TW
0

Fingerdick liegt der Staub auf den Blättern des Gummibaumes am Straßenrand, fingerdick wölbt sich auch der Aufschnitt über die Brotscheiben: Schinken und Käse, darunter die zerriebene Tomate, das Olivenöl tränkt den Teig, die Portionen sind riesig und schmecken noch viel besser als sie aussehen, hier unter dem rustikalen Verandadach, das auf steinalten Säulen ruht. An der Bar S'Hostal am Ortsrand von Montuïri hat sich seit der Errichtung des Gebäudes im 18. Jahrhundert scheinbar kein Handschlag mehr in Sachen Renovierung und Design getan. Vielleicht ist das der Grund, dass das Lokal so authentisch wirkt mit seiner Spezialität "Pa amb Oli", kurz Pamboli, was soviel wie Brot mit Olivenöl bedeutet.

"Man hat auf Mallorca unser Dorf Montuïri stets als die Hochburg des Pamboli bezeichnet", sagt Gastronom Rafel Pons. Im vergangenen Jahr hatten dann ein Kollege und er die Idee, eine Pamboli-Messe ins Leben zu rufen. Gemeinsam mit dem Rathaus wurde 2016 das Debüt organisiert, das mehr als 4000 Besucher auf die Plaça Major des Dorfes in der Inselmitte lockte. Mitte Juni, fand die zweite Auflage statt. Von 20 bis 1 Uhr nachts drehte sich in Montuïri alles um die geölten Brotscheiben.

Kein anderes Gericht auf Mallorca vereint in sich so viel philosophisches Gedankengut wie das Pamboli. Die Ansichten, wie ein richtiges Pamboli zu sein hat, sind Legion, der theoretische Überbau über den Aufschnitt ist so variantenreich wie die Wellen auf dem Meer. Einigkeit besteht indes in einem Punkt: Die Brotscheibe ist mit Olivenöl zu beträufeln. Doch schon bei der Frage, ob die Öllachen mit einer Messerklinge auf der Brotfläche verstrichen werden dürfen oder nicht - da öffnen sich zwischen Puristen bereits Klüfte ...

Wie bitte? Öl aufs Brot? Früheren europäischen Mallorca-Besuchern aus Gegenden nördlich der Alpen verschlug es bei Erstbegegnungen stets die Sprache. Keine Butter, die auf den rohgezimmerten Holztischen der Insel zu finden war; stattdessen eine Karaffe mit goldgrünem Saft, der schimmernd in die Poren der Brotscheiben eindringt. Für so manchen Zugereisten erwies sich das Pamboli als Liebe auf den ersten Biss, für andere war das Olivenaroma am Gaumen ein No-Go, das den Magen und noch mehr den Darm in Aufruhr versetzte. Und dennoch: Mit dem Vormarsch der mediterranen Diät und der seit Jahrzehnten gewachsenen Zahl der Mallorca-Liebhaber hat auch das Heer der ausländischen Pamboli-Verfechter ungebremst Zulauf erhalten.

Für Rafel Pons ist die korrekte "Bauweise" eines Pamboli seit Urzeiten festgelegt: Auf die Scheibe ungesalzenen Bauernbrotes kommt zuerst die zerriebene Ramallet-Tomate, dann Salz und dann Öl. Anschließend wird das Ölbrot je nach Gusto mit Schinken, Käse oder weiterem Aufschnittsortiment belegt. Fertig.

Ähnliche Nachrichten

Als eine weitere Institution in Sachen Pamboli gilt das Lokal Sa Llimona in Palmas Santa-Catalina-Viertel (Carrer Sant Magí 80). Hier erfolgt die Bauanleitung des mallorquinischen Vesperbrotes so: Die Scheibe ist leicht angeröstet und dadurch rauh. So lässt sich darauf - wie auf einer Feile - eine Knoblauchzehe hauchzart verreiben. Das gibt dem Pamboli eine gewisse Schärfe. Anschließend wird das saftige Fleisch einer Tomate verrieben. Dann folgen erst das Olivenöl und danach das Meersalz. Den krönenden Abschluss bildet der Aufschnitt.

Geht dazu auch die scharfe Paprikawurst Sobrassada? "Auf gar keinen Fall", wehrt Tomeu Mas kopfschüttelnd ab. "Auf ein Pamboli kommt nur Schnittware. Aber nichts, das zu verstreichen ist. Man darf die Sobrassada nicht töten, sie gehört pur aufs Brot - ohne Öl!"

Pamboli, das wird Zugereisten bald klar, ist auf Mallorca eine Wissenschaft für sich. Das gilt auch für den Rohstoff, das Brot selbst. Für die einen wie etwa Tomeu Mas muss es Pan Moreno sein, ein dunkles Weizenbrot. Rafel Pons schwört hingegen auf Pa Pagès, also Bauernbrot, auf halbem Weg zwischen Dunkel und Hell. Wichtigstes Kriterium: Es muss aus Montuïri stammen. Diese Art Lokalpatriotismus ist auf der Insel an vielen Orten anzutreffen. Tolo Sampol, Betreiber der Bar Sa Bodega bei Son Sardina, kauft wiederum sein Pan Moreno einzig in Esporles. "Dort gibt es das beste Brot ganz Mallorcas", postuliert er.

Bei so viel Tradition darf die Geschichtsschreibung nicht fehlen. Pamboli zählt neben vier weiteren Gerichten - Trampó, Tumbet, Frit, Sopes - zum Urtümlichsten, was die Inselküche zu bieten hat, und zwar seit Menschengedenken. Tomeu Pons wiederum schildert, dass Pamboli seit dem Tourismusboom in den 1950er Jahren als Arme-Leute-Essen galt, und in Restaurants nicht gut angesehen war, wo man den Gästen lieber etwas Hochwertiges auftischen wollte. Die öligen Brote fanden sich eher in dunklen Bars wieder, in denen junge Erwachsene ohne Kaufkraft zum verschwiegenen Händchenhalten zusammenkamen. "Als wir 1991 in Palma starteten, gab es mit uns nur drei Lokale, die Pamboli offerierten. Der Junggastwirt trat damals mit dem Anspruch an, die Brotzeit wieder auf Restaurant-Niveau anzuheben. Das löste einen regelrechten Boom aus, mit Höhen und Tiefen und Modewellen, die am Pamboli vorbeizogen, wie Pintxos, Sushi, Tapas, Fusion ... Im Vergleich dazu habe sich das Pamboli als zeitlos erwiesen, ein Produkt, das nicht totzukriegen ist, und höchstens durch Aufessen beseitigt werden kann.

(aus MM 24/2017)