Hier untersucht die Meeresbiologin Fiona Tomas Nash von Medgardens Braunalgen an der Küste von Sant Elm. | Max Lebigre

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An der Bucht von Illetes könnte man das Team heute treffen, hatte José Escaño gesagt. Er ist der Koordinator von „Medgardens”, einem ambitionierten neuen Meeresschutzprojekt. Das Ziel ist, die Unterwasserwälder an den Uferzonen des Mittelmeers aufzuforsten, angefangen mit Mallorca. „Halte nach der roten Boje in Illetes Ausschau. Da wirst du uns sehen.”

In ihren Neoprenanzügen sind die Meeresschützer leicht zu erkennen. Sie tauchen zu viert: José Escaño, seine Kolleginnen Tati Benjumea und Laura Royo sowie die freiwillige Helferin Francesca Luculano, allesamt Meeresbiologen. Gerade kommt das Team aus dem Wasser. Zeit zum Frühstücken und Begutachten einiger Algenproben, die sie gesammelt haben.

Medgardens ist ein Projekt der Cleanwave Stiftung, gegründet von dem Deutschen Philipp Baier und seiner Frau Line Hadsbjerg, einer gebürtigen Dänin. Seit 2017 hat Cleanwave verschiedene Initiativen ins Leben gerufen, um den Konsum von Einwegplastik auf Mallorca zu reduzieren. Unter anderem wurden an vielen Stellen der Insel öffentliche Trinkwasserspender aufgestellt, die man mit Hilfe einer App (cleanwa ve.org) finden kann. Mit Medgardens (für mediterrane Gärten) ist 2020 aktiver Meeresschutz hinzugekommen.

Die Unterwasserwälder seien lebenswichtig, sagt José Escaño. „Wenn wir nichts für sie tun, geht der massive Verlust der Artenvielfalt, den wir gerade erleben, ungebremst weiter – mit dramatischen Konsequenzen für die Menschen.” Mit Unterwasserwald ist die Vegetation im Küstenbereich gemeint. Sie besteht aus Algen und Pflanzen, wie dem Neptungras Posidonia oceanica, und leistet wichtige Dienste. „Sie sorgt für klares und sauberes Wasser, bietet vielen Fischen und wirbellosen Meerestieren Nahrung und Lebensraum, schützt die Strände vor Erosion durch Wellen, produziert Sauerstoff und bindet Kohlenstoff”, fast Tati Benjumea zusammen.

Das sensible Ökosystem ist vielen Bedrohungen ausgesetzt, dazu gehören Anker, Abwässer, chemische Rückstände von Sonnencremes oder die Veränderung von Küstenlinien. Außerdem siedeln sich in Folge des Klimawandels gebietsfremde Pflanzen und Algen an, vermehren sich explosionsartig und verdrängen einheimische Arten. „Gerade heute haben wir wieder eine tropische Alge hier im Wasser entdeckt, sehr hübsch, und sehr invasiv”, sagt Laura Royo.

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Die meisten Meeresschutzprojekte konzentrieren sich auf die Posidonia oceanica. Sie sei die wertvollste Pflanze im Ökosystem, meint Tati Benjumea. „Sie kann 700 Kilogramm Kohlenstoff pro Quadratmeter speichern, das ist wahnsinnig viel.” Aber das Neptungras wächst sehr langsam, nur einen Zentimeter pro Jahr, und ist sehr empfindlich gegenüber dem Klimawandel. „Deshalb wollen wir verschiedene Pflanzen- und Algenarten regenerieren, die weniger temperaturempfindlich sind und auch schneller wachsen.” So könne man Erfolge auch schon in einem Jahr sehen und nicht erst in zehn Jahren, wie bei der Posidonia.

Zurzeit bestehen vier „Medgardens” an Mallorcas Küste: in Illetes, Sant Elm, Portocolom und Formentor. „Es sind relativ kleine Bereiche in Ufernähe, die wir ausgewählt haben, weil sie besonders stark degeneriert sind und langfristig von einer Aufforstung profitieren würden, da Störfaktoren wie Ankern oder Abwässer ausgeschlossen werden können”, erklärt Laura Royo. Ein Medgarden sei ein Fenster zum Meer. „Es soll zeigen, was möglich ist. Wenn sich die Küstenvegetation erholt, siedeln sich Fische und Wirbellose an, die Artenvielfalt nimmt quasi von alleine wieder zu.”

Bis 2030 will Medgardens die Unterwasserwälder des gesamten Mittelmeers aufforsten. Wie wollen sie das schaffen? Zum einen durch offenes Wissen, erklärt José Escaño. „Wir teilen unsere Forschungsergebnisse und Techniken mit unseren Kollegen in der Türkei, Italien, Frankreich und Nordafrika, damit diese sie selbst anwenden können. Dort herrschen die gleichen Probleme und Umweltbedingungen.”

Außerdem wird die Bevölkerung aktiv beteiligt. „Jeder kann bei uns mitmachen, man muss noch nicht einmal schwimmen können”, meint der Koordinator und lacht. Bürgerwissenschaft heißt das Konzept. Die erste Stufe des Engagements können Beobachtungen vom Strand aus sein. Wenn man zum Beispiel eine Quallenplage sieht, macht man ein Foto davon und schickt es an die Plattform „Observadores del Mar” (auf Deutsch Meeresbeobachter), zu finden unter www.obser vadoresdelmar.es . „Für alle, die Lust haben nass zu werden, bieten wir wissenschaftliche Schnorchel- und Tauchkurse an, zusammen mit unserem Partner Tramuntana Diving.” Am Ende der Kurse seien Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Lage, sicher und effektiv kleine wissenschaftliche Arbeiten am Meeresboden auszuführen. Das Team hofft, vor allem Anwohner für den Küstenschutz begeistern und in das Projekt integrieren zu können.

Und natürlich kann man Medgardens finanziell unterstützen (med gardens.org) . Die Hauptförderer des Projekts sind die Marilles Foundation, der Mallorca Preservation Fund und die Firma True Ports. „Aber jeder Euro hilft. Wir sind alle Medgardens”, meint der Koordinator noch, bevor er den Neoprenanzug wieder zuzieht und mit seinem Team im Meer abtaucht. Der Unterwasserwald ruft.