Der Mühlstein wird vom Esel angetrieben. | mb

TW
0

„Rundherum, immer rundherum.” Als habe sich der Esel ein Textfragment aus Gertrude Steins Kinderbuch „Die Welt ist rund” zum Mantra gemacht, läuft er um den großen, runden Bodenstein der Ölmühle. Immer rundherum. Eingespannt in ein hölzernes Geschirr, bewegt er den trichterförmigen Läuferstein, der im Kreis über den Bodenstein walzt und die Oliven unter ihm zu einer Paste zerquetscht.

Wenn auf dem Landgut Pedruxella Gran bei Pollença Mahltag ist, wird Geschichte lebendig. Ein bis zweimal im Jahr wird dort Olivenöl so hergestellt, wie es die Mallorquiner über Jahrhunderte hinweg taten. Denn die Tafona hat um die 200 Jahre auf dem Buckel, und Öl gepresst wurde auf dem Gutshof schon mehrere Jahrhunderte davor. Die Ölmühle ist eine der wenigen der Insel, die noch funktioniert – ausschließlich mit dem Einsatz von Muskelkraft.

Dies ist dem britischen Umweltschützer Hilary Barratt-Brown und seiner Frau, der amerikanischen Poetin und Dramaturgin Patricia Rinehart, zu verdanken. Sie erwarben das Anwesen vor rund 50 Jahren. „Mein Schwiegervater restaurierte auf dem Hof alles und änderte so gut wie nichts, er wollte nicht modernisieren”, erzählt Bos Dewey, ein Geschäftsmann aus Washington. Wenn er an das Alter des Landguts und die Jahrhunderte der Ölproduktion denkt, bekomme er Gänsehaut. Mit Blick auf die relativ jungen Vereinigten Staaten sagt er: „In Amerika haben wir ein ganz anderes Zeitgefühl.”

Die Geschichte von Pedruxella Gran – und einem anderen Anwesen namens Pedruxella Petit – geht in die islamische Epoche Mallorcas (902-1229) zurück. Beide Anwesen sind räumlich von einander getrennt, waren aber beide Teil derselben arabischen Ansiedlung, die den Namen „Rahal Petruxella” trug. Aus dem Teil, der 300 Meter über dem Tal Vall d’en Marc liegt, ging Pedruxella Gran hervor.

Alles deutet darauf hin, dass das Anwesen nach der Eroberung Mallorcas durch Jaume I. an den Templerorden vergeben wurde und nach dessen Zerschlagung in den Besitz des Johanniterordens überging. Der Name eines Eigentümers ist erstmals 1362 vermerkt. Damals zeigte Pere Cerdà de Pedruxella zwei entlaufene Sklaven an. Und könnten Olivenbäume sprechen, hätten ein paar von ihnen wohl viel zu erzählen. Denn manche, so Dewey, sind über 1000 Jahre alt.

Seine Frau, die Juristin und Umweltschützerin Liz Barratt-Brown, erbte das Landgut 1997 nach dem Tod ihres Vaters. Seither pendeln sie und Dewey zwischen Washington und Pollença, um das Anwesen in Schuss zu halten und die Vision des Vorbesitzers weiterzuführen. „Wir wollten, dass das ein funktionaler Ort ist, aber mit Respekt vor der Kultur, vor der Geschichte und der Umwelt”, so Dewey. Das bedeutet zum einen ökologische Landwirtschaft. Und wie es einst sein Schwiegervater mit seinen Bauern vertraglich festlegte, halten es auch er und seine Frau: Wenigstens einmal im Jahr wird Olivenöl gepresst.

Dies alles ist nur durch freiwillige Helfer möglich. Allein zur Olivenlese braucht man fünf bis sechs Leute. „Wir könnten das nie tun, wenn wir die Leute bezahlen müssten”, nimmt Dewey kein Blatt vor den Mund. Er und seine Frau haben deshalb ein Volunteer-Programm eingerichtet. Gegen täglich sechs Stunden Arbeit an fünf Tagen erhalten die Teilnehmer freie Kost und Logis – und jede Menge neue Erfahrungen.

Zum Beispiel, wie auf Mallorca eine traditionelle Ölmühle funktioniert. Die geernteten Ölfrüchte werden zunächst gereinigt, indem sie von Blättern und Zweigen getrennt werden. Unterdessen laufen in der Mühle die Vorbereitungen. Unter einem großen Kessel wird ein Feuer entzündet, um Wasser zu erhitzen. Zwei Mitarbeiter fetten ein mehr als zwei Meter hohes Holzgewinde mit Schmierseife. Am Boden ist es in einem tonnenschweren Stein verankert, in der Höhe geht es durch das Ende eines dicken, gut acht Meter langen und nach oben geneigten Holzbalkens. Beim Pressvorgang wird er mit dem Gewinde nach unten geschraubt werden.

Ist alles vorbereitet, werden die gereinigten Oliven durch einen Holztrichter auf den unteren Mahlstein geschüttet, der Esel setzt sich in Bewegung. Sind alle Oliven zu Brei gemahlen, hat das Tier seine Arbeit vollbracht. Jetzt streichen Helfer die Paste in sogenannte Esportines, Körbe aus Seegras, die ähnlich wie Baskenmützen aussehen und heute auf Mallorca nicht mehr hergestellt werden. In ihrem Hohlraum wird die Paste gleichmäßig verstrichen.

Die gefüllten Esportines werden unter dem massiven Balken gestapelt. Jeder Korb wird mit erhitztem Wasser übergossen, damit sich das Öl sich besser aus der Olivenpaste löst. Das Wasser darf nicht wärmer als 27 Grad sein, denn sonst wäre es keine „erste Kaltpressung” mehr.

Reichen die gestapelten Esportines bis an den Balken, setzen zwei Helfer mit einem Drehkreuz das Gewinde in Bewegung, damit sich das nach oben geneigte Ende des Balkens senkt. Das Pressen beginnt. Mit Holzstäben müssen ein bis zwei Helfer den Korbstapel stützen, der sonst durch die Neigung des Balkens umkippen würde.

Aus den Körben trieft eine Mischung aus Wasser, Öl und Rückständen. Durch eine unterirdische Rinne wird die Flüssigkeit nach außen in ein gekacheltes Becken geleitet. Dort werden Wasser und Sedimente durch einen Wasserhahn abgeleitet.

Bis es jedoch so weit ist und das Olivenöl oben schwimmt, wird es aber noch eine ganze Weile dauern. Gleich nach dem Pressen sieht man nur dies: eine braune, trübe Flüssigkeit. Am Ende gilt eben auch für das Olivenöl die mallorquinische Redewendung „poc a poc” – immer schön langsam.

(aus MM 52/2019)