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Die Touristenhotels an der Playa de Palma haben sich, bis auf ein paar Ausnahmen, in den Winterschlaf begeben. Gleiches gilt für die Gastronomie. Nur wenige Wirte trotzen der Krise und empfangen noch Gäste. Das gilt zum Beispiel für Thomas Algasinger, der seit elf Jahren am Hafen von Can Pastilla das Restaurant Phönix betreibt. Im Gespräch mit MM lässt der Bayer die vergangenen Monate Revue passieren.

Als es Mitte März zum Lockdown kam, habe sich Algasinger noch keine großen Gedanken gemacht. „Es hieß ja, die Situation dauere nur 14 Tage. Doch dann wurde der Lockdown immer wieder verlängert. Und irgendwann kommst du schon ins Grübeln, wie und wann es weitergeht … und ob es überhaupt weitergeht.“

Als Lokale dann ab dem 11. Mai mit Auflagen wieder öffnen durften, war Algasinger sofort mit dabei. Sein Vorteil gegenüber vielen anderen Restaurantbetreibern: Er kann das Phönix zusammen mit seiner mallorquinischen Lebensgefährtin Mercedes Danús allein schmeißen und trug nicht die Verantwortung für mehrere Angestellte. Zwei eigentlich vorgesehene Mitarbeiter gingen ihre eigenen Wege und wurden nicht zu einer zusätzlichen finanziellen Belastung. Inzwischen ist wieder eine Kellnerin als Teilzeitkraft mit im Boot.

„Nach dem Lockdown war unsere Terrasse im Rahmen des Erlaubten sofort wieder rappelvoll. Man spürte, dass die Leute sich freuten, wieder raus zu können und sie haben auch Geld ausgegeben.“ Doch schon zwei Wochen später, als die Playas wieder genutzt werden konnten, änderte sich das Bild. „Die Mutter ist mit den Kindern und einer großen Kühltasche mit Proviant um 15 Uhr an den Strand gegangen, der Papa hat sich um 17 Uhr dazugesellt. Lokale wurden nicht mehr so stark aufgesucht. Vielleicht lag das auch daran, dass es bei vielen schnell finanziell enger wurde.“

Was in den folgenden Wochen und Monaten geschah, war für den 59-Jährigen ein Wechselbad der Gefühle. Das betraf nicht zuletzt die Frage, welche Rolle die Touristen für den Jahresumsatz spielen würden. Das Geschäft mit den Urlaubern schien zaghaft wieder anzulaufen, dann kam letztlich doch alles anders. „Die Maskenpflicht und das Rauchverbot haben der Gastronomie sehr geschadet. Und dann natürlich vor allem die Einstufung als Risikogebiet und die damit verbundene Reisewarnung“, schaut der Gastronom zurück. Wie auch viele andere Wirte habe sich Algasinger strikt an die jeweils geltenden Auflagen gehalten. Dass es immer wieder neue Regeln gab, habe ihn kaum belastet. „Du kannst ja eh nichts daran ändern.“ Und dann war da ja auch noch die Hoffnung. „Sicher, man hofft immer. Dann kommt wieder eine Klatsche. Später geht es vielleicht ein wenig bergauf. Und es gibt den nächsten Rückschlag.“

„Jeder Gastronom an der Playa muss dieses Jahr angespartes Geld auf den Tisch legen. Anders geht es nicht. Existenzängste gibt es seit dem Lockdown für alle. Für mich natürlich auch“, meint der Metzgermeister und lässt seinen Blick über die leere Phönix-Terrasse schweifen.

Algasinger erwartet, dass rund 50 Prozent der gastronomischen Betriebe zwischen Can Pastilla und Arenal im kommenden Jahr geschlossen bleiben. Entweder, weil bei den Betreibern die Rücklagen aufgebraucht sind, oder weil die Wirte wegen der ungewissen Zukunftsaussichten nicht noch mehr von ihrer eisernen Reserve investieren wollen. „Ich habe gelesen, dass der Umsatz um 80 Prozent eingebrochen ist. Das können viele ganz einfach nicht kompensieren. Das ist zu viel.“

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Dabei ist das Phönix noch relativ glimpflich davongekommen. „Wir werden aufs Jahr gerechnet wohl in etwa 40 Prozent des Vorjahresumsatzes erreichen“, verrät der Wahl-Mallorquiner, dem es eigener Aussage nach gelang, „kostendeckend“ zu arbeiten. „Miete, Wasser, Strom, Personal, Steuern – ich konnte alles bezahlen“, lautet die positive Aussage. Wobei ein wichtiger Aspekt auch das Entgegenkommen des Vermieters gewesen sei, der sich mit einer Reduzierung der monatlichen Zahlungen einverstanden zeigte. Denn nach elf Jahren weiß der Immobilienbesitzer, was er an seinem Mieter hat. Und sollte Algasinger das Phönix doch aufgeben müssen, wäre unklar, ob dann vielleicht ein Glücksritter als Nachfolger käme oder es vielleicht längere Zeit gar keinen Interessenten für das Lokal gäbe.

Ein Grund für den vergleichsweise hohen Umsatz des Phönix sei der große Anteil an Stammgästen. Und dass viele Spanier den Weg ins Lokal gefunden haben. „Das liegt daran, dass meine Partnerin Mallorquinerin ist. Viele Einheimische haben vorher gedacht, dass wir ein rein deutsches Lokal seien. Und wenn hier zahlreiche Touristen sitzen, dann kommen die Spanier nicht rein. Inzwischen bestellen immer mehr von ihnen deutsches Essen wie zum Beispiel Schnitzel mit Champignonrahmsauce. Und es schmeckt ihnen.“

Der Donnerstagsstammtisch im Phönix existiert seit Jahren und ist über die Grenzen von Can Pastilla hinaus bekannt. Auch diese Einrichtung erlebte wechselhafte Monate. In guten Zeiten kann der Stammtisch schon mal an die 20 Gäste für das Phönix bedeuten. In diesem Sommer waren es manchmal nur fünf. Hintergrund: Auch vielen „Teilzeit-Residenten“ dient der Stammtisch als Treffpunkt. Und diese waren wegen Lockdown und der folgenden ungewissen Reisebedingungen 2020 nicht so oft auf der Insel wie in den Vorjahren.

Algasinger weiß, dass es in der aktuellen Krisensituation noch wichtiger als sonst ist, Stammgäste mit Ideen bei Laune zu halten. So tischt er jetzt regelmäßig Sondergerichte gegen Vorbestellung auf. Der Renner sind Haxen und Hähnchen, aber auch Rouladen, Sauerbraten, Tafelspitz und Gulasch kommen an. Wenn eine Spezialaktion läuft, ist das Lokal manchmal fast so gefüllt, als gäbe es keine Krise. Einen Tag später begrüßt der Wirt dann aber vielleicht gerade mal eine Handvoll Gäste ...

Während andere Gastronomen sich in diesen Tagen in die Winterpause verabschieden, will Thomas Algasinger weitermachen. „Wir werden bis zum Ende der zweiten Dezemberwoche offenhalten. Es wäre auch gegenüber meinen Stammgästen unfair, jetzt zu schließen.“ Und die Winterpause wird kurz, schon am 3. Januar möchte der Wirt wieder aufsperren.

Aufgefallen ist Algasinger, dass sich die Atmosphäre in seinem Lokal ohne, oder fast ohne, Touristen verändert hat. „Wir haben neue Gäste hinzugewonnen, darunter viele Spanier. Deutsche und Spanier vermischen sich jetzt stärker, jeder kennt jeden, jeder spricht mit jedem, es herrscht eine andere Harmonie und Geselligkeit.“

Trotzdem hofft der Restaurantchef natürlich auf eine baldige Rückkehr der Urlauber. „Ich schaue aber auf das kommende Jahr mit gemischten Gefühlen. Natürlich kommt es zunächst vor allem auf die Entwicklung des Virusgeschehens an. Wenn der Tourismus wieder anläuft, werden die Leute aber trotzdem weiterhin vorsichtig sein, und zum Beispiel Reisebuchungen spielen sich relativ kurzfristig ab.“ Seine Hoffnung: „Sollte alles sehr gut laufen, machen wir 2021 vielleicht 60 bis 70 Prozent von 2019. Aber der Umsatz wird sicher nicht explodieren.“

(aus 46/2020)