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Wie die mallorquinischen Cellers entstanden

Mallorca hat viel mehr zu bieten als nur seine schönen Strände und das milde Klima. Es gibt zahlreiche fantastische Restaurants, die inseltypische Gerichte servieren. Sie haben das ganze Jahr über geöffnet. Viele dieser Lokale bieten Speisen, die nach traditionellen Rezepten und mit lokalen Zutaten gekocht werden. Mallorca bietet mit seiner traditionellen Gastronomie reichlich Möglichkeiten zum Genießen.

Traditionell war ein Celler („Keller“) ein Ort, an dem Wein hergestellt und gelagert wurde. Sie wurden im Laufe der Zeit in Restaurants umgewandelt, die sich auf mallorquinische Gerichte spezialisierten und sich zunächst an die Einheimischen und später an Touristen richteten. Doch wie sind die Cellers überhaupt entstanden?

Da müssen wir weit zurückgehen in die Vergangenheit und erläutern, wie sich das Verkehrswesen auf der Insel über die vergangenen Jahrhunderte entwickelt hat. Denn die Menschen waren früher viel sesshafter. Noch in den frühen 1960er Jahren berichtete die MM-Schwesterzeitung Ultima Hora von einer 90-jährigen Frau, die mit einem Krankenwagen ins Hospital General gebracht werden musste. Für die Seniorin war es nicht nur das erste Mal, dass sie in einem motorisierten Fahrzeug unterwegs war, sondern auch das erste Mal, dass sie ihr Dorf Amanecer (nördlich der Calle 31 de Diciembre, außerhalb der historischen Stadtmauer von Palma) verlassen hatte.

Eine Reise über die Insel war also immer eine langwierige Angelegenheit ohne Hektik. Arbeiter, die Waren von A nach B transportierten, hatten es nie eilig – auf den Weg nach Z machte man sich sowieso irgendwann, wenn nicht heute, dann eben vielleicht morgen.

Wer mit seinem Eselskarren unterwegs war, hätte nie erwartet, dass die Reise schnell gehen würde. Man stelle sich vor, in solch einem Gefährt von Palma nach Inca zu reisen. Die Fahrt dauert keine Ewigkeit, doch die Zeit kommt einem sicherlich so vor.

Es gab viele Rastmöglichkeiten entlang der Reiserouten über die Insel, an denen die Leute sich von den Strapazen ihrer Tour ausruhen konnten. Dazu zählte Algaida, dort rasteten die müden Maultiere und die Reisenden erfrischten sich am kalten Brunnen und bekamen etwas zu essen und zu trinken.

Da eine Reise von der einen Seite der Insel zur anderen mehrere Tagen dauern konnte, übernachtete der Großteil der Reisenden an der Strecke. Entlang der alten Hauptstraße von Port d’Andratx nach Port d’Alcúdia befanden sich am Straßenrand Tavernen, Hostals genannt. Dort fanden Mensch und Tier Unterschlupf. Es gab früher ein Hostel Algaida sowie eins an der alten Straße in Búger.

Bequem war für die Reisenden, dass diese Tavernen direkt an der Straßen lagen. Um dorthin zu gelangen, waren keine Umwege notwendig. Dort konnte gegessen, getrunken und geschlafen werden.

Mit dem Aufkommen von Autos und Bussen wurden diese "Hostals" überflüssig. Aber das Geschäft ging weiter. Die Besitzer verwandelten sie in die großen Restaurants am Straßenrand, die wir heute kennen. Bei einigen dieser Lokale war der große Hauptspeisesaal früher der Stall, in dem die Maultiere standen und gefüttert wurden. Obwohl die Räumlichkeiten natürlich modernisiert wurden, hoben die Wirte Erinnerungsstücke wie beispielsweise die Futtertröge auf. Einige dienen heute als Blumenkästen.

Obwohl es an vielen strategischen Punkten zwischen Port d’Andratx und Port d’Alcudia "Hostals" gab, war die wichtigste Zwischenstation, der Lieblingsrastplatz der meisten Reisenden, Inca.

Im Zentrum der Insel gelegen, war es der ideale Halt auf einer langen Reise. Inca war bestens vorbereitet, um Reisende aufzunehmen. Da es sich auch im Herzen eines der wichtigsten Weinanbaugebiete der Insel befindet, war Inca ein wichtiger Lieferant von Fassweinen.

Der Weinhandel dieses Gegend, die von Menschen aus der gesamten Insel besucht wurde, war ein wichtiger Geschäftszweig. Die Weine wurde in „Cellers“ verkauft.

Sie bekamen diesen Namen, weil die ursprünglichen Keller unter der Erde lagen, wo es kühler war als ebenerdig. Die besseren Cellers hatten mehrere Weine im Angebot. Die edlen Tropfen wurden direkt aus dem Fass in mit Weidenruten umflochtene Flaschen abgefüllt.

Noch in den 1960er Jahren existierten in Palma Bodegas, die Rot- und Weißweine aus Fässern abfüllten. Im Calatrava-Viertel gab es eine Bodega vor der Kirche Montesión. Die Zwei-Liter-Flasche Rotwein kostet dort eine Peseta und war durchaus trinkbar.

Reisende, die von Osten nach Westen oder umgekehrt über die Insel fuhren, wollten auch gern etwas essen. Die Frauen der Celler-Händler hatten immer etwas Bauernbrot zur Hand, das rasch mit Sobrassada, Butifarrones oder einer anderen Wurst belegt wurde.

Beliebt war natürlich auch das Pa amb oli. Ein Brot, auf das Tomate gestrichen, mit Olivenöl verfeinert sowie mit Käse oder Schinken und Kapern belegt wurde. Praktisch am mallorquinischen Bauernbrot war und ist, dass er mehrere Tage haltbar war, ohne hart zu werden oder Schimmel anzusetzen. Die Vorteile des Pa amb oli: Einer bereits etwas älteren Brotscheibe wird zu neuem Leben verholfen, wenn sie mit weichen Tomaten eingerieben, mit einem geschmackvollen Olivenöl beträufelt und dann mit etwas Salzigem wie Käse oder Schinken belegt wird.

Doch viele Reisende wollten etwas Sättigenderes als nur eine Brotmahlzeit zu sich nehmen. So begannen die Celler-Frauen größere Mengen des Essens, das sie für ihre Familien kochten, zuzubereiten. Es entstand das Tagesgericht.

Die Hausfrauen waren auch exzellente Köchinnen und begannen, statt einem auch zwei Gerichte anzubieten. Und da der Celler zwei Straßen weiter sein Angebot erweiterte, wuchs die kulinarische Auswahl immer weiter. Hinzu kam Nachtisch und saisonales Obst.

Es dauerte nicht lange, bis die Cellers in Inca zu dem wurden, was sie heute sind: Restaurants, in denen die Gäste die mallorquinische Küche genießen und nicht nur eine Stärkung nach einer anstrengenden Kutschfahrt von Port d’Andratx, Palma oder Port d’Alcúdia.

Heute sind diese "Keller" seit vielen Jahren beliebte Lokale bei den Einheimischen. Die umfangreichen Menüs mit lokalen Gerichten, die nach Familienrezept gekocht werden, sollten Mallorca-Urlauber egal zu welcher Jahreszeit probieren.

Der Besuchs eines Cellers macht den Mallorca-Aufenthalt zu etwas Besonderem – wer einmal dort war, muss immer wieder hin. Eines der herausragenden Merkmale dieser Lokale ist ihre traditionelle Dekoration. Das Essen und das Ambiente dort vermittelt den typischen Geschmack Mallorca.

Die Cellers sind das Paradies der Inselküche

Lange bevor die Cellers ins Sineu, Petra, Palma und Algaida zu Besuchermagneten wurden, waren die Lokale in Inca bereits bei den Einheimischen als Topadresse der mallorquinischen Küche bekannt.

Waren andere Cellers nur große und bequeme Tavernen entlang den Reiserouten der Insel, hielt jeder, der nach Inca kam an, um sich ein paar Flaschen seines liebsten Rotweins befüllen zu lassen.

Autos und Busse schließlich gaben den Inselbewohnern die Art von Mobilität, die sie noch nie zuvor gekannt hatten. Das erste in Spanien zugelassene Auto stand in Palma und hatte PM-Nummernschilder. So war die Insel bei der Einführung der motorisierten Fahrzeuge ganz vorn mit dabei.

Ein typischer mallorquinischer Celler.

Bald darauf wurden die Weinkeller zu den Restaurants, die sie heute sind. Die Kunst der "Kellerköche" war auf Mallorca begrenzt, denn die heimische Küche war ihr Metier. Sie kochten ganz nach Familienrezept, denn jede Familie hatte ihre eigene Zubereitungsart der traditionellen Gerichten, die sie zu etwas Einzigartigem machten.

Einige der Cellers waren bekannt für ihr Frit Mallorquí, andere für ihre kräftig gewürzten Callos (Kutteln) und wieder andere für ihr gutes Händchen beim Grillen, wenn aus dem Holzofen ein saftiges Spanferkel mit knuspriger Haut kam.

Die meisten Besucher kommen heute zum Markttag nach Inca – dem Donnerstag. Die Stammgäste besuchen dann auch ihren Celler, in dem sie ihr Lieblingsgericht serviert bekommen. Früher gab es keine Trendküche, der Koch oder die Köchin bauten sich ihren Kundenstamm damit auf, indem sie ihre authentische Version der Klassiker der mallorquinischen Gerichte servierten.

Inselunternehmen aller Art befanden sich früher hauptsächlich in Familienhand. Einige der Cellers werden auch nach Jahrzehnten noch von der gleichen Familie geführt. Viele der Lokale wie auch andere Dorfgaststätten blicken auf eine Tradition zurück, die viele Generationen umfasst.

Es ist nach wie vor die gleiche Hingabe zum Kochen wie noch vor 100 Jahren, welche die Gäste immer wieder in die Cellers zurückkehren lässt. Kein Mallorquiner und niemand mit einer echten Liebe zu mallorquinischen Produkten ist an unorthodoxen Versionen der traditionellen Gerichte der Insel interessiert.

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Der Erfolg der Celler-Köche lässt sich daran messen, dass viele dem Wandel der Zeit standgehalten haben und auch viele Jahre nach ihrer Eröffnung noch gutes Essen in einer traditionellen Umgebung servieren.

Das bedeutet allerdings nicht, dass absolut alles, was auf der heutigen Speisekarte steht, absolut mallorquinisch sein muss. Es kann auch ein gegrilltes Entrecôte-Steak bestellt werden. Auch wenn der Gast eine Paella wünscht, bekommt er diese mit frischen Zutaten zubereitet.

Die Besitzer der Cellers – wie auch die Gastronomen auf der ganzen Insel – sind in erster Linie gute Gastgeber und wollen eine Mahlzeit servieren, welche ihre Gäste genießen können. Wenn es um die puristische mallorquinische Küche geht, steht die Tradition über allem anderen.

Warum also nicht den Besuch eines Traditionslokals mit dem Gang zum Wochenmarkt kombinieren? Die lokalen Gerichte lassen sich in vielen Dörfern auf der Insel probieren. Immer mittwochs beispielsweise bietet sich ein Besuch auf dem historischen Bauernmarkt in Sineu an, am selben Tag findet auch der Mercado in Petra statt. Freitag ist in Algaida Markttag, perfekt um dort eins der typischen Restaurants aufzusuchen. Die Markthallen in Palma haben außer sonntags immer geöffnet, der Biomarkt findet immer dienstags und samstags statt, an Samstag gibt es auch einen Flohmarkt.

Mestre Tomeu, der Mann, der die besten Köche der Insel geformt hat

Alle nannten ihn „Mestre“ Tomeu und obwohl er einen Nachnamen (Esteva) hatte, benutzte ihn niemand. Das katalanische Mestre, Maestro auf Spanisch, bedeutet Meister auf Deutsch. Mestre Tomeu war ein echter Meister, er brachte vielen jungen Leuten das Kochen bei, aus einigen von ihnen wurden die besten Köche Mallorcas.

In den 1960er und 70er Jahren nahm Mestre Tomeu einen besonderen Platz in der mallorquinischen Gastronomieszene ein. Er widmete sein Leben dem Kochen und dem Unterrichten seiner Kunst.

Mallorca ist heute besonders reich an Spitzenköchen und das liegt zum Teil auch daran, dass Mestre Tomeu ein guter und großzügiger Lehrer war, der vielen jungen Menschen eine solide Ausbildung mit auf den Weg gab.

Viele seiner Schüler gaben seine Küche weiter, indem sie an anderen Berufsschulen und Universitäten lehrten.

Es ist Mestre Tomeu zu verdanken, dass die mallorquinischen Küche heute noch in den Hotels und Restaurants auf der ganzen Insel einen so hohen Standard und Stellenwert hat

Auch wenn Mestre Tomeu 1975 in den Ruhestand ging, werden seine Ideen, seine Techniken, die Sorgfalt, mit der er junge Köche ausbildete, immer noch in den wichtigsten Gastronomieschulen der Insel unterrichtet.

Mestre Tomeu wurde 1955 zum Chefkoch im renommierten und luxuriösen Hotel Bahía Palace am Beginn des Paseo Marítimo ernannt. Dort war er zwölf Jahre lang tätig.

Danach folgte der wichtigste Teil seiner Karriere: Er lehrte an der Escuela Sindical de Hostelería de Baleares im Zentrum von Palma.

Für die darauffolgenden acht Jahre (bis zu seiner Pensionierung 1975) war er dafür verantwortlich, dass die Kochstandards in den Hotels und Restaurants der Balearen zu den besten Spaniens gehörten.

Aber Mestre Tomeu widmete sich nicht nur dem Kochen und Unterrichten. Er fand auch Zeit, eine riesige Bibliothek von Kochbüchern aufzubauen, von denen inzwischen viele Sammlerstücke sind. Diese wurden nach seinem Tod der Escuela de Hostelería Illes Baleares gespendet.

Obwohl er Hunderte von jungen Männern ausgebildet hatte, damit sie gute Jobs in Restaurants bekamen, war er nie an dieser Seite des Kochens interessiert. Er meinte, das Leben eines Restaurantkochs sei zu sklavenhaft, man sei immer im Dienst. Es gab noch einen weiteren Grund, den Gastronomiebetrieb zu meiden: Seine Frau stammte aus einer Familie von Gastronomen und war sich der Arbeitszeiten wohl bewusst. Sie wollte nicht, dass ihr Mann ein Teil davon wird.

Aber es war ein Segen, dass Mestre Tomeu nicht im Restaurantgeschäft mitmischte, denn sonst hätte er nicht all die wunderbaren Köche ausbilden können, die wir heute auf Mallorca und anderswo haben.

Für sie war er mehr als nur ein Lehrer. Mestre Tomeu war ein wahrer Guru, der sie dazu inspirierte, größere Dinge schaffen, als sie selbst für möglich hielten.

Eine hervorragende Sammlung mallorquinischer Rezepte, für die Xesc an Türen von Alaró bis Valldemosa geklopft hat

Xesc Bonnin ist ein pensionierter Koch mit einer Mission und diese erfordert jede Menge Engagement und harte Arbeit. Xesc beklagt, dass nicht genug getan werde, um die mallorquinische Küche zu schützen und zu fördern. Und das möchte er korrigieren!

Er zeigt eine mallorquinische Steingutkasserolle – eine Greixonera – mit einem Tumbet, Mallorcas berühmtes Tomatengericht mit Auberginen, roten Paprika und Kartoffeln. Ein großes Küchenmesser steckt in der Mitte des Tumbets.

Jemand hat der mallorquinischen Küche das Messer in den Rücken gerammt, heißt es auf dem Buchumschlag. Schuld seien die Köche und die Gäste. Er ermahnt zu mehr Respekt vor der mallorquinischen Küche.

Dabei ist Xesc nicht der Erste, der beklagt, dass viele Rezepte der Insel in Vergessenheit geraten seien. In einigen Fällen seien unsensible Restaurantköche die Täter.

Kaum jemand engagiert sich so für die einheimischen Zubereitungsarten wie er. Sein Hauptbeitrag war ein erstaunliches Kochbuch, das er zusammengestellt hat, nachdem er durch alle Städte und Dörfer der Insel gegangen war, an Türen geklopft und nach Familienrezepten gefragt hatte. Er förderte dabei Erstaunliches zu Tage.

Er besuchte alle Dörfer und Städte von Alaró bis Valldemosa und ließ auch die Küstenorte nicht aus. Seine Sammlung einzigartiger mallorquinischer Rezepte trägt den Titel „La Cocina Mallorquina. Pueblo a Pueblo, Puerta a Puerta.“ (Mallorquinische Küche. Von Dorf zu Dorf, von Tür zu Tür).

Über mehrere Jahre hinweg besuchte Xesc 54 Städte und Dörfer und trug so 262 Rezepte zusammen, die bereits seit fünf, sechs Generationen in Familienhand waren. Es sind geschätzte Gerichte, die von den Eltern an ihre Kinder weitergegeben wurden.

Früher gab es keine Kochbücher. Familien, die an gutem Essen interessiert waren, führten eigene Rezeptbücher. Aber meistens war das Rezept nur eine Liste von Zutaten.

Doch wie das Gericht zubereitet wurde und welche kulinarischen Tricks zum Erfolg führten, wurde nicht berücksichtigt. Nur die Köche in der Familie kannten sie und gaben diese mündlich von Generation zu Generation.

Xesc kannte in jeder Stadt und jedem Dorf jemanden, der die kulinarischen Traditionen der Gegend pflegte und der auch wusste, wer das beste Frit, das beste Tumbet, den besten Arroz Brut und das knusprigsten Spanferkel zaubern konnte. Allein in Costitx und Puerto Andratx stieß er auf zehn Rezepte.

Mallorca verfügt über eine großartige Regionalküche und die beiden oben genannten Köche haben die Rezepte bewahrt. Ihre Arbeit kommt den Köchen heute noch zugute. Warum also nicht einmal in einem Celler halt machen und eines der mallorquinischen Gerichte probieren? Die Lokale haben das ganze Jahr über geöffnet ...

Weiter Informationen gibt es unter www.infomallorca.net