Auch in diesem Jahr stand die Inselhauptstadt bei vielen Urlaubern hoch im Kurs. | Jonas Martiny

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Während Mallorcas Hoteliers angesichts eines erneuten Touristenrekordes auf der Insel, hervorragender Buchungszahlen und eines besonders hohen Preisniveaus in Jubelstimmung sind, ist das in den anderen Branchen, die ebenfalls überwiegend oder ausschließlich von den Urlaubern leben, nicht der Fall. Hier ist das Stimmungsbild deutlich differenzierter. „Die Urlauber sind mit angezogener Handbremse gekommen”, sagt etwa Antoni Gayà vom Einzelhandelsverband Afedeco. „Es war eine normale Saison, wir können uns nicht beklagen”, sagt er. „Erwartungen wurden aber nicht übertroffen.” Während es zunächst sehr vielversprechend losgegangen sei, habe das Geschäft dann im Laufe der Monate stark nachgelassen. Woran das lag, sei unklar. „Es sind immer mehrere Faktoren im Spiel”, sagt er. Besonders locker saß das Geld bei den Urlaubern jedenfalls nicht. In Palmas Innenstadt macht dabei der Tourismus einen bedeutenden Teil des Umsatzes aus. Gayà schätzt diesen in der Altstadt auf 55 bis 60 Prozent. Es liege generell einiges im Argen, findet er. Vor allem Sauberkeit und Sicherheit ließen zu wünschen übrig. Das schade auch dem Einzelhandel. „Wir fordern gar keine großen Dinge”, sagt Gayà. „Man kann das ganz einfach lösen.” Mehr Polizeipräsenz auf den Straßen und schnelleres Beseitigen von Graffiti etwa würden schon eine Menge verbessern. Hier habe die Stadtverwaltung in den vergangenen Jahren einfach vieles schleifenlassen. „Ich habe den Eindruck, dass der neue Bürgermeister einiges anders macht in diesem Bereich.”

turistas en el centro de palma cruceros

Grundsätzlich hätten die Geschäftsinhaber immer noch mit den Folgen der Pandemie zu kämpfen. „Viele mussten damals Kredite aufnehmen”, sagt Gayà. „Die müssen jetzt noch immer abbezahlt werden.” Deswegen sei es wichtig, dass die Steuern und Abgaben nicht weiter stiegen, insbesondere Müllgebühr und Grundsteuer. Hilfreich seien die Einkaufsgutscheine, die seit einigen Jahren von der Balearen-Regierung und der Stadt Palma subventioniert werden und ein großer Erfolg sind. Bei den Aktionen wird ein Teil des Einkaufs bezuschusst. „Das führt dazu, dass in den Geschäften mehr los ist, dass Leute auf den Straßen unterwegs sind”, sagt Gayà. „Das hat einen Nachahmungseffekt.” Verhalten äußert sich auch Rafel Roig vom Transportunternehmer-Verband Febt, dem unter anderem die touristischen Busunternehmen der Insel angehören. „Es war eine mehr oder weniger gute Saison”, sagt er. Vergleiche mit anderen Jahren aber seien schwierig, insbesondere wegen der zuletzt starken Schwankungen bei den Kosten. Was den Treibstoff angeht, müssten die Unternehmen derzeit beispielsweise in etwa genauso viel zahlen wie vor einem Jahr. Mit dem Unterschied, dass es damals noch eine staatliche Subvention für Transportfirmen gab. „Das ist weiterhin eines der zentralen Themen”, sagt Roig.

Auch der Transportsektor hat noch mit den Folgen der Corona-Pandemie zu kämpfen. So sei es weiterhin schwierig, Ersatzteile zu bekommen, da viele Zulieferfirmen diese nicht mehr vorhalten. Ein weiteres Problem ist der Mangel an Personal. In ganz Europa fehle es an professionellen Fahrern, aber auch an Mechanikern, die mit den neuen Technologien in der Fahrzeugbranche umgehen könnten. Was die Fahrer angehe, fordert Roig eine Senkung des Mindestalters. Außerdem müssten die Hürden für die Erlangung einer Fahrerlaubnis im Personentransportbereich gesenkt werden. Für viele Interessierte seien die Kosten von 3000 bis 4000 Euro für einen entsprechenden Führerschein schlicht zu hoch. Agustín Linares betreibt mehrere Souvenirläden auf der Insel, unter anderem in Palmas Altstadt, in Magaluf, Valldemossa und an der Playa de Palma. Zudem gehört er der Direktion des Unternehmerverbandes Amicturs an, dem zahlreiche Geschäfte in Urlauberorten angehören. Linares tut sich schwer damit, ein umfassendes Resümee der touristischen Saison zu ziehen. „Das variiert einfach sehr stark von Zone zu Zone”, sagt er. „Magaluf zum Beispiel hat nun einmal nichts gemeinsam mit Puerto Portals.” Das Geschäft könne an einem Ort gut laufen, während an anderer Stelle überhaupt nichts los sei.

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In Peguera etwa hätten die Geschäftsleute ungefähr die Ergebnisse des Jahres 2019 erreicht. Auch an der Playa de Palma, in Magaluf und Cala Millor seien die Zahlen positiv. Weniger gut sei die Saison in Cala d’Or, Cala Rajada und Calas de Mallorca gelaufen. „Insgesamt war die Saison nicht schlecht”, sagt Linares. „Auf jeden Fall besser als 2022.” Der Sektor zeichne sich dadurch aus, dass man häufig nicht so genau sagen kann, warum das Geschäft gut oder schlecht läuft. Zu viele Faktoren spielten eine Rolle. So sei etwa die Bandbreite der Geschäfte in den Urlauberorten enorm. Sie reicht von Schuh- oder Modeläden über Supermärkte bis hin zu klassischen Souvenir-Shops. Es gehe darum, den Geschmack der Leute zu treffen. Das sei häufig Glückssache. Kurioserweise liefen zum Beispiel Postkarten noch immer sehr gut. Auch die Form der Präsentation in den Geschäften und das Personal hätten Auswirkungen auf die Verkaufszahlen. Das gilt nicht zuletzt auch für das Wetter. Und das sei in diesem Sommer eher nicht verkaufsfördernd gewesen, sagt Linares. „In Palmas Altstadt habe ich von einem Ladenbesitzer gehört, dass sich der August umsatzmäßig wie der Februar angefühlt habe.” Zu viel Hitze führe dazu, dass Urlauber keine Einkaufsausflüge unternehmen. Obendrein habe es nur wenige Wolkentage gegeben, die Touristen traditionell für einen Besuch von Palmas Altstadt nutzen.

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Ein Thema, das die Geschäftsleute in den Touristenzonen seit vielen Jahren umtreibt, ist der illegale Straßenhandel. „Das betrifft uns in zweierlei Hinsicht”, sagt Linares. Zum einen gehe ihnen durch die „fliegenden Händler” direkt Kundschaft verloren, zum anderen sorgten sie für ein Klima auf den Straßen, das vielen Urlaubern unangenehm sei. Linares fordert von der Politik endlich eine sozialverträgliche Lösung für die Straßenhändler, die häufig keine andere Arbeit finden. Im Vergleich zum Vorjahr habe sich das Problem zuletzt noch verschärft. Immer wieder müssen sich die Geschäftsleute in den Touristenzonen den Vorwurf gefallen lassen, dem Exzess-Tourismus Vorschub zu leisten. An der Playa de Palma etwa gibt es unzählige Supermärkte, in denen man nicht nur Lebensmittel, Strandutensilien und Drogerieprodukte bekommt, sondern auch alkoholische Getränke. Viele Urlauber, die dann später biertrinkend auf der Uferpromenade zum öffentlichen Ärgernis werden, decken sich hier ein. Seit einiger Zeit gilt am „Ballermann” daher ein Verkaufsverbot für Alkohol nach 21.30 Uhr.

Agustin Linares verteidigt die Geschäftsleute. „Wir sind nicht die Schuldigen”, sagt er. „Wir passen uns nur den Kunden an, die wir haben.” In Puerto Portals würde ein Minimarkt gewiss nichts verkaufen. „Anderswo aber gibt es nun einmal die Nachfrage.” Man fördere den Alkoholkonsum nicht und letztendlich seien auch Verkaufsverbote nicht zielführend. „Die Urlauber finden auch so Wege, sich mit Alkohol einzudecken.” Linares hält die Kritik für überzogen. „Da geht es um Konkurrenz”, sagt er: „Die Gastronomen, die in ihren Lokalen Getränke verkaufen wollen, haben ein Interesse daran, dass es uns nicht gibt.” Er sei der Ansicht, dass man den Exzess-Tourismus bekämpfen müsse. „Wir wollen aber nicht dämonisiert werden.” Mallorcas Gastronomenverbände derweil beklagten kürzlich der Tageszeitung „Ultima Hora” gegenüber Umsatzrückgänge trotz des Touristenrekordes. Alfonso Robledo (Restauració Caeb) etwa verweist auf die hohe Inflation, die jeden betreffe. Urlauber müssten ja derzeit bereits besonders hohe Preise für die Flüge bezahlen. Da sitze das Geld dann eben im Urlaub nicht mehr ganz so locker. Das sieht auch sein Kollege César Amable so (Pimem Restauració). „Die Leute haben in diesem Jahr weniger Geld ausgegeben”, sagt er. Das macht sich auch im Yacht-Charter-Bereich bemerkbar. Dem entsprechenden Verband zufolge ist die Zahl der mehrwöchigen Buchungen zuletzt stark gesunken.

Auch Rafael Durán, Vorsitzender des Verbandes der touristischen Attraktionen (Abactur) hat festgestellt, dass viele Urlauber in diesem Jahr sparsamer waren. Dennoch übertraf der zurückliegende Sommer den der Jahre 2019 und 2022. Durán vermutet, dass die gestiegenen Preise für Flüge und Unterkunft das Urlaubsbudget vieler Touristen mehr als sonst beanspruchten und dann eben nicht so viel Geld für Aktivitäten vor Ort übrig war. „Allerdings ist auch bei uns keine Verallgemeinerung möglich”, sagt er. Dafür sei der Sektor zu heterogen. Abactur gehören so unterschiedliche Unternehmen an wie das Palma Aquarium, der Sóller-Zug, die touristischen Höhlen im Inselosten, das Mallorca Fashion Outlet, die Kunstperlenhersteller Majorica und Orquídea, Schuhproduzent Ria, die Alfàbia-Gärten, Safari-Zoo und Natura Parc sowie die Sightseeing-Busse von Palma. „Wie alle Branchen treffen auch uns die gestiegenen Kosten”, sagt Durán. Diese habe man nicht 1:1 an die Kunden weitergegeben, was die Rentabilität deutlich geschmälert habe. Anstatt das eigene Angebot teurer zu machen, hätten viele Anbieter lieber darauf gesetzt, zusätzliche Angebote zu machen: neue Aktivitäten, Degustationen, Präsentationen. Auch der Personalmangel sei weiterhin ein drängendes Problem.

Positive Entwicklungen sieht Rafael Durán allerdings auch. „Es kommen zunehmend Touristen, die nicht nur Strand und Sonne suchen”, sagt er. Seine Branche bilde ein Gegengewicht zum traditionellen, auf der Insel vorherrschenden Modell und leiste einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Nebensaison. Manche Unternehmen hätten ihre stärksten Monate eben nicht im Juli und August. Der Erfolg hängt in der kühleren Jahreszeit jedoch stark vom staatlich subventionierten Seniorenreiseprogramm Imserso ab. Rentner vom Festland, die in diesem Rahmen ihren Urlaub auf der Insel verbringen, machten bei manchen Firmen in der Nebensaison bis zu 80 Prozent des Umsatzes aus. Kommt es wie zuletzt zu Verzögerungen beim Start der Imserso-Reisen, kann das die Planungen der gesamten Branche durcheinanderbringen. Mit Unwägbarkeiten hatte zuletzt auch die Branche der Bars, Nachtclubs und Diskotheken zu kämpfen. Vor allem die restriktive Anti-Corona-Politik während der Pandemie auf den Balearen brachte so manches Unternehmen an den Rand des Ruins – wenn nicht darüber hinaus. Im vergangenen Jahr gab es dann ein herausragendes Jahresergebnis. „Es wirkte so, als wollten die Leute niemals nach Hause gehen”, sagte der Chef des Branchenverbandes, Miguel Pérez, kürzlich im Interview mit der Tageszeitung „Ultima Hora”. Auch dieses Jahr habe vielversprechend begonnen, dann aber habe sich doch die Zurückhaltung der Kunden bemerkbar gemacht. „Die Touristen kommen zwar weiterhin”, sagte Pérez. „Wenn sie aber ausgehen, dann achten sie stärker auf ihre Ausgaben als im vergangenen Jahr.” Weiterhin beklagt Pérez die „Dämonisierung” seiner Branche. Das liege daran, dass sie unberechtigterweise mit dem Exzess-Tourismus in Verbindung gebracht werde. „Mallorca kann nicht allein vom Familien-Tourismus leben. Wenn niemand mehr das Hotel verlässt, dann werden die Bar, das Geschäft oder das Restaurant nebenan am Ende zumachen müssen.”