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Schaut man von Es Jonquet, Palmas „Balkon”, Richtung Schiffsanlegestelle, öffnet sich vor einem die weite Welt. Eine Fähre verlässt zwischen Superyachten das Hafenbecken. Der mehrspurige Paseo Marítimo zieht sich unterhalb des Viertels entlang.

Dreht man sich wieder um, wird es schlagartig still. Enge Gässchen, dichtes Grün und Blumentöpfe vor den Fenstern, kein Verkehr. Eine ältere Frau führt ihren kleinen Hund spazieren, die Weihnachtsbeleuchtung hängt schon.

Vor wenigen Tagen ging ein langer Kampf um den Schutz des ehemaligen Fischer-, Handwerker und Zigeunerquartiers erfolgreich zu Ende. Der Schutzplan (Plan Especial de Protección, PEP) wurde bewilligt und dieser sieht klare Regeln für das zukünftige Bauen und die Nutzung von Gebäuden vor.

Es war ein Drama in vielen Akten. Ein erster Teilerfolg wurde 2009 errungen, als Es Jonquet zum „BIC“ erklärt wurde, was für Bien de Interés Cultural steht und „geschütztes Kulturgut“ bedeutet. Der früher arme Stadtteil der Fischer verdient historisch begründet den Denkmalschutz. Die niedrigen Häuschen mit den bunten Fensterläden, die großen alten Mühlen mit ihren hölzernen Flügeln, das frühere Volkstheater „Mar i terra“, das heute ein modernisiertes Kulturzentrum ist, spiegeln den Charakter des Viertels wider.

Der Konzern Acciona hatte anfangs Großes vor: Bauprojekte mit riesigen Glasfassaden und 350 Autostellplätzen waren im Gespräch. Auch ein unterirdischer Supermarkt von 1400 Quadratmetern Fläche wurde anvisiert. Die hohe Bebauung hätte die Silhouette des Barrios mit seinen beiden Mühlen, die sich über dem Hafen erheben, empfindlich gestört.

Diese Großprojekte waren mit dem BIC-Titel zwar vom Tisch, konstruktive Gegenvorschläge im Sinne des Denkmalschutzes dennoch nicht möglich, solange ein Schutzplan mit klaren Bestimmungen fehlte. Denn: Niemand investiert, solange juristische Planungssicherheit fehlt.

Aufgrund des Ausblicks über Palmas Hafen hat Es Jonquet den Beinamen „Balkon von Palma”.
Wegen des Ausblicks über den Hafen hat Es Jonquet den Beinamen „Balkon von Palma”.
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Nachbarschaftsvereine und engagierte Bürger des Fleckchens zwischen Hafen und Ausgehviertel Santa Catalina taten sich zusammen. Doch das Ringen um klare Ziele war zäh. Stadtteilbewohner Toni Sorell kann davon ein Lied singen. Der Mallorquiner lebt seit 2006 dort, sieht sich als Bindeglied zwischen Alteingesessenen und Zugezogenen.

Er ist sehr froh über die Zustimmung des Rathauses und damit die rechtliche Verankerung. „Fünf Bürgermeister wurden während der Verhandlungen ,verschlissen’“, sagt er. „Jetzt erwacht das Viertel endlich aus einer Starre, denn viele geplante Bauvorhaben lagen auf Eis, Entscheidungen konnten nicht getroffen werden.”

Damit das „Quartier” seinen ursprünglichen Charakter bewahrt, sieht der Plan der Linksregierung folgende Punkte vor. In Zukunft sollen maximal drei Bars oder Restaurants in einem Radius von 100 Metern existieren. In den alten Mühlen selbst dürfen keine Discos untergebracht sein. Die früher beliebten Clubs „Sabotage und Luna“ liegen seit vielen Monaten still da. Wegen Covid. Auch nach Corona werden die Clubs geschlossen bleiben und die Anwohner atmen erleichtert auf. „Das war ein Unding mit dem Krach“, sagt ein älterer Herr auf dem Rückweg vom Einkauf, eine kleine Schale mit Champignons in der Hand.

Auch Mietwucher und aggressiven Immobilienspekulationen soll der Schutzplan einen Riegel vorschieben. Schon jetzt leben in dem Viertel vor allem Zugezogene. „Schweden, Engländer, Deutsche, über und neben mir“, bestätigt auch Tatiana Sarasa, die an der Ecke der Ausgehstraße Sant Magí seit vielen Jahren ihr „Open Studio“, ein Mix aus Kunstatelier und Laden für Naturwolle, betreibt. „Früher gab es hier viele kleine Läden, ich wählte Es Jonquet als Standort Anfang der 90er-Jahre aus, weil es trotz des traditionellen Charakters etwas Weltläufiges hatte. Es war einer der wenigen Orte in Palma, in denen man Croissants mit Butter kaufen konnte“, lacht sie. Jetzt gebe es nur noch Restaurants und Kneipen, die sich wie Perlen an einer Schnur aneinanderreihten.

Weiter sieht der Plan bauliche Grenzen bei Neubauten, maximal zweigeschossig, und den Schutz der Mühlen vor, dazu gehört auch ihre Instandhaltung. Die Nutzung kann privat oder auch kommerziell sein, nur Nachtlokale mit Tanzoption sind tabu.

Die Ausdauer und Zähigkeit der Anwohner hat sich gelohnt. Jetzt ist der Weg frei für ein gesundes Gleichgewicht im beliebten Fischer-Barrio mit seinem verwunschenen Charakter.