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Die Dorfbar Café Ca'n Benet an der Plaça in Fornalutx ist auch im Winter gut gefüllt. Auf der Terrasse, an der Bar und vor der großen Fensterfront, die den Blick auf das "goldene Tal", in dem der Ort liegt, sowie die dahinterliegenden Berge der Tramuntana freigibt, sitzen Einheimische und Urlauber. Ein älterer Mann in Arbeitskleidung schlürft seinen Kräuterlikör, an der Wand hinter ihm hängen Schwarz-Weiß- und Farbfotografien. Sie zeigen neue und historische Aufnahmen des "Correbou", jener Stierhatz, für die Fornalutx auf Mallorca bekannt und bei Tierschützern verschrieen ist. "Wir kommen seit fünf Jahren hierher, weil Fornalutx so beschaulich ist", erzählt das Urlauberehepaar Berthold aus dem Rheinland.

Dass Fornalutx schön ist, wurde dem Dorf sogar schriftlich bestätigt. 1984 gewann es den Titel zweitschönstes Dorf Spaniens. Nun hat sich die Gemeinde der spanischen Vereinigung der schönsten Dörfer des Landes angeschlossen. "Für mich ist Fornalutx natürlich der schönste Fleck der Welt", sagt Bürgermeister Antonio Aguiló Amengual (PP). Im Sommer schaute sich ein Komitee die Ortschaft an: "Positiv fiel auf, wie ordentlich hier alles ist", sagt der Bürgermeister. Mit dem Beitritt in die Vereinigung verpflichtet sich das Dorf, das Ortsbild sauber zu halten, die Architektur sowie die Bräuche und Traditionen zu wahren. Fornalutx erwartet sich im Gegenzug Werbung, um Urlauber anzulocken.

Aguiló leitet seit Februar 2015 die Geschicke des Bergortes. Er ist stolz darauf, dass in Fornalutx keine Parteien-, sondern Dorfpolitik gemacht wird: "Hier fallen die Entscheidungen einstimmig." Vor 22 Jahren zog der 42-Jährige von Sóller nach Fornalutx. Beide Orte sind historisch verbunden, bis 1836 gehörte Fornalutx zu Sóller und kann jedoch bis heute nicht ohne die große Schwester. Der kameradschaftliche Wettstreit wird nach wie vor gepflegt: "Hier ist das Klima milder und die Orangen süßer als in Sóller", sagt der Bürgermeister.

Die schmalen Gassen mit ihren Treppen, welche die Gemeinde von Hand reinigen lässt, die goldbraunen Natursteinfassaden, die idyllische Lage im Tal von Sóller mit seinen Oliven- und Orangenhainen formen den Charakter von Fornalutx. "Die Ruhe macht das Dorf sehr attraktiv", fügt Aguiló an. Deutsche, Engländer und Skandinavier ließen sich in dem 707-Seelen-Ort nieder, der mit Ferienhausbesitzern doppelt so viele zählt.

In Fornalutx ist ein Tourismus vorhanden, wie ihn sich andere Ort auf Mallorca wünschen. Die Urlauber sind zahlungskräftig, beleben das Dorf und kommen sommers wie winters. Es gibt vier Hotels im Ort, eins davon hat ganzjährig geöffnet, ein zweites beendet seine Pause vor Weihnachten. "Jetzt kommen viele Wanderer und Deutsche, die die Feiertage hier verbringen wollen", weiß der Bürgermeister, der selbst passionierter Bergsportler ist und den örtlichen Wanderverein gründete.

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Neben den Hotels gibt es eine große Anzahl an Ferienhäusern. Margalida Llobera hat ihr Elternhaus Ca's Patró Lau umgestaltet; seitdem vermietet sie die Finca an Urlauber: "Diese Touristen sind wichtig für den Ort, sie gehen einkaufen und besuchen die Restaurants", sagt die ehemalige Gemeinderätin. Sie ist allerdings der Ansicht, dass in diesem Jahr zu viele Urlauber in Fornalutx waren. "Das Problem ist, dass die Tramuntana ein Naturpark ist, in dem jeder kommen und gehen kann, wie er will." Sie fordert mehr Schutz für die Bergregion.

Wie seine Westentasche kennt Jaume Pinya Fornalutx. Er ist Künstler, Heimatforscher und Museumsleiter der Gemeinde, kümmert sich um den Ausstellungsraum Ca'n Xoroi, in dem die typischen bemalten Dachziegel der Region sowie eine alte Ölmühle zu sehen sind. Er kommt eigentlich aus Sóller, in den 1980er Jahren kaufte er eine Finca am Ortsrand und blieb.

Pinya begutachtete nicht nur Dachziegel, sondern beschäftigte sich auch mit den Persönlichkeiten, die im Laufe der Jahre in Fornalutx Station machten. So erfuhr er über einen mittlerweile verstorbenen Schreiner, dass sich in den 1930er Jahren der deutsche Künstler Wols (eigentlich Alfred Otto Wolfgang Schulze, 1913-1951) im Dorf aufhielt. Der Schreiner sollte einen Holzrahmen für die Werke des Malers und Fotografen anfertigen. "Wols soll nach einem Trinkgelage einmal nackt durch die Straßen des Dorfes gelaufen sein", erzählt Pinya, "das war zur damaligen Zeit natürlich ein Skandal."

Pinya ist auch ein Kritiker des Ortes. "Die Umgebung hier ist traumhaft, ich fühle mich privilegiert", sagt er, doch Fornalutx sei eben auch ein kleines Dorf mit seinem Klatsch und Tratsch. Für Immobilienbesitzer sei es lukrativer, die Häuser an Urlauber als an Bewohner zu vermieten, und die Gebäudepreise stiegen ins Astronomische: "Das ist die Perversion des Geldes."

Der Stierhatz Correbou kann der Künstler nichts abgewinnen. Die Fronten im Dorf seien verhärtet, seitdem es die Demonstrationen gegen das Spektakel gibt. "Der Correbou stammt aus der Zeit, als es wenig Fleisch gab", erzählt Bürgermeister Aguiló. Zum Fest wurde ein Stier von den Bergen ins Tal getrieben. "Den Bürgern ist der Correbou wichtig", fügt er an, "wir führen diese Tradition der Tramuntana weiter, solange wir können."

(aus MM 50/2016)