbesondere Turmfalken. Zurück geht es über den gleichen Weg. Die Entfernung zur Kapelle beträgt 1,8 Kilometer. Die Gehzeit beträgt ohne Abstecher etwa 50 Minuten, mit Abstecher eine Stunde. Feste Schuhe sind zu empfehlen.

(aus MM 52/2017)