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Kaum ein Thema erhitzt die Gemüter in Spanien so sehr wie der Stierkampf. Für die einen ist er schützenswertes Kulturgut, für die anderen nichts als verachtenswerte Barbarei. In Ansätzen lassen sich beide Seiten verstehen. Dass die „Corrida“ in gewisser Weise zur spanischen Lebensart gehört, steht außer Frage, schließlich hat sich die Tradition über Jahrhunderte entwickelt. Beim Anblick der Torero-Darbietungen mit ihren bisweilen recht geschmeidigen Bewegungen lässt sich sogar ein gewisser, fast schon tänzerischer Ausdruck von Kunst erkennen. Wer aber einmal einen Stierkampf besucht hat, der weiß, dass es mit allem Künstlerischen spätestens dann vorbei ist, wenn dem Tier Blutströme aus dem offenen Maul laufen und es in sich zusammensackt. Und dass im Falle letzter Zuckungen alle Geschmeidigkeit einem harten Dolchstoß zwischen die Hörner weichen muss.

Bei der Frage „Stierkampf ja oder nein“, geht es also weniger darum zu klären, ob es sich bei der „Corrida“ um ein Kulturgut handelt, sondern vielmehr darum, wie blutrünstig ein solches Ritual sein soll beziehungsweise sein darf und ob man bereit ist, es zugunsten des Lebens und der Würde der Tiere zu opfern.

Nun mag es etwas heuchlerisch erscheinen, den Tod von ein paar Zuchtbullen zu betrauern, während die Lebensmittelindustrie weltweit Millionen Tiere in unwürdigsten Lebensbedingungen hält und schlachtet und sie uns tiefgefroren in den Supermarkt legt. Aber: Wo kein Kläger, da kein Richter! Der Stierkampf hingegen ist sichtbar und wird medienwirksam inszeniert.

Zum Richter über ihn hat sich auf den Balearen nun der „Govern“ aufgeschwungen und die „Corridas“ per Gesetz quasi undurchführbar gemacht. Ob die Insel-Regierung damit durchkommt, wird vermutlich am Ende das spanische Verfassungsgericht klären müssen. Das hat auch das Stierkampfverbot in Katalonien nach sechs Jahren für ungültig erklärt, ein ähnliches Schicksal droht auch auf den Balearen. Den Stieren wäre irgendwie zu wünschen, dass die Robenträger dieses Mal ein anderes Urteil fällen.