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Wäre Spanien ein normaler westeuropäischer Staat, würde man sich zwischen den bei der Wahl siegreichen Sozialisten und den Ciudadanos oder sogar der Volkspartei auf eine Koalition einigen. Doch Spanien tickt anders als etwa Deutschland oder die Niederlande. Seit dem Tod des Diktators Francisco Franco im November 1975 gab es hier niemals Koalitionen. Entweder es regierten die Halblinken oder die Halbrechten.

Doch die internationale Entwicklung weg vom Zweiparteiensystem ging auch an Spanien nicht vorüber. Aber anders als jenseits der Pyrenäen gibt es hierzulande auf politischer Ebene kaum Gesprächskultur. Und so verwundert es nicht, dass sich nach der Wahl alle gegenseitig nur anpflaumen und anraunzen. Die zwar über eine komfortable, aber nicht über eine absolute Mehrheit verfügenden Sozialisten von Premier Pedro Sánchez erwägen gar, mit wechselnden Bündnissen allein zu regieren. Stabilität sieht völlig anders aus.

Nach dem Urnengang sieht man einmal mehr, dass Spanien weiterhin ein tief gespaltenes Land ist. Nach dem Bürgerkrieg von 1936 bis 1939 ist zwar nicht vor dem Bürgerkrieg (etwas zivilisatorischen Fortschritt gab es schon) – aber mit zerfransten Wahlergebnissen kann man hier nicht umgehen. Hier ist man bis in privateste Beziehungen hinein entweder rechts oder links. Und das, obwohl diese anachronistischen Kategorien bekanntlich einer längst vergangenen Epoche angehören und woanders bereits weitgehend überwunden wurden.

Doch Spanien hat verglichen mit anderen Ländern wie Deutschland einen Vorteil: Man ist geschmeidiger und ohnehin umgänglicher. Man ist wie der Held aus den Schelmenromanen, der Pícaro, weiß sich also durchaus galant zum eigenen Vorteil durchs Leben zu wurschteln. Trotz des kindischen archaisch-feindseligen Wortgeklingels könnte es deshalb durchaus gelingen, nach den Regionalwahlen am 26. Mai etwas aus dem Ergebnis vom 28. April zu machen. Den Politikern bleibt halt nichts anderes übrig, als dazuzulernen.

Autor: Ingo Thor